Israel im Februar 2013: Ausgerüstet mit Hämmern, Hacken, Lupen, Maßbändern und Vermessungsgeräten bewegt sich eine Gruppe von acht Frauen und Männern nahe Jerusalem durchs Gelände und nimmt Bodenproben. Auf den ersten Blick wirken sie wie eine typische Exkursion von Geologen oder Bodenkundlern. Und doch ist die Zusammensetzung der Gruppe äußerst ungewöhnlich. Denn vier der Männer sind Wissenschaftler aus Palästina. Sie kommen von der AlQuds-Universität, der einzigen Universität der palästinensischen Autonomiegebiete. Dass diese Forscher eine Arbeitsgenehmigung für das israelische Kernland erhalten haben, ist eine absolute Ausnahme, die nur dank des deutsch-israelisch-palästinensischen Forschungsprojekts TRION möglich wurde. Seit 2010 arbeiten darin Forscher der Hebrew University of Jerusalem, des Geological Survey of Israel, der AlQuds-Universität sowie der Universität Graz, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel an komplexen biogeochemischen Fragestellungen zum regionalen Spurenstoffkreislauf rund um das Rote Meer.
Die gemeinsame Suche nach Fakten und der wissenschaftliche Diskurs darüber machen Menschen miteinander vertraut, die sonst durch politische und ideologische Grenzen voneinander getrennt wären. „Dies ist eine kleine, aber nicht zu übersehende vertrauensbildende Maßnahme, die die Wissenschaft für den Friedensprozeß im Nahen Osten leisten kann“, sagt Projektkoordinator Professor Anton Eisenhauer vom GEOMAR.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat jetzt für eine zweite Projektphase bis 2015 eine Million Euro bewilligt, um diesen erfolgreich angelaufenen Prozess weiter zu fördern. „Wir freuen uns sehr über die Bewilligung“, sagt Professor Eisenhauer, „denn so können wir die guten Ansätze aus der ersten Projektphase weiter verfolgen und ausbauen. Das gilt sowohl für die wissenschaftlichen Ergebnisse als auch für die ersten Schritte einer Kooperation zwischen israelischen und palästinensischen Forschern aus den Autonomiegebieten.“
Wissenschaftliches Ziel des Projekts ist es, den Weg von Spurenmetallen von der chemischen Verwitterung der Gesteine an Land bis zu ihrem Einbau in die Kalkskelette von Korallen im Roten Meer zu verfolgen. „Korallen benötigen Spurenmetalle zum Aufbau des filigranen Korallenskelettes. Um die Metalle, oder zunächst Metallionen, in den richtigen Mengen und zum richtigen Zeitpunkt aufzunehmen, haben die Korallen eine komplexe Physiologie entwickelt. Wenn wir die Isotopensignale entschlüsseln, können wir verstehen, wie Korallen zum Beispiel mit der Ozeanversauerung umgehen“, erklärt Professor Eisenhauer. Um dieses Ziel zu erreichen, untersuchen die beteiligten Wissenschaftler einerseits den Verwitterungsprozess der Gesteine an Land, andererseits analysieren sie mit modernsten Methoden Proben von Korallen aus dem Roten Meer.
Dabei konnten die Kieler Spezialisten für Isotopen-Analytik zusammen mit den israelischen und palästinensischen Kollegen bereits ein ganz neues Verfahren zur Isotopenmessung entwickeln, das im Rahmen von TRION erstmals an Korallen des Roten Meeres angewendet wurde. „Es ermöglicht sogar die Metallflüsse über die Zellstruktur hinweg bis zum Ort der Kalzifikation auf zellularem Level zu verfolgen“, betont Eisenhauer. Gleichzeitig konnte die Abteilung für Erd- und Umweltstudien der AlQuds Universität mit einem modernen, aus Geldern des TRION-Projekts finanzierten Massenspektrometer ausgestattet werden. „Auf diese Weise haben jetzt alle drei Arbeitsgruppen in Kiel, in Jerusalem und in den Palästinensischen Autonomiegebieten den gleichen technischen Standard, so dass alle auf gleicher Augenhöhe am gemeinsame Projekt arbeiten können“, sagt Professor Eisenhauer. Einige palästinensische Studenten wurde sogar an der Hebrew University of Jerusalem in der Anwendung des Massenspektrometers geschult. „Auch das war ein absolutes Novum und nur mit einer Sondergenehmigung möglich“, berichtet der Kieler Geochemiker.
Nach der Finanzierungs-Bewilligung für die zweite Phase können weitere geplante Aktivitäten jetzt in die Tat umgesetzt werden. „Wissenschaftlich gibt es noch viele Fragen zu klären. In den kommenden Jahren wollen wir vor allem gemeinsame Laborstudien und Feldkampagnen durchführen und die gewonnen Daten vergleichen, so dass wir den Transport der Spurenmetalle und den Kalzifikationsprozess der Korallen noch besser verstehen lernen“, sagt Eisenhauer, „gleichzeitig bleibt der fachliche und persönliche Austausch zwischen deutschen, israelischen und palästinensischen Wissenschaftler, Doktoranden und Studenten natürlich ein wichtiger Bestandteil des Projekts“.