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Attraktivität der dualen Berufsbildung in Deutschland und in der Schweiz

Internationalisierung Deutschlands, Bi-/Multilaterales

Die „Attraktivität der dualen Berufsbildung“ ist in beiden Ländern in der Diskussion und war daher das aktuelle Thema eines EHB/BIBB-Expertenworkshops am 23. und 24. November 2017 in Zollikofen (Schweiz) unter Leitung der Präsidenten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des Eidgenössischen Hochschulinstituts für Berufsbildung (EHB), Prof. Dr. Friedrich Hubert Esser und Dr. Philippe Gnaegi, sowie der Direktorin des EHB, Prof. Dr. Cornelia Oertle. Mit Expertinnen und Experten aus beiden Instituten fand ein intensiver Meinungs- und Informationsaustausch statt.

Die deutsche und schweizerische Berufsbildung verfügen beide über ein starkes duales Ausbildungssystem mit sozialpartnerschaftlicher Organisation. Auch die föderale Struktur, die eine Kooperation zwischen dem Bund und den Kantonen beziehungsweise Bundesländern notwendig macht, ist beiden Systemen gemeinsam. Die beiden Partnerinstitute, das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und das Eidgenössische Hochschulinstituts für Berufsbildung (EHB), stehen daher in engem Kontakt und Austausch zu aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen für die Berufsbildung der beiden Länder.

Attraktivität der beruflichen Bildung als thematische Klammer

Die Frage nach der Attraktivität der beruflichen Bildung bildete die thematische Klammer – vor dem Hintergrund steigender Studierendenzahlen, des Digitalisierungstrends sowie der Herausforderungen durch Migration und Integration von Geflüchteten. Auch das Thema Validierung non-formalen Lernens wurde aufgegriffen.

Der Wettbewerb zwischen akademischer und beruflicher Bildung ist angesichts kontinuierlich steigender Zahlen von Hochschulzugangsberechtigten stärker geworden. Mitentscheidend für die künftige Entwicklung werden die Chancen für beruflich Qualifizierte auf berufliche Karrieren und attraktive Jobs sein“, betonte BIBB-Präsident Esser in seinem Eingangsstatement.

Digitalisierung

Beim Themenkomplex „Digitalisierung“ wurden gemeinsame Ansätze festgestellt. Die Experten und Expertinnen beider Institute erwarten, dass sich die Rolle und Funktion der Ausbilderinnen und Ausbilder ändern wird, ebenso Didaktik und Lehr- und Lernmethoden. In beiden Ländern werden die Ausbildungsordnungen systematisch hinsichtlich der Notwendigkeit von inhaltlichen Veränderungen überprüft.

Eine zukunftsoffene Formulierung von Berufsbildern ist wichtig“, so BIBB-Präsident Esser. „Die „Wirtschaft 4.0“ beschleunigt Jobwechsel und Strukturwandel hin zu mehr Dienstleistungen. Durch die Ordnungsarbeit müssen notwendig werdende Veränderungen bei den Ausbildungsinhalten wie auch bei den Zuschnitten bestimmter Berufe vorgenommen werden. Grundlegende IT-Kompetenzen werden für alle Berufe bedeutsamer, digitale Lernformen werden die Ausbildungen in Betrieb und Schule bereichern.

Eine Erfahrung auf schweizerischer Seite ist, dass die Treiber der Digitalisierung die Betriebe sind. Die beruflichen Schulen stehen vor großen Herausforderungen. Auf sie, aber auch die allgemeinbildenden Schulen, komme die Aufgabe zu, digitale Grundkompetenzen zu vermitteln.

Aus Sicht von BIBB-Präsident Esser ist „...Digitalisierung DIE Chance, die Berufsbildung wieder attraktiver zu machen mit smart companies und smart schools, d. h. starken Lernumgebungen mit kompetenten Ausbilderinnen und Ausbildern, Berufsschullehrerinnen und -lehrern sowie modern ausgestatteten überbetrieblichen Ausbildungszentren, die kleine und mittlere Unternehmen unterstützen und Innovationen und Qualität in der Ausbildung befördern. Dazu brauchen wir vor allem Führungskräfte, die die Chancen einer „Berufsbildung 4.0“ in Aus- und Fortbildung erkannt haben und fördern. Gemeinsam mit dem EHB wollen wir an der Weiterentwicklung der beruflichen Bildung und damit auch an seiner hohen internationalen Wertschätzung arbeiten.

Migration

Die Integration von Migrantinnen und Migranten sowie von Geflüchteten ist in beiden Staaten eine gesellschaftliche Herausforderung, in der die berufliche Bildung eine besondere Rolle spielt. An erster Stelle steht dabei der Spracherwerb. Dabei wird das praxisbezogene Lernen der Landessprache als erfolgversprechender eingeschätzt als das Vermitteln der Sprachkenntnisse in allgemeinen Sprachkursen. In Modellversuchen wird dieser Ansatz in der Schweiz erprobt. Die zusätzliche Belastung der Betriebe durch Integrationsleistungen sollen unterstützt werden. Trotz vielfältiger Programme und Initiativen steigt die Erwerbstätigenquote jedoch nur langsam. Von deutscher Seite wurden die Erfahrungen mit dem Anerkennungsgesetz, der Programmstelle Berufsorientierung sowie der Fachstelle „überaus“ berichtet.

Tertiäre Berufsbildung

Insbesondere im tertiären Bildungsbereich geht die Schweiz einen anderen bildungspolitischen Weg als Deutschland. Bereits mit dem Berufsbildungsgesetz von 2004 erfolgte in der Schweiz eine gesetzliche Einordnung der beruflichen Fortbildung als tertiäre Bildung und die formale Einführung des sogenannten „Tertiär B“-Bereichs. Dadurch sollte die Gleichwertigkeit zur akademischen Bildung („Tertiär A“) deutlich gemacht werden. Für die internationale Anschlussfähigkeit und Verständlichkeit, gerade für die zahlreichen internationalen Unternehmen, die in der Schweiz ansässig sind und keine traditionellen Bindungen zur beruflichen Bildung haben, wurden im vergangenen Jahr 2016 die englischen Titelbezeichnungen der Fortbildungsabschlüsse eingeführt.

Es wird eine klare Trennung von beruflicher Tertiärbildung und Hochschulbildung favorisiert, im Gegensatz zu der Entwicklung in Deutschland, die auf Mischung setzt – mit ausbildungs- und praxisintegrierten Studiengängen sowie den ersten Modellversuchen mit studienintegrierter Ausbildung. Eine Annäherung der verschiedenen Elemente des tertiären Bildungssystems wird als eine Gefahr für die Leistungsfähigkeit des tertiären Bildungssystems gesehen. Stattdessen wird auf eine Stärkung der Profile der tertiären Bildungstypen durch Aufwertung der wesentlichen Unterscheidungsmerkmale gesetzt (Schweizerischer Wissenschafts- und Innovationsrat (SWIR) 2014: Die Tertiärstufe des Schweizer Bildungssystems).

Validierung von non-formalem Lernen

Im Rahmen der Verfahren zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Kompetenzen haben sich in Deutschland Anerkennungszertifikate entwickelt. Sie sind keine formalen beruflichen Qualifikationen. Allerdings sind dadurch Impulse für die Frage nach der Anerkennung bzw. Validierung von non-formalem oder informellem Lernen entstanden. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in der Schweiz bereits ein entsprechendes System im Sekundarbereich, mit dem Bildungsleistungen validiert werden können. In einem fünf-stufigen Verfahren können formale berufliche Zertifikate erworben werden.

Fazit und Ausblick

Beide Institute wollen diese Form bilateraler Treffen weiter fortführen. „Die langjährige Kooperation mit unserem Partnerinstitut EHB und die gegenseitige Mitgliedschaft in wissenschaftlichen Beiräten beider Institute stärken und befruchten auf sehr erfreuliche Weise die berufliche Bildung in unseren beiden Ländern. Von daher unterstütze ich auch in Zukunft unsere enge Zusammenarbeit, die vor allem mit dem intensiven Austausch der international tätigen Kollegen in BIBB und EHB besonders ausgeprägt ist. Und dieses Treffen hat dafür sensibilisiert, wie viele gemeinsame Fragen bestehen. Aber gerade hinsichtlich der Wertigkeit beruflicher Bildung können wir von der Schweiz lernen“, resümiert BIBB-Präsident Esser.

Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) Redaktion: von Andreas Ratajczak, VDI Technologiezentrum GmbH Länder / Organisationen: Schweiz Themen: Berufs- und Weiterbildung Strategie und Rahmenbedingungen

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