Die Arbeiten des International genomics of Alzheimer project (I-GAP) wurden von der vereinigten Forschungseinheit des Inserm-Institut Pasteur de Lille und der Universität Lille (Nordfrankreich) unter Leitung von Philippe Amouyel, dem Leiter der Einheit 744 Inserm-Lille2-IPL “Gesundheitswesen und molekular Epidemiologie der alternsgebundenen Krankheiten” , koordiniert. Die Ergebnisse sind am 27. Oktober in der Fachzeitschrift Nature Genetics erschienen; sie wurden Dank einer einzigartigen, weltweiten Zusammenarbeit der besten Forscher dieses Bereichs erzielt.
Seit 2009 sind zehn Gene der Alzheimer-Krankheit entdeckt worden, die es erlauben, diese furchtbare Krankheit besser zu verstehen. Ein großer Teil der individuellen Anfälligkeit für die Entwicklung dieser Krankheit bleibt jedoch noch unbekannt. Die Charakterisierung dieser individuellen, auf unserem Genom beruhenden Anfälligkeit erforderte die Möglichkeit, die Desoxyribonukleinsäure (DNS; englisch DNA für deoxyribonucleic acid) von Kranken mit derjenigen von nicht kranken Personen zu vergleichen, um einige hundert Variationen unserer Gene innerhalb der Gesamtheit von 3,5 Milliarden Genen zu finden. Solch ein Vorgehen macht die Analyse von tausenden von Individuen notwendig, was nicht durch eine Gruppe oder innerhalb eines Landes geschehen kann. Deshalb haben in 2010 die Verantwortlichen der vier größten internationalen Forscherkonsortien im Bereich der Genetik der Alzheimer-Krankheit beschlossen, ihre Kräfte zu bündeln, um die Entdeckung weiterer Gene zu beschleunigen.
In weniger als drei Jahren ist es den Forschern im Rahmen des I-GAP Projektes gelungen, mehr Gene zu entdecken, als in den letzten 20 Jahren. Sie haben ihre Studie in zwei Etappen gegliedert: die erste Etappe bestand darin, nach gemeinsamen Kriterien die Gesamtheit der ihnen bereits vorliegenden Daten neu zu analysieren. Nämlich 17.000 Fälle von Alzheimer-Erkrankungen, die in Europa und Nordamerika gesammelt und mit 37.000 nicht kranken Kontrollpersonen verglichen worden waren. Dank der Fortschritte bei der Sequenzierung des menschlichen Genoms konnten die Forscher mehr als sieben Millionen unterschiedliche Mutationen dieser Fälle in Bezug auf die Kontrollpersonen vergleichen und die reduzierte Menge von 11.632 aus dieser ersten Etappe übernehmen.
In einer zweiten Etappe haben die Forscher diese Ergebnisse an Hand von unabhängigen Proben aus 11 verschiedenen Ländern mit insgesamt 8.572 Patienten und 11.312 Kontrollpersonen verifiziert. Dies hat die Bestätigung der Entdeckung von 11 neuen Genen erlaubt und 13 weitere aufzufinden ermöglicht, die gegenwärtig validiert werden. Diese 11 neuen, bestätigten Gene erlauben es, neue Wege des Verstehens des Auftretens der Alzheimer-Krankheit zu beschreiten. So wurde eine der bedeutendsten Assoziationen in der Region HLA-DRB5/DRB1 des wichtigen Histokompatibilitätskomplexes gefunden.
Diese Entdeckung ist aus mehr als einem Grunde wichtig. Zunächst bestätigt sie die Verstrickung des Immunsystems in diese Krankheit. Darüber hinaus ist diese Region auch bekannt für ihre Beteiligung an zwei anderen neurodegenerativen Erkrankungen, der multiplen Sklerose und der Parkinson-Krankheit. Eine andere Verbindung konnte mit der Region SLC24A4 hergestellt werden, welche ein Eiweiß codiert, das an der Entwicklung der Iris beteiligt ist, an der Veränderung der Haar- und Hautfarbe und das mit dem Risiko des Bluthochdrucks assoziiert ist.
Bestimmte dieser neuen Gene bestätigen Hypothesen, die zur Alzheimer-Krankheit bereits bekannt sind, insbesondere die Rolle der Eiweißablagerungen (SORL1, CASS4) und des Proteins Tau (ASS4, FERMT2). Die Rolle der Immunreaktion und der Entzündung (HLA-DRB5/DRB1, INPP5D, MEF2C), die bereits in vorangegangenen Arbeiten der INSERM-Einheit 744 enthalten waren (CR1, TREM2), werden ebenso bekräftigt wie die Rolle der Zellmigration (PTK2B), des Lipidtransportes und der Endocytose (SORL1). Darüber hinaus sind neue Hypothesen entstanden.
Diese Entdeckung hat aus Sicht der Forscher drei Hauptkonsequenzen: Zunächst erlaubt diese Beobachtung, die Physiopathologie der Alzheimer-Krankheit besser zu verstehen, ein wichtiger Schritt für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden. Außerdem hat diese Genomanalyse dazu geführt, das genetische Profil von Patienten enger eingrenzen zu können, die das Risiko einer Entwicklung der Alzheimer-Krankheit in sich tragen. Schließlich zeigt diese Arbeit, dass angesichts der Komplexität einer solchen Krankheit nur ein weltweiter Zusammenschluss der Forschungsanstrengungen erlauben wird, schneller Lösungen für diese Plage des 21. Jahrhunderts zu finden.