StartseiteAktuellesNachrichtenFrankreich ergreift Maßnahmen zur Unterbindung strategischer Verleumdungsklagen gegen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

Frankreich ergreift Maßnahmen zur Unterbindung strategischer Verleumdungsklagen gegen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

Berichterstattung weltweit

Die französische Regierung will Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besser vor Klagen schützen, die allein der Einschüchterung und Einschränkung der Forschungs- und Meinungsfreiheit dienen.

In den 1970er Jahren sind die sogenannten strategischen Klagen gegen öffentliche Beteiligung (Strategic lawsuit against public participation, SLAPP) in Kanada und den USA entstanden. Ihr Ziel: kritische Stimmen einzuschüchtern, indem man eine Verleumdungsklage gegen sie einreicht. Seit zehn Jahren gibt es das Phänomen auch in Frankreich und neben Journalisten und Nicht-Regierungsorganisation sind insbesondere auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon betroffen.

Der amtierende französische Staatssekretär für Hochschulwesen und Forschung, Thierry Mandon, beauftragte am 7. März 2017 daher eine Kommission damit, schützende Maßnahmen für die Wissenschaft auszuarbeiten. Fünf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben unter Vorsitz des Professors für Rechtswissenschaften Denis Mazeaud nun einen entsprechenden Bericht zum Schutz der Forschungsfreiheit erarbeitet.

Sie schlagen darin unter anderem vor, im französischen Code Civil für Vergehen, bei denen die Justiz zur Einschränkung der Meinungsfreiheit missbraucht wird, ein Bußgeld von bis zu 15.000 Euro zu verankern. Das Presserecht soll zudem um einen Artikel erweitert werden, der besagt, dass Wissenschaftler und Hochschullehrende für schriftliche oder mündliche Äußerungen im Rahmen ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit nicht wegen Verleumdung, Beleidigung oder Verunglimpfung verklagt werden können. Mit beiden Vorschlägen sollen Verleumdungsklagen möglichst vermieden werden, denn in Frankreich erfolgt in diesem Fall anders als in Deutschland eine automatische Anklageerhebung und es ist der Angeklagte, der nachweisen muss, dass der Vorwurf unzutreffend ist. Weiterhin soll der Rechtsschutz der Universitätsangehörigen gestärkt werden. Der berufliche Rechtsschutz für Beamte gilt auch für sie und sollte den Universitätspräsidenten stärker bewusst gemacht werden. Auch eine zeitnahe Gewährung von finanzieller Unterstützung für Prozesskosten soll gewährleistet werden.

Wie Mandon versicherte, sollen noch vor Ende seiner Amtszeit möglichst viele der genannten Maßnahmen umgesetzt werden. Änderungen im Zivil- oder Presserecht werden jedoch nicht mehr möglich sein.

Besonders Juristen sind von SLAPP betroffen. Als Beispiel nennt der Bericht unter anderem die Klage des Müllverwertungsunternehmens CHIMIREC gegen den Rechtsprofessor Laurent Nereyt aus dem Jahr 2014 für seinen Kommentar in einer juristischen Fachzeitschrift zu einer Verurteilung des Unternehmens. Im Januar 2017 wurde der Jurist nach einem 18-monatigen Prozess freigesprochen. Aber auch andere Disziplinen sind betroffen. So wurde beispielsweise der Wirtschaftsprofessor Bruno Deffains 2013 vom Unternehmer Xavier Niel wegen Verunglimpfung verklagt, nachdem ersterer eine Studie zu den Auswirkungen des Markteinstiegs des letzteren als neuer Telekommunikationsanbieter veröffentlicht hatte.

Das Phänomen ist laut der Vereinigung der Fakultätsdekane für Recht und Politikwissenschaften in Frankreich bisher eher marginal. Allerdings wird die Verleumdungsklage gern als Kommunikationsinstrument benutzt. Es sei ein Versuch, jede Schuld von sich zu weisen und zu sagen: „Seht her, ich habe nichts zu befürchten und gehe sogar vor Gericht“, wird die Vorsitzende der Vereinigung, Sandrine Clavel, zitiert. Und da der Schadenersatz im Falle des Scheiterns einer Klage gering ausfalle und das Urteil im Falle eines Freispruchs nicht automatisch veröffentlicht werde, würde ein Scheitern großen Unternehmen nicht viel ausmachen.

Zum Nachlesen

Quelle: educpros.fr Redaktion: von Kathleen Schlütter, Deutsch-Französische Hochschule Länder / Organisationen: Frankreich Themen: Ethik, Recht, Gesellschaft

Projektträger