Die Kommission, der unter der Leitung von Anne Lauvergeon 20 Persönlichkeiten unterschiedlichen Profils angehören, hat in Anlehnung an das Beispiel „Airbus“ Innovationsbereiche identifiziert, in denen Frankreich technologische Stärken aufweist, und die bei Unternehmen Innovationsinitiativen stimulieren sollen. Dabei können auch Sekundäreffekte außerhalb dieser Bereiche entstehen. Staat und Regionen sollten sich dabei darauf beschränken, ihrerseits günstige Rahmenbedingungen zu schaffen.
Zur Vorbereitung ihrer Arbeit hat die Kommission zahlreiche Anhörungen veranstaltet sowie vergleichbare Politiken anderer Länder analysiert und auf Berichte französischer Botschaften zurückgegriffen. Die Definition der schließlich ausgewählten Bereiche stützt sich auf ausgeprägte gesellschaftliche Erwartungen im Hinblick auf Wachstum - Sorgen um den Planeten Erde, individuellere Sichten des Verbrauchers, gesteigerte individuelle Verantwortlichkeiten - aber auch auf die Berücksichtigung eines komplexen internationalen Kontextes - wirtschaftliches Potential der Schwellenländer, höhere Lebenserwartung, zunehmende Verstädterung, wahrscheinliche Spannungen um den Zugang zu Trinkwasser, Energie und Rohstoffen sowie zunehmende Effekte des Klimawandels.
Auch Aspekte der modernen Industriestaaten wurden berücksichtigt: Fortschritt wird gekoppelt mit Begriffen der Nützlichkeit, der Nüchternheit, des ordentlichen Gebrauchs von Gütern. Der Bedarf an Sicherheit nimmt zu - sei es die von Personen, von Gütern oder Informationen, bei gleichzeitigem Wunsch nach Gesundheit und Wohlergehen in jedem Alter. Innovationen von Morgen müssten auf diese steigenden Erwartungen zeitnah eingehen; wenn sie zu spät kämen, würden sie ihre Märkte verfehlen und auf den Regalen lande.
Der internationale Ausschau der Kommission hat ergeben, dass viele Staaten gezielt Investitionsstrategien anlegten, um in bestimmten Bereichen Weltführer zu werden. Es reiche nicht mehr aus, in einem Bereich die Kräfte zu sammeln, man müsse Innovationsvorreiter sein, Trümpfe der Exzellenz bereithalten, im richtigen Augenblick Qualität beweisen und die besten Talente in einem Kontext internationaler Konkurrenz anziehen. Aber Frankreich leide, mit seinem kulturellem Ökosystem und einer Organisation, die nicht zu Innovationen anreize, auch unter Handycaps, woran es zu arbeiten gelte. Das Steuerwesen, die regulatorische Rahmenbedingungen, die flaue Konjunktur oder andere Animosität würden das Leben der Innovatoren erschweren. Das sei nicht neu, Frankreich habe Angst vor Wagnissen und der Übernahme von Risiken. Es sei zurzeit das drittletzte Land in Hinblick auf wirtschaftliche, industrielle Produktion in Europa. Auf der Grundlage dieser Sichten empfiehlt die Kommission der Regierung sieben ehrgeizige Innovationsbereiche:
- Energiespeicherung; das sei der Schlüssel zur Energiewende
- Recycling von Material, insbesondere seltener Erden; die Verknappung und Verteuerung von Metallen, aber auch der Umweltschutz mache das Recycling unverzichtbar.
- Verwertung der Reichtümer der Meere: die Verwertung der Metalle auf dem Meeresboden und die Meerwasserentsalzung machten bei wachsender Weltbevölkerung unverzichtbare Ressourcen verfügbar.
- Pflanzliches Eiweiß und Eiweißchemie; neue Nahrungsmittel auf Basis pflanzlichen Eiweißes müssten entworfen werden um auf die weltweit wachsende Nachfrage reagieren zu können. Die vereinten Kräfte der französischen Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie sowie die Tradition kulinarischer Innovationen, müssten es Frankreich erlauben, in diesem Bereich einen wichtigen Exportbereich zu entwickeln.
- Individualisierte Medizin; die Entwicklung der „omischen“ (genomischen, proteinomischen, etc.) Wissenschaften, die wachsenden Verbindungen zwischen medikamentösen Mitteln und Therapien sowie die informationstechnische Entwicklung ließe eine zunehmend personalisierte Medizin entstehen mit einer größeren kollektiven und individuellen Wirksamkeit. Frankreich verfüge mit seinem international hoch angesehenen Gesundheits- und Forschungssystem reelle Trümpfe.
- Wachstumsfaktor Alter – Innovation im Dienste der Langlebigkeit. In 15 Jahren seien 1,2 Mrd. Bewohner der Erde älter als 60 Jahre. Die Senioren sicherten die Mehrzahl der Ausgaben in Frankreich, sie artikulierten besondere Bedürfnisse. Eine neue Wirtschaft werde sich entwickeln, die unter anderem auf den Verlust von Autonomie älterer Menschen reagiere.
- Auswertung von massiver Datenfülle (Big Data); die Vervielfachung von Daten, die von Individuen, Unternehmen und der öffentlichen Hand geschaffen werden, sein Träger neuer Nutzungsmöglichkeiten und Produktivitätssteigerungen. Die französische Schule der Mathematik und Statistik seine eine der besten der Welt.
Die Kommission weist abschließend darauf hin, dass diese sieben Themenfelder vor allem unter den Gesichtspunkten Wachstum und Beschäftigung ausgewählt worden seien. Sie würden als Komplement zu den kürzlich veröffentlichten Strategien für 34 Branchen der französischen Wirtschaft gesehen und stützten sich auf dieselben Erkenntnisse der Kommission der Europäischen Union zu den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen.
Die Kommission weist aber auch darauf hin, dass sich Grundlegendes ändern müsse:
- Das Anerkennen, dass Innovation essentiell für wirtschaftlichen Erfolg sind,
- Sich dem Neuen bereitwillig öffnen
- Die Verfahren vereinfachen
- Zum Experimentieren ermutigen,
- Die Normen senken
- Einen signifikanten Teil der öffentlichen Beschaffung für Innovationen zulassen
- In der Politik Beständigkeit zeigen
- Das Eingehen von Risiken und dessen Korrelat, das Scheitern, im Erziehungswesen aufwerten
- Sich auf ein neues Gleichgewicht zwischen Eingehen von Risiken und Vorsorge einlassen etc.
Zum weiteren Vorgehen empfiehlt die Kommission mit einem Innovationswettbewerb zu diesen Themen zu beginnen, die Anfangsphase des Reifens dieser Ideen zu fördern und in einem Dialog aller hierzu Engagierten zu bleiben.