StartseiteAktuellesNachrichtenFrankreich: Bedeutung des Französischen als Wissenschaftssprache am Beispiel von Doktorarbeiten

Frankreich: Bedeutung des Französischen als Wissenschaftssprache am Beispiel von Doktorarbeiten

Berichterstattung weltweit

Dank Open Access gewinnen französischsprachige Doktorarbeiten an Sichtbarkeit. Gleichzeitig ist die Zahl der auf Englisch verfassten Promotionen in den letzten 15 Jahren auf ein Drittel angestiegen.

Durch das „Loi Toubon“, ein Gesetz von 1994, ist Französisch in Frankreich bis auf wenige zulässige Ausnahmen die einzig zulässige Unterrichtssprache. Mit dem Hochschul- und Forschungsgesetz von 2013 (Loi sur l’enseignement supérieur et la recherche, Loi ESR) wurden die Möglichkeiten für fremdsprachigen Unterricht jedoch deutlich erweitert. Viele Verteidiger der französischen Sprache befürchteten dadurch einen Sichtbarkeitsverlust der französischen Forschung in einer hauptsächlich anglophon geprägten Globalisierung.

Die Leiterin der Graduiertenschule des Hochschulverbunds Universität Paris-Saclay, Sylvie Pommier, ist dieser Frage im Bereich des wissenschaftlichen Nachwuchses nachgegangen und hat auf Basis der Promotionsdaten der Bibliographischen Hochschulstelle (Agence bibliographique de l’enseignement supérieur, ABES) untersucht, ob mehr Doktorarbeiten in Frankreich auf Englisch verfasst werden.

Wie ihre Auswertung ergibt, wurden 1987 nur drei Prozent aller Doktorarbeiten in Frankreich auf Englisch verfasst. Dies änderte sich signifikant erst ab dem Jahr 2000 und bis 2015 stieg die Zahl der englischen Promotion auf ein Drittel an. Drei Prozent der Arbeiten werden zudem in einer anderen Sprache als Französisch oder Englisch verfasst. Es handelt sich in diesem Fall immer um Cotutelles (binationale Promotionsverfahren). Die Zahl der englischsprachigen Arbeiten hat also zugenommen, Französisch bleibt aber die Hauptsprache für Doktorarbeiten in Frankreich. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der internationalen Promovierten stark angestiegen. Sie hat sich von 1.745 (2000) auf 4.815 (2010) erhöht. Dies entspricht einer Steigerung von 175 Prozent, während die Zahl der französischen Promovierten nur um 17 Prozent zugenommen hat. Das Verhältnis zwischen französisch- und englischsprachigen Doktorarbeiten ist bei beiden Gruppen aber gleich. Zu dieser Erkenntnis kommt Pommier auf Basis der Doktoranden der Universität Paris-Saclay, da eine Auswertung der ABES für ganz Frankreich fehlt.

Wie die Autorin weiter ausführt, hänge die Sichtbarkeit der Promotionen aber nicht nur von ihrer Sprache sondern vor allem von ihrem freien Zugang ab. Und hier sieht sie Fortschritte: Nur 366 französischsprachige und 16 englischsprachige Promotionen, die im Jahr 2000 verteidigt wurden, sind frei verfügbar. Aus dem Jahr 2015 hingegen sind es 3.838 bzw. 2.173. Gleichzeitig sind aber 43 Prozent der französischen Promotionsschriften 2015 nicht frei zugänglich (2.957 von 6.795), während es nur 28 Prozent der auf Englisch verfassten Arbeiten (843 von 3.016) sind. Hier gebe es  Handlungsbedarf. Die Sichtbarkeit habe sich aber neben dem freien Zugang auch durch eindeutigere Institutionenbezeichnungen verbessert. Während 2000/2001 noch 326 verschiedene Einrichtungen bzw. Bezeichnungen als Alma Mater auf den Promotionen aufgeführt wurden, waren es 2015/2016 nur noch 109. Die Bedeutung von Suchmaschinen sei verstanden worden und so achteten Bibliothekare nun verstärkt darauf, dass die Institutionenbezeichnung einheitlich erfolgt, erläutert Pommier. Die Förderung von Hochschulverbünden (Communauté d’universités et établissements, Comue) seit 2010 habe diesen Effekt zusätzlich verstärkt. Neun von 25 Comues verleihen - wie auch Paris-Saclay – für ihre Mitgliedshochschulen die Promotion. Paris-Saclay hat hierbei als Verbund die meisten Kompetenzen, da er als einzige Comue neben dem Doktortitel und Masterdiplomen auch einen eigenen Bachelor vergibt.

Im Forschungsalltag hingegen hat Englisch längst die wichtigste Rolle: Laut einer Studie von 2008 ist in französischen Laboren zu 89 Prozent Englisch die ausschließliche oder dominante Forschungssprache. In den Naturwissenschaften findet 90 Prozent des Austauschs mit internationalen Forschern auf Englisch ohne Übersetzung statt. Nur in den Geistes- und Sozialwissenschaften ist der Trend weniger stark ausgeprägt und nur 27 Prozent der internationalen Begegnungen werden auf Englisch durchgeführt.

Quelle: The Conversation France Redaktion: von Kathleen Schlütter, Deutsch-Französische Hochschule Länder / Organisationen: Frankreich Themen: Bildung und Hochschulen Geistes- und Sozialwiss. sonstiges / Querschnittsaktivitäten

Weitere Informationen

Projektträger