Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron kündigte am 25. April 2019 in einer Pressekonferenz zahlreiche Reformmaßnahmen an, darunter auch eine Umstrukturierung des höheren öffentlichen Dienstes. „Der Staat muss sein Handeln vor Ort überdenken. Wir haben zu viele Leute in Paris, die Entscheidungen treffen und Regeln festlegen, ohne jemals die Probleme oder die Menschen dazu gesehen zu haben.“, so Macron.
In diesem Zusammenhang kündigte er insbesondere die Abschaffung der traditionsreichen Verwaltungshochschule ENA (Ecole nationale d‘administration) an. Sie soll zugunsten einer anderen, „offeneren“ Einrichtung ersetzt werden, aber ihren Standort in Straßburg und auch die Lehrkräfte behalten. Die 1945 von Charles de Gaulle gegründete ENA steht seit Langem in der Kritik, soziale Eliten zu reproduzieren und wenig durchlässig zu sein. Obwohl die Aufnahme über eine einheitliche Prüfung erfolgt, sind zwei Drittel der Studierenden Kinder von Führungskräften und nur insgesamt 15 Prozent haben Eltern, die Handwerker, Landwirte oder einfache Angestellte sind. Gesonderte Bewerbungsverfahren für Berufstätige und Promovierte sowie ein Vorbereitungskurs für Personen aus einkommensschwachen Schichten konnten daran bisher nichts ändern. Bereits die ehemaligen französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy hatten erfolglos versucht, die ENA zu ersetzen.
Zudem möchte Macron die etwa 1.000 Personen umfassende und „Grands corps“ genannte Gruppe der höchsten Beamten abschaffen. Es handelt sich insbesondere um die Mitglieder des Rechnungshofs, der Generalinspektion für Finanzen und des Staatsrats, die sich hauptsächlich aus den jeweils 15 besten Jahrgangsabsolventen der ENA zusammensetzen. Sie bekleiden zentrale Verwaltungsposten im Land und sind daher sehr einflussreich. Das System soll auch hier durchlässiger werden und Beförderungen aufgrund von Berufserfahrungen statt eines Rankings beim Studienabschluss erfolgen.
Mit der Ausarbeitung konkreter Reformvorschläge zu Zulassung, Ausbildungsangeboten und Karrieremöglichkeiten der ENA beauftragte Macron den ENA-Alumni Frédéric Thiriez. Thiriez war als einer der besten Absolventen seines Jahrgangs selbst Teil der „Grands corps“. Er gehört nun zum sehr kleinen Kreis der Juristen, die Klienten vor dem Staatsrat und beim Kassationsgerichtshof vertreten dürfen. Zudem war er von 2002 bis 2016 Präsident des Französischen Fußballbunds (Ligue de football professionnel, LFP).
Die Pressekonferenz und die dort angekündigten Maßnahmen waren ein Ergebnis der Gelbwesten-Proteste und der daraus entstandenen landesweiten Debatte über den Reformbedarf in Frankreich. Neben dem bürgernäheren öffentlichen Dienst gehörten die Senkung der Einkommenssteuer und die Entlastung von Rentnerinnen und Rentner zu den zentralen Reformankündigungen.
Zum Nachlesen
- Le Monde (26.04.2019): Macron confirme la disparition de l’ENA et des grands corps (Französisch)
- L'OBS (26.04.2019): Suppression des grands corps de l’Etat : Frédéric Thiriez, le drôle de choix de Macron (Französisch)
- Reuters (25.04.2019): France's Macron to shut elite ENA school in drive for fairness