Tiergifte sind in allen größeren Tiergruppen und Lebensräumen mehr als 100 Mal unabhängig voneinander entstanden. Die zum Teil sehr komplexen Gifte bestehen insbesondere aus kurzen Peptiden und Proteinen, die über mehr oder weniger ausgeklügelte Giftapparate in andere Organismen injiziert werden. In Hunderten Millionen Jahren wurde die Wirkung der Toxine im Giftcocktail zur Verteidigung oder Beutejagd angepasst. Viele agieren neurotoxisch oder als Zellgifte. Die spezifischen Aktivitäten der Toxine bergen ein enormes Potential für die angewandte Forschung. Wie die verschiedenen Giftkompositionen und Toxine entstehen, ist noch weitgehend unklar. Nur wenige klassische Gifttiere wurden bislang eingehend von der Wissenschaft untersucht (z. B. Schlangen, Skorpione, Spinnen), während insbesondere viele wirbellose Arten noch unbekannt sind.
Ein neues europäisches Forschungsnetzwerk will diese Lücke schließen. Im COST Action European Venom Network haben sich die europäischen Tiergiftforscherinnen und -forscher zusammengeschlossen, um Protokolle und Methoden zu entwickeln, technologische Verfahren und Tiermodelle zu etablieren und bisher unbekannte giftige Tierarten und die Wirkweise ihrer Gifte zu erforschen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit Unternehmen, denn die Anwendung der neuen Erkenntnisse unter anderem für biomedizinische, diagnostische und agrochemische Zwecke ist ein wichtiges Ziel. Um die Biodiversität und Evolution von giftigen Tieren besser zu verstehen, werden nzudem Naturhistorische Museen sowie Vereine und Gesellschaften eingebunden.
Einer der Vertreter für Deutschland in der EUVEN COST Action ist Dr. Björn M. von Reumont, der am Institut für Insektenbiotechnologie der Justus-Liebig-Universität Gießen als Wissenschaftler die Gruppe Tiergifte im LOEWE-Zentrum Translationale Biodiversitätsgenomik koordiniert und das Anwendungspotential von interessanten Toxinkandidaten untersucht.
COST (European Cooperation in Science and Technology) ist eine wissenschaftliche Plattform, um die Vernetzung von wissenschaftlicher und technologischer Expertise in Europa zu stärken. Ein besonderer Fokus in COST Actions (den einzelnen Forschungsprojekten) liegt auch in der Integration von Wissenschaft und Industrie.