In den kommenden zweieinhalb Jahren werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Kunstgeschichte der TU Berlin und des Pitt Rivers Museum der University of Oxford im Rahmen des deutsch-britischen Forschungsprojekts „The Restitution of Knowledge“ die Wege genauer erforschen, die Kunst- und Kulturschätze der Welt in die großen europäischen Museen genommen haben. Konkret geht es um die Wiederherstellung des Wissens über Plünderungen, über gestohlene Artefakte aus der Kolonialzeit, über Kriegsbeute und Verlagerungen von Kulturgut, insbesondere aus dem afrikanischen Kontinent. Die Forschenden nehmen dabei gezielt die Zeit zwischen 1850 bis 1939 in den Blick.
Gefördert wird das Projekt mit 700.000 Euro in einem neuartigen transnationalen Programm zur Forschungsfinanzierung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem britischen Arts and Humanities Research Council (AHRC). Das binationale Team erhielt ebenfalls eine Anschubfinanzierung durch die Berlin University Alliance.
Prof. Dr. Bénédicte Savoy, die das Fachgebiet Kunstgeschichte der Moderne an der TU Berlin leitet erklärt:
„Viele unerzählte Geschichten stehen hinter den Gegenständen aus den ethnologischen Sammlungen, vor denen wir staunend in den Museen stehen – oft Geschichten von Plünderungen, von brutalen Überfällen, blutigen Auseinandersetzungen, von Sklaverei und Diebstahl – und die wollen wir sichtbar machen. Wir wollen damit dazu beitragen, die Lagerräume der europäischen anthropologischen Museen und die dazugehörigen Archivalien neu als einzigartiges Ensemble zu interpretieren, in dem diese Geschichten erzählt werden und dokumentiert sind.“
Auf britischer Seite leitet Prof. Dr. Dan Hicks, Archäologe an der Oxford University und Kurator am dortigen Pitt Rivers Museum, das Team. Er ergänzt weitere Ziele des neuen Projekts:
„Es geht darum, innovative vergleichende Ressourcen zu entwickeln, auch in den Sozialen Medien, die koloniale Plünderungen dokumentieren sowie deren Identifizierung und Erforschung ermöglichen. Diese sollen dann einem neuen Dialog mit der Zivilgesellschaft als Quelle dienen. Sie sollen nicht nur bei uns in Europa einen zeitgemäßeren Umgang mit Sammlungen und Ausstellungen ermöglichen, sondern auch im globalen Süden.“
Bénédicte Savoy und Dan Hicks haben insbesondere in Deutschland, Frankreich und Großbritannien die Debatten um die Vernachlässigung der Provenienzforschung in den vergangenen Jahren stark vorangetrieben. Mit ihren Veröffentlichungen haben sie nicht nur darauf hingewiesen, dass das Potenzial europäischer anthropologischer Museen als Quellen der Kolonialgeschichte noch zu wenig erforscht ist, sie haben vor allem in der Museumslandschaft Diskussionen angeregt und den dringenden Wunsch geäußert, dass die Geschichte der Aneignung der Artefakte nicht verschwiegen werden darf. Bénédicte Savoy freut sich sehr auf die bereits bekundete Bereitschaft vieler Museen in Deutschland und Europa, sich am Berlin-Oxford-Projekt zu beteiligen.
Zum Nachlesen
- TU Berlin (07.10.20): Das Wissen um Raub und Beutekunst wiederherstellen