Der Bericht, der das Ergebnis von 18 Monaten Arbeit von 400 wissenschaftlichen Experten ist, beschreibt die unterschiedlichen Entwicklungslinien von Nachfrage und Energiemix und schätzt deren sozio-ökonomischen und ökologischen Folgewirkungen ab. Ziel ist es, für das in Vorbereitung befindliche Gesetz zur Energiewende klärende Elemente beizutragen. Die Szenarien schlagen gezielt Maßnahmen im Bereich von wissenschaftlich-technischen Innovationen vor.
Die drei Szenarien
Das Szenario ausgeprägterer Mäßigung (Sobriété renforcée, SOB) stützt sich auf eine bedeutende Entwicklung des individuellen Verhaltens in Richtung der Verringerung des Energieverbrauchs, der Verbesserung des energetischen Wirkungsgrades und der Entwicklung erneuerbarer Energien. Der Ansatz geht insbesondere von einer beträchtlichen Modernisierung des Wohnungsbestandes aus (650.000 Wohnungen pro Jahr gegenüber gegenwärtig 125.000).
Das Szenario einer Dekarbonisierung durch Elektrizität (Décarbonisation par l’électricité, ELE) baut auf einer Verknüpfung einer ausgeprägten Anstrengung im Bereich der energetischen Wirkungsgrades und einem Zuwachs im Bereich der unterschiedlichen Nutzungen dekarbonierter Stromerzeugung auf. Das Szenario ELE rechnet zum Beispiel mit einem Anteil von 45 % an Elektrofahrzeuge im Verkehr für das Jahr 2050.
Das Szenario unterschiedlicher Energieträger (Vecteurs diversifiés, DIV) setzt auf den energetischen Wirkungsgrad und setzt den Akzent auf die Diversifikation der Quellen und Energieträger, mit einem starken Beitrag der Biomasse, der Rückgewinnung von Abfällen (darunter derjenigen aus Kernreaktoren) und eine bedeutende Rolle intelligenter Energiesysteme.
Für die drei Szenarien nimmt man außer dem erwarteten «Faktor 4» an, dass der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung bis 2025 bei 50% liegt, wie es die Regierung vorgeschlagen hat. Eine Variante, die nahe beim Szenario ELE liegt, wurde auch durchgerechnet: sie erlaube ein besseres Ergebnis bei der Reduktion der CO2-Emissionen um den Preis einer geringeren Begrenzung der Kernenergie. Bei dieser Varianten nehme der nukleare Anteil an der Stromerzeugung bis 2050 langsam auf 60% ab.
Diese Szenarien, die alle eine anhaltende Anstrengung im Bereich der Energieeffizienz annehmen, ermöglichten eine sehr bedeutsame Reduktion des Verbrauchs fossiler Energieträger und die Entwicklung eines wichtigen Angebots erneuerbarer Energie, insbesondere im Elektrizitätsbereich.
Im Hinblick auf andere Entwicklungen, die im Rahmen der Debatte zur Energiewende vorgestellt wurden, werde sich die Abnahme des Endenergieverbrauchs, so Berechnungen, im Jahr 2050 auf mittlerem Niveau einstellen, d. h. um 27 % bis 41 %, je nach Szenario.
Jedenfalls sei der „Faktor 4“ nur erreichbar, wenn andere Bedingungen hinzukommen:
Ein anhaltender Rythmus von Innovationen und Verbreitung von Technologien, was eine bedeutende nationale Forschungs- und Entwicklungsanstrengung während des Betrachtungszeitraumes impliziere sowie die Entwicklung neuer Infrastrukturen und Einrichtungen und schließlich einer Industriestrategie, um dem Risiko der Abhängigkeit von importierten Technologien zu begegnen.
Der Zugang zu umwälzenden Technologien: Abspaltung, Rezyklierung und Speicherung von CO2 (bis 40 mio. t CO2 in 2050) sowie intelligente Netze, Elektrizitätsspeicher großer Kapazitäten (38 -47 TWh - ELE) und Kraft-Wärme-Koppelung, insbesondere nukleare (bis 80 TWh für Gebäudeheizung und 40 TWh für die Industrie in 2050 - DIV). Der Bericht von ANCRE hebt unter anderem hervor, dass das im Szenario ELE quantifizierte hohe Speicherniveau mit heutigen Technologien nicht erreicht werden könnte.
Weiterentwicklung der Szenarien
Um den Entscheidungsträgern Beurteilungselemente an die Hand geben zu können, wurde eine erste Multikriterienbewertung vorgenommen, insbesondere zu den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Folgen der ANCRE-Szenarien. Wegen der Komplexität der gestellt Fragen, Unsicherheiten und mangels eines ausgewählten Modells, müsse sie jedoch fortgeführt werden.
Um die wiederkehrenden Ausgaben für fossile Energieträger zu reduzieren scheine bereits jetzt ein hohes Investitionsniveau notwendig. Die geschätzten Beträge seien von der Größenordnung von etwa tausend Milliarden Euro bis 2050. Dies sei eine Konstante für alle Szenarien.
Im Hinblick auf die Umwelt gehen alle Szenarien über den Faktor 4 für das CO2 aus energiewirtschaftlichem Ursprung hinaus und erlauben ein Absenken zwischen 65 % und 75 % der Treibhausgase aus allen Quellen bis 2050.
Die anderen positiven Auswirkungen beträfen vor allem die Minderung der außenwirtschaftlichen Energieabhängigkeit, die von heute (50 %) auf 27 % (ELE), 28 % (DIV) und 36 % (SOB) absinken würde, sowie die Verbesserung der Außenhandelsbilanz und möglicherweise die Beschäftigung. Aber um günstige Arbeitsmarkteffekte zu erzielen, müssten neue Technologielinien entstehen, die von öffentlichen Investitionen unterstützt, und von französischen und europäischen Unternehmen entwickelt werden müssten.
Der Preis pro Energieeinheit würde sich in allen Szenarien erhöhen, wenn gleich mit unterschiedlichen Dynamiken. Eine Verdoppelung des Preises bis 2050 sei vorhersehbar. Der Einfluss auf die Haushaltsbudgets und der Industriepreise sei jedoch begrenzt, wenn man den stark absinkenden Verbrauch berücksichtigte.
Schließlich formuliert der ANCRE-Bericht erste Vorschläge im Hinblick auf Forschungsprogrammierung für den Gesetzentwurf zur Energiewende. ANCRE werde im Frühjahr 2014 ein wissenschaftliches Seminar veranstalten, um diese Vorschläge, die bis dahin weiter ausgearbeitet werden, zur Diskussion zu stellen.