Der Protest richtet sich gegen Pläne der EU-Kommission, das europäische Forschungsprogramm „Horizon 2020“ um rund 2,7 Milliarden Euro zu kürzen. Die damit frei werdenden Mittel sind für den neuen „Europäischen Fonds für Strategische Investitionen“ (EFSI) vorgesehen. Mit dem Fonds sollen private Investitionen in der Euro-Zone mobilisiert und so die Wirtschaft angekurbelt werden.
„Es ist absurd, Investoren anlocken zu wollen und gleichzeitig die europäischen Mittel für Forschung und Innovation zu kürzen“, erklärte Prof. Dr. Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), heute in Berlin. So habe etwa eine Umfrage von “Ernst & Young“ unter weltweit gut 800 Vorstandsvorsitzenden von Großunternehmen gezeigt, dass gerade die starke Forschungs- und Innovationslandschaft der Hauptanreiz für Investitionen in Europa sei. „Europa kann nur wirtschaftlich erfolgreich bleiben, wenn durch exzellente Forschung neue Erkenntnisse gewonnen werden“, so der HRK-Präsident weiter, „sonst wird die Zulieferkette für Innovationen unterbrochen.“
Hippler kritisierte, dass die Kürzung der Forschungsmittel keiner politischen Logik oder wirtschaftlichen Vernunft folge, sondern dem Prinzip des einfachsten Zugriffs. „Hier wird mit den Geldern der Steuerzahler nicht verantwortungsvoll umgegangen, sondern der am leichtesten zugängliche Topf des EU-Haushalts geplündert“, unterstrich Hippler.
In „Horizon 2020“ gibt es bereits einen Fonds, der die gleiche Zielsetzung wie EFSI verfolgt: durch Garantien aus öffentlichen EU-Geldern privates Kapital zur Förderung von Projekten im Bereich Forschung und Innovation zu gewinnen. „Was hätte da näher gelegen, als diese Gelder – die übrigens genau 2,7 Milliarden Euro betragen – und die erfolgreich erprobten Instrumente in den neuen Fonds zu übertragen?“, so Hippler. „Genau das sieht der Kommissionsvorschlag jedoch nicht vor. Als einziger Posten in `Horizon 2020´ bleibt der Fonds für Investoren unangetastet, während die Mittel für die Grundlagenforschung ohne Ausnahmen reduziert werden.“
Die Rektorenkonferenzen kritisieren zudem die geplante Umsetzung des EFSI. „In allen Ankündigungen hieß es, dass durch den Fonds insbesondere Projekte für Bildung, Forschung und Innovation finanziert werden sollen“, erklärte HRK-Präsident Hippler. „Davon ist jetzt nichts in den Durchführungsbestimmungen zu finden: Es gibt keine Mindestquote für Projekte aus diesen Bereichen, keine bindenden Auswahlkriterien und keine Expertise in den Auswahlgremien. Die deutschen Hochschulen wären nach derzeitiger Rechtslage nicht einmal berechtigt, Projektanträge zu stellen.
Im Vergleich zu Asien gebe Europa schon heute nur halb so viel für Forschung und Entwicklung aus. Mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Forschungsstandorts Europa seien die Kürzungspläne von 2,7 Milliarden Euro daher ein fatales Signal. „Spitzenforscher sind heute mobil und wägen ab, wo sie weltweit die besten Rahmenbedingungen vorfinden“, warnte Hippler.
Gemeinsam fordern die europäischen Hochschulvertretungen daher jetzt, die Kürzungen für „Horizon 2020“ rückgängig zu machen. In jedem Fall müsste insbesondere die Exzellenzforschung, die nicht durch die EFSI-Mittel profitieren wird, unangetastet bleiben.
Hintergrund:
- EU-Kommission: Leichter Zugriff auf Mittel für Forschungsförderung
Durch die komplizierten EU-Haushaltsverfahren und den sogenannten Mittelfristigen Finanzrahmen ist es der EU-Kommission für ganze sieben Jahre nicht möglich, Haushaltsmittel ohne langwierige Neuverhandlungen umzuschichten. Auf die Forschungsmittel hat die EU-Kommission jedoch relativ einfach Zugriff, da sie in derselben Haushaltsrubrik veranlagt sind wie der neue Wachstumsfonds. - Investitionen in Forschung: Europa fällt hinter Asien zurück
Asien steigert seine Investitionen in Forschung und Innovation nach aktuellen Schätzungen rasant – von 561 Milliarden US-Dollar (USD) in 2012 auf 632 Milliarden USD in 2014. Dagegen stagnieren die Ausgaben in Europa bei rund 350 Milliarden USD. (Quelle: Strategie der Bundesregierung zum Europäischen Forschungsraum (EFR), Seite 3)