In der modernen Informationsgesellschaft nutzen Menschen sowohl dienstlich als auch privat immer mehr persönliche Informationen im Internet. Seit dem Aufkommen von Social Media gibt der einzelne Internetnutzer mehr Informationen denn je über sich preis. Der Wert für ihn ist offenkundig: So kann er Kontakte knüpfen und pflegen, sowie Internetservices und Systeme nach seinen Wünschen persönlich anpassen. Für den Einzelnen ist es aber schwer, kontrolliert mit persönlichen Daten umzugehen und sie - soweit wie nötig - zu schützen.
Seit 2010 forscht eine Gruppe europäischer Forschungseinrichtungen und Unternehmen an einer Technologie, die dem Internetnutzer eine kontrollierte, vertrauensbasierte und vernünftige Weitergabe persönlicher Daten ermöglichen soll. Das Kooperationsprojekt "digital.me" wird aus dem 2007 aufgelegten und bis 2013 laufenden 7. EU-Forschungsrahmenprogramm finanziert (Finanzhilfevereinbarung Nr. 257787). Ziel ist es, ein soziales System zu entwickeln, bei dem die Nutzerkontrolle bereits im Systemdesign verankert ist. Zentrale Komponente der neuen Softwareplattform ist die di.me userware: ein direkt vom Nutzer kontrolliertes Softwaretool, mit dem zum Beispiel Nachrichten geschrieben oder Dateien ausgetauscht werden können.
Kernidee des Forschungsprojekts ist ein voll und ganz auf semantischer Technologie beruhendes System, das intelligente Empfehlungen und Ratschläge geben kann. Auch zur Integration externer Dienste und Informationsquellen wird das semantische Modell verwendet. Z.B. lassen sich so Profile aus anderen Social-Networking-Plattformen synchronisieren und in die semantische Datenbank von di.me übernehmen. So kann der Nutzer Informationen aus verschiedenen Quellen abgleichen und behält die Übersicht über die verschiedenen Datenquellen. Mit drei Grundideen gibt di.me Impulse für die Zukunft im Bereich Social Media Networking und Netzwerkdienste:
Dezentralisierung: Die Plattform di.me ist ein dezentrales Social Network, mit dem der Nutzer seine Personendaten in seinem eigenen System pflegt. Mit anderen Internetnutzern kommuniziert er über Peer-to-Peer-Technologie, also ohne sich auf einen externen Server verlassen zu müssen. Die Plattform lässt sich auf zwei Arten betreiben: als Gruppenserver mit mehreren Nutzerkonten oder als Server für Einzelnutzer, der auf dessen Computer ausgeführt werden kann.
Verwaltung mehrerer Nutzeridentitäten: di.me ist für die Unterstützung mehrerer Identitäten innerhalb eines Systems vorgesehen. Durch Wechseln zwischen unterschiedlichen Profilen kann der Nutzer verschiedene Namen oder Pseudonyme verwenden und so in den verschiedenen Netzwerken unterschiedliche Informationen über sich verbreiten. Mithilfe eines einzigen Systems lassen sich so Rollen für verschiedene Lebensbereiche verwalten. Der semantische Kern der Plattform analysiert die preisgegebene Information und gibt Warnungen heraus – zum Beispiel, wenn dadurch Rückschlusse auf eine Beziehung zwischen zwei Identitäten gezogen werden könnten.
Vertrauensmanagement und Empfehlungen: Der di.me-Nutzer kann festlegen, wie privat welche Daten sind und bestimmen, welcher Kontakt vertrauenswürdig ist. Dies nutzt eine »Trust Engine« in di.me für Hinweise, z.B. wenn der Benutzer kritische Daten an nicht vertrauenswürdige Empfänger senden oder im untypischen sozialen Umfeld weitergeben möchte.
Um Nutzer in die Entwicklung der di.me userware einzubeziehen, hat das Konsortium eine Prototypenversion realisiert, mit der die Machbarkeit dieses Ansatzes gezeigt werden soll. Nutzer können an dem Versuch teilnehmen, Feedback geben und damit zur wissenschaftlichen Evaluation beitragen.
di.me ist open source: Die Projektpartner haben den Quelltext der Entwicklung mittlerweile offengelegt. di.me ist erweiterbar, und die Publikation als open source ermöglicht es Entwicklern, die Plattform für weitere Initiativen zu nutzen. So lassen sich weitere Datenquellen anbinden, mehr Informationen z.B. neuer Geräte, Dienste und Social Services einbeziehen. Die Funktionalität des aktuellen Demonstrators lässt sich ebenfalls erweitern, beispielsweise für spezialisierte soziale Dienste.