Vom 23.-25. Mai 2016 trafen sich 25 Vertreterinnen und Vertreter der sechs Länder in Berlin, um auf die bisherige Berufsbildungszusammenarbeit zurück zu blicken und über die zukünftige Gestaltung einer Europäischen Peer Learning Plattform zu diskutieren. Hintergrund war das 2012 in Berlin unterzeichnete Memorandum, in dem die Partnerländer vereinbarten, gemeinsam an Lösungsansätzen zur Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit und Verbesserung des Übergangs in den Arbeitsmarkt zu arbeiten. Der Schwerpunkt lag dabei auf der Implementierung dualer oder arbeitsplatzbasierter Ausbildung, der Steigerung der Attraktivität und Qualität der Berufsbildung, der Modernisierung der Ausbildungssysteme und der Einbeziehung von Sozialpartnern in das jeweilige System der beruflichen Bildung.
Deutschland und seine Partner haben die Umsetzung ernst genommen. Bilaterale Arbeitsgruppen wurden gegründet, um den gegenseitigen Informationsaustausch und die Vernetzung aller beteiligten Akteure auf Arbeitsebene zu fördern und die Zusammenarbeit politisch zu steuern.
Die Zentralstelle für internationale Berufsbildungskooperation GOVET hat für das BMBF seit 2013 gemeinsam mit den Partnern zahlreiche Studienreisen, Fach-Workshops und Konferenzen organisiert , Pilotprojekte umgesetzt, Machbarkeitsstudien durchgeführt, Materialien für Schulungen erarbeitet sowie Gutachten und Evaluationen erstellt. Über das VETnet-Projekt förderte das BMBF zahlreiche Projekte über die vor Ort ansässigen AHKs. Die Umsetzung verlief in den einzelnen Ländern, gemäß den jeweiligen Bedarfen und politischen Notwendigkeiten, in unterschiedlicher Geschwindigkeit und mit verschiedenen Schwerpunkten. BMBF-Abteilungsleiter Volker Rieke betonte, dass die erste Phase beendet sei und forderte die Kolleginnen und Kollegen auf, kritisch zu bewerten, was erreicht wurde.
Im lebhaften Austausch auf dem "Heißen Stuhl" stellten sich die Landesvertreterinnen und -vertreter in drei Sessions Fragen nach den Herausforderungen von notwendigen Gesetzesreformen, bei der Entwicklung der Qualität in der Weiterbildung von Berufspersonal und im Zusammenhang mit der - in vielen Ländern nach wie vor schwierigen Lernortkooperation. So verwies die Slowakei auf einen schnellen Prozess der gesetzlichen Neuregelung unter Einbindung aller relevanten Akteure. Italien hat ein zweistufiges Gesetz mit verpflichtender Berufsorientierung für alle Schulen und höhere Berufsbildung in Fachoberschulen eingeführt. Bedeutend ist, dass dabei duale Elemente oder Praxisphasen als eine Option zu weiteren berufsschulischen Optionen im Bildungssystem rechtlich verankert werden. Dies ist auch in anderen Ländern, beispielsweise Griechenland, der schrittweise Weg zur Systemverbesserung, der auf nationalen Traditionen und Erfahrungen aufbaut.
Gegenstand der zweiten Session war die Schlüsselrolle, die das Berufsbildungspersonal in Schule und Betrieb in einem qualitativ hochwertigen Berufsbildungssystem einnimmt. Lettland setzt bei seinen Lehrerinnen und Lehrern ebenso wie Portugal auf ausgebildete Pädagoginnen und Pädagogen. Daneben werden Fort- und Weiterbildungen angeboten, die beispielsweise im Falle Portugals für den Karriereaufstieg wichtig sind.
Noch bedeutender allerdings ist der Ausbau der pädagogischen Kompetenzen des Ausbildungspersonals in den Betrieben, was in beiden Ländern über Fortbildungen gewährleistet wird. Portugal hat dazu im Rahmen der deutsch-portugiesischen Zusammenarbeit eine 35-stündige Fortbildungsmaßnahme entwickelt, die möglicherweise bald in den nationalen Qualifikationskatalog aufgenommen wird. Lettland hat erkannt, dass grenzüberschreitender Erfahrungsaustausch, vor allem mit Betrieben, wichtig ist, um das Verständnis der Lehrerinnen und Lehrer von technologischen Prozessen zu fördern.
Dieses Thema war Schwerpunkt der dritten Session, in der die wichtigsten Mechanismen der Zusammenarbeit zwischen Schule und Betrieb in Griechenland, Italien und Deutschland diskutiert wurden. Ein bedachtsames Vorgehen bei jeglichen Reformen sei immer notwendig, so die Teilnehmenden der Diskussion, da viele Akteure eingebunden werden müssten und ein gesellschaftlicher Mentalitätswandel nur langsam vonstattengehe.
Den Abschluss des ersten Tages bildete eine Paneldiskussion mit dem Personalleiter der MANZ AG/Nové Mesto nad Váhom aus dem slowakischen Pilotprojekt zur "Verbundausbildung", Ladislav Chudý, der Projektleiterin "Verbundberatung Berlin", Kerstin Josupeit und dem Prokuristen des Berliner Verbundunternehmens "Malzfabrik", Carsten Bredow.
Es wurde deutlich, wie anhand spezieller Unterstützungsmechanismen für kleine und mittelständische Betriebe Hürden der Curriculum-Anpassung, Akkreditierung, Partnersuche und Ausbildungsabstimmung überwunden werden können. Darüber hinaus skizzierten die Diskussionsteilnehmenden Beispiele guter Praxis für die Ausbildung des eigenen Nachwuchses. Klar wurde, dass es ohne anfängliche Investitionen und staatliche Steuervorteile kaum möglich ist, kleine und mittelständische Unternehmen für betriebliche Ausbildung zu gewinnen. Hilfreich sei zudem eine starke unabhängige Stelle, wie eine Kammer, die Unternehmen bei der Organisation unterstütz, so die einhellige Auffassung.
Der letzte Tag stand ganz im Zeichen der Neuausrichtung dieses Forums. In vertrauensvoller Atmosphäre wurden unter dem Stichwort "Lessons Learnt" die Kooperationsmechanismen der vergangenen Jahre beleuchtet. Die Diskussionen aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer ergaben diesbezüglich ein sehr positives Feedback, insbesondere was die genutzten Instrumente angeht. Außerdem wurde diskutiert, dass und wie dieses Forum als multilaterale Peer Learning Plattform für duale Ausbildung wichtige praktische Signale auch an die EU-Kommission geben könne. So waren sich alle einig, das Format weiterzuführen und sich Ende dieses Jahres nochmals zu treffen. Es ist beabsichtigt, ein mindestens jährliches Treffen in den verschiedenen Ländern zu realisieren.
Der Mechanismus des "Heißen Stuhls" - "HOT CHAIR"
Moderation und Diskussionsteilnehmende wechseln nach jeder Session. In einer Dreier-Konstellation auf einem Podium wird, wie bei einer Talkshow, eine Diskussion zu einem bestimmten Thema zwischen Moderator oder Moderatorin und Diskussionsteilnehmenden angeregt. Am Ende der Fragerunde hat das Publikum Gelegenheit, ebenfalls Fragen an die Personen auf dem Panel zu stellen. Bei der Peer Learning Veranstaltung waren alle Ländervertretungen aktiv in unterschiedlichen Rollen an der Diskussion beteiligt. Sie begrüßten den Mechanismus, weil dies den Dialog auf Augenhöhe kollegial beförderte und zu weiterem angeregtem Fachaustausch führte.