Bis zum Jahr 2050 erwartet man eine Weltbevölkerung von über neun Milliarden Menschen, was auch den Bedarf an Lebensmitteln enorm ansteigen lassen wird. Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) entwickeln sich mit hoher Geschwindigkeit und die Nachfrage der dortigen Bevölkerung nach qualitativ hochwertigeren Lebensmitteln, insbesondere nach Fleisch, nimmt zu. Wie kann die europäische Landwirtschaft die Herausforderungen der Zukunft in Sachen Lebensmittel auf eine Weise bewältigen, die der Umwelt nicht schadet? Wie wirkt sich die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) auf die Nachhaltigkeit aus? Und was kann die Forschung zu all diesen Punkten bewirken? Unter dem Titel „Eine nachhaltige Zukunft für die EU-Landwirtschaft?“ (Sustainable future for EU farming?) veranstalteten das Europäische Umweltbüro (European Environmental Bureau, EEB), BirdLife International und der Dänische Umweltrat vor Kurzem in Brüssel eine Konferenz, die sich mit diesen Fragen befasste.
GAP-Reform
In seinem Konferenzbeitrag machte Agrarkommissar Phil Hogan auf die neuen umweltfreundlicheren Elemente der Reform zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aufmerksam, wie zum Beispiel die Ökoförderung (green payment), die jetzt 30 % der Direktzahlungen ausmacht, das einfache und gezielte Cross-Compliance-System und das Programm für eine umweltfreundlichere ländliche Entwicklung. Er ging jedoch auch auf die Kritik an der GAP-Reform von Seiten der Umweltbewegung ein. Jeremy Wates vom EEB etwa warnte davor, dass nationale Ressourcen in großem Maßstab erodiert werden könnten, und Ariel Brunner von BirdLife International beklagte, dass Europa seine Artenvielfalt verliert, und wies auf den dramatischen Verlust der Weideland-Biodiversität hin, wie er im letzten Synthesebericht „Die Umwelt in Europa: Zustand und Ausblick 2015“ der Europäischen Umweltagentur festgestellt wurde. Der Kommissar betonte, dass eine der Prioritäten im Rahmen der GAP die Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft ist, und fügte hinzu, dass wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit für ihn zwei Seiten derselben Medaille sind.
Forschungsinitiativen zu Lebensmitteln und Landwirtschaft
In der Forschungsgemeinschaft finden bereits viele wichtige Aktivitäten statt und Kommissar Hogan stellte fest, dass zwei der großen Aufrufe unter Horizont 2020 für die Jahre 2016 und 2017 in Bezug auf die Mittelmeerregion sich mit den Bereichen Nahrung und Wasser befassen.
Olivier Mora, ein Forscher der Zukunftsstudie Agrimonde, stellte unterdessen die Ergebnisse eines Teams der fanzösischen Forschungsinstitute CIRAD (Centre de coopération internationale en recherche agronomique pour le développement) und INRA (Institut national de la recherche agronomique) in zum Thema nachhaltige Landwirtschaft vor. Das Team richtete über eine Plattform ein Werkzeug zur ständigen Vorausschau ein, wo für die Jahre bis 2050 zwei Szenarien im Zusammenhang mit globalen Lebensmittel- und Landwirtschaftssystemen konstruiert, analysiert und debattiert werden: „Agrimonde 1“ und „Agrimonde GO“.
Agrimonde 1 baut auf den Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung auf. Dieses Szenario umfasst eine ökologische Intensivierung der Produktion und eine Reduzierung der derzeitigen Ungleichheiten hinsichtlich des Konsums: also weniger Unterernährung in einigen Regionen, während in anderen gleichzeitig das Übermaß an Abfall und Nahrungsmittelkonsum verringert wird. Das zweite Szenario, Agrimonde GO, stellt hauptsächlich deutliche Zuwächse des Kalorienertrags pro Hektar Anbaufläche und einen ungeregelten Welthandel nach. Außerdem geht es von der Annahme aus, dass Umweltprobleme nicht antizipiert werden, mit der Gewissheit, dass diese gelöst werden können, wenn sie sich erst verschärfen.
Was sagt die Forschung zu der Frage, ob unser Planet im Jahre 2050 neun Milliarden Menschen ernähren kann? Mora zufolge wird es davon abhängen, was auf unsere Teller kommt, insbesondere der Anteil tierischer Produkte, und wie wir in Zukunft die biologische Vielfalt schützen. Ausgehend von Agrimonde führen Mora und das Team von CIRAD jetzt eine neue Studie durch, die sich mit dem Thema Landnutzungsänderung und Ernährungsunsicherheit befasst – dabei geht es um Fragen zu Auswirkungen des Klimawandels, Ernährungsumstellung und Abfall, Haushaltseinkommen sowie zur Dynamik landwirtschaftlicher Betriebe.
Diese Bereiche bilden auch einen der Schwerpunkte von Horizont 2020, der Lebens- und Futtermittelsicherheit, Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Lebensmittelindustrie sowie Nachhaltigkeit von Produktion, Verarbeitung und Verbrauch von Nahrungsmitteln abdeckt.