Wie France Stratégie schreibt, wusste man bisher über bekannte Standorte wie Sorbonne Abou Dhabi oder HEC Paris Qatar hinaus wenig über die französischen Studienangebote im Ausland. Der Bericht „L'enseignement supérieur français par-delà les frontières : l'urgence d'une stratégie" (englische Zusammenfassung "French transnational higher education: the urgent need for a strategy") bietet nun erstmals ein Panorama der Programme und analysiert ihre Position im Vergleich zu konkurrierenden Nationen wie Großbritannien, Australien und Deutschland.
600 Programme, 140 physische Standorte, 320 Diplome, 138 Fernstudienprogramme und 37.000 Studierende hat France Stratégie gezählt. Die meisten Studierenden französischer Programme gibt es demnach in China (14,5 Prozent), dem Libanon (11,5 Prozent), Marokko (10,5 Prozent) und Vietnam (8,4 Prozent). Am häufigsten vertreten sind hierbei Exzellenzprogramme auf Masterlevel (70 Prozent des Angebots). Mehr als drei Viertel des Studienangebots im Ausland betreffen die Fächer Wirtschaft/Recht/Management (39,8 Prozent) und Naturwissenschaften/Ingenieurwesen/Gesundheit (36,3 Prozent). Sie werden mehrheitlich von den Ingenieur- und Handelshochschulen angeboten. Die Universitäten hingegen bilden nur ein Drittel der Studierenden in den Auslandsprogrammen aus obwohl sie drei Viertel aller ausländischen Studierenden in Frankreich empfangen. Das Netzwerk der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH-UFA) mit 175 integrierten binationalen Studiengängen und 6.500 deutschen und französischen Studierenden findet im Bericht von France Stratégie keine Erwähnung. 69 Prozent der Programme werden teilweise oder ausschließlich in Französisch angeboten. France Stratégie zieht hier den Vergleich zu Deutschland, wo laut dem Think Tank 90 Prozent der Programme mehrheitlich in Englisch stattfinden.
Wie France Stratégie weiter schreibt, bildet Großbritannien dreimal mehr Studierende im Ausland aus als Frankreich. Dies bedeute nicht, dass Frankreich abgehängt sei, dennoch bestehe Grund zur Sorge, da es sich mehr um ein Resultat bekannter Mängel denn um eine aktive Entscheidung handele. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass es den französischen Akteuren im Vergleich zu ihrer Konkurrenz an klaren Zielen in ihren Transnationalisierungsanstrengungen fehle. In den Einrichtungen werde eher entsprechender, sich bietender Möglichkeiten durch die Forscherinnen und Forscher gehandelt als eine Strategie verfolgt. Es fehle Frankreich an Ressourcen, Expertise und gelegentlich selbst an strategischem Interesse, das vorhandene Potential voll auszunutzen. Den Einrichtungen fehle es an Autonomie, die digitalen Technologien würden nicht ausreichend genutzt, eine schwache Evaluierungskultur und bestimmte rechtliche Vorgaben für Diplome seien weitere Hindernisse. Diese internen Schwierigkeiten hätten zur Folge, dass Auslandsprogramme selten auf Grundlage einer artikulierten Strategie entstünden.
Die Autoren der Studie empfehlen dem Staat, die Internationalisierungsstrategien auf allen Ebenen zu fördern, die Qualität der Angebote zu sichern und neue Finanzierungsmöglichkeiten zu unterstützen. Für die Einrichtungen sehen sie vier Strategien, wobei zwei das existierende Angebot verstärken würden:
- „Verbreitung durch und für die Forschung“ sowie
- „Strahlkraft“ (Rayonnement) im Sinne der wissenschaftlichen und universitären Diplomatie
Die beiden anderen Vorschläge bedeuteten eine stärkere Zäsur:
- „Marktaneignung“: marktorientierter Aufbau eines Massenangebots mit Konzentration auf die grundständigen Studiengänge und einem Ausbau der Standorttypen sowie
- „Digitaler Ausbau“: umfangreiche Investitionen in digitale Technologien und Mischangebote, die Online- und Präsenzunterricht verbinden.
Die schlechteste aller Strategien, so France Stratégie, sei es, keine zu haben. Wenn die Marke Frankreich sich behaupten wolle, sei es dringend notwendig, dass sie ihre Entschlossenheit zeige und ihr Angebot klar positioniere.
Der Bericht wurde im November 2015 vom damaligen Außenminister Laurent Fabius, der Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem sowie dem Staatssekretär für Hochschulwesen und Forschung Thierry Mandon in Auftrag gegeben. Die Untersuchung wurde unter Vorsitz von Bernard Ramanantsoa, bis 2015 Direktor der Managementhochschule HEC Paris, durchgeführt.