Das dreitägige Treffen war die erste Zusammenkunft der größten Forschungsförderorganisation und zentralen Selbstverwaltungseinrichtung für die Wissenschaft in Deutschland seit 2019, die in Präsenz stattfand, nachdem die DFG-Jahresversammlungen 2020 und 2021 infolge der Coronavirus-Pandemie in virtuellem Format durchgeführt worden waren. Im Rahmen der Gremiensitzungen und auch in der erstmals seit 2019 wieder stattfindenden öffentlichen Festveranstaltung standen angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage internationale Wissenschaftskooperationen im Fokus.
DFG-Präsidentin Professorin Dr. Katja Becker unterstrich dabei in ihren Berichten in Senat, Hauptausschuss und Mitgliederversammlung sowie in ihrer Rede auf der Festveranstaltung zum Thema „Wissenschaft und Krieg“ erneut die Wichtigkeit und Notwendigkeit einer entschlossenen Reaktion der DFG wie der gesamten Wissenschaft und Gesellschaft in Deutschland auf den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dieser verletze alle elementaren Werte nicht nur der Zivilisation und Europas, sondern auch der Wissenschaft und ihres Selbstverständnisses als Brückenbauerin. Vor diesem Hintergrund hatte die DFG bereits Anfang März auf institutioneller Ebene alle von ihr gemeinsam mit ihren russischen Partnerorganisationen geförderten Forschungsprojekte eingefroren.
Wie Becker berichtete, sollen die zugleich in Gang gesetzten Unterstützungsmaßnahmen für ukrainische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weiter ausgebaut werden. Zusätzlich zu den Hilfsangeboten für die wegen des Krieges aus der Ukraine Geflohenen werde aktuell über Förderangebote für Forscherinnen und Forscher nachgedacht, die trotz des Krieges ihr Land nicht verlassen könnten oder wollten. Sie könnten beispielsweise vorübergehend in bestehende oder auch neue deutsch-ukrainische Forschungskooperationen integriert werden und so neben materieller Sicherheit Anschluss an die internationale Wissenschaftsgemeinschaft erhalten. Aus Sicht der DFG sind solche und ähnliche Maßnahmen auch perspektivisch wichtig. In diesem Zusammenhang betonte Becker:
„Die Ukraine als Wissenschaftsstandort zu stärken und mittelfristig zu erhalten, ist eine zivilgesellschaftliche Verantwortung, der sich die DFG gerne stellt.“
Ausführlich ging Becker auch auf die Herausforderungen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit China ein, die aktuell Gegenstand umfangreicher Medienrecherchen und -berichterstattung ist („China Science Investigation“). Die dadurch ausgelöste Diskussion über die geltenden Vorgaben und Regeln etwa hinsichtlich von Dual-Use-Projekten oder der guten wissenschaftlichen Praxis werde von der DFG ausdrücklich begrüßt und auch selbst vorangetrieben. hob Becker hervor:
„Wir sehen aktuell jedoch keinen Anlass, die Kooperationsaktivitäten mit China grundsätzlich einzuschränken oder gar einzustellen.“
Die DFG wie auch die anderen Mitglieder der Allianz der Wissenschaftsorganisationen in Deutschland sowie die Hochschulen und die Forschenden selbst müssten in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit China jedoch noch besser mit dem Widerspruch zwischen dem Interesse an Kooperation und dem Streben nach akademischer Exzellenz einerseits und der politischen Kontrolle und den nationalen Interessen Chinas andererseits umgehen. Die DFG-Präsidentin führte hierzu aus:
„China ist in manchen Bereichen bereits technologisch führend und gerade für die Bewältigung globaler Herausforderungen wie Klima- und Gesundheitsfragen ein zentraler Partner. Gleichzeitig muss in der deutschen Wissenschaft das Bewusstsein verstärkt verankert werden, dass China auch als Wettbewerber und strategischer Rivale zu sehen ist.“
Vor diesem Hintergrund baue die DFG die Kooperationen mit weiteren asiatischen Partnern wie Thailand, Südkorea und Taiwan aus und vertiefe die Kontakte zu ihren Partnerorganisationen in Japan, Südkorea und Indien.
Trotz der aktuellen außen- und wissenschaftspolitischen Krisensituationen sind aus Sicht der DFG-Präsidentin auch ermutigende Zeichen der Solidarität und brückenbauenden Kraft in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft zu verzeichnen. Als Beispiele nannte sie die überaus vertrauensvolle Zusammenarbeit der DFG mit ihren polnischen Partnerorganisationen sowie das Jahrestreffen des Global Research Council (GRC), des weltweiten Zusammenschlusses der Forschungsförderorganisationen, Ende Mai in Panama, bei dem Becker den Vorsitz hatte.
Die Bedeutung von internationaler Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung wird auch im Positionspapier "Rolle und perspektivische Entwicklung der Deutschen Forschungsgemeinschaft im deutschen Wissenschaftssystem" betont, welches das Präsidium der DFG im Rahmen der Jahresversammlung vorstellte. Die gezielte Unterstützung internationaler Kooperationen ist demnach Teil des förderstrategischen Handelns. Die DFG prüfe ihr Förderportfolio kontinuierlich auf internationale Anschlussfähigkeit, um die weltweit besten Forscherinnen und Forscher zusammenzubringen und die Voraussetzungen für die Bearbeitung grenzüberschreitender Forschungsthemen zu schaffen. Dennoch bedürfe es dazu oft gezielter strategischer Instrumente wie spezifischer Vereinbarungen und Ausschreibungen mit ausländischen Partnerorganisationen. Besondere Aufmerksamkeit misst die DFG dabei in den kommenden Jahren der Unterstützung von Kooperationen mit den USA und Kanada sowie dem Aufbau von Forschungsförderstrukturen im globalen Süden zu. Im Europäischen Forschungsraum will sie bi- und multilaterale Kooperationen neben den Angeboten der EU-Forschungsrahmenprogramme weiter stärken. Zur besseren Unterstützung der Wissenschaft im internationalen Umfeld setzt sich die DFG für die Entwicklung einer ressortübergreifenden Science-Diplomacy-Strategie ein.