Alle Erwartungen übertroffen hat die vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA ausgerichtete »ROSCon 2013« in Stuttgart: Rund dreihundert Experten und Anwender aus aller Welt, ein Drittel mehr als beim erfolgreichen Auftakt in Minnesota im Jahr 2012, besuchten am 11. und 12. Mai das internationale Jahrestreffen der weltweiten Entwicklercommunity für das Open-Source-Betriebssystems für Roboterprogrammierung ROS auf dem Campus der Universität Stuttgart. Das rapide gestiegene Interesse gerade industrieller Anwender an der bisher vor allem im Forschungsbereich weit verbreiteten Open-Source-Plattform belegt nach Ansicht der Organisatoren, dass ROS auf dem Sprung ist, sich auch bei Industrie- und Service-Robotik-Anwendungen als Option zur kosten- und leistungsfähigen Steuerungstechnik anzubieten und neue Standards zu schaffen.
Vieles, was unter dem Schlagwort »Industrie 4.0« als Vision gehandelt werde, sei in der ROS-Community bereits Realität, konstatiert Professor Alexander Verl, Institutsleiter am Fraunhofer IPA. Dezentrales und via Internet vernetztes Entwickeln mit verteilten Funktionen, bei dem einer vom anderen lernt und auf vorhandenem Wissen aufbauen kann, gehört zum Wesenskern von Open-Source-Software, deren Erfolgsgeschichte Alexander Verl in seinem Einführungsvortrag von den ersten Anfängen mit Unix und Linux über GNU und Netscape bis in unsere Tage nachzeichnete.
Dieser Vorteil wird auch im industriellen Bereich zunehmend erkannt, unterstreicht IPA-Forscher Florian Weißhardt, der ebenso wie sein Kollege Alexander Bubeck dem sechsköpfigen Organisationskomitee der internationalen Entwicklerkonferenz angehört. Wer vorhandenen Quellcode verwendet und Feedback und Anregungen aus einer wachsen den Entwicklercommunity verwerten kann, spart Zeit und Entwicklungskosten. Gleichzeitig erlaubt die ROS-Architektur bei selbst entwickelten Komponenten eine saubere Trennung, was wiederum anderen in der Community zugänglich gemacht und welche Elemente exklusiv selbst genutzt werden. Dies ist insofern wichtig, da die Steuerungstechnik als aufwändig und damit im Entwicklungsprozess kostenträchtig gilt.
Zukunft von ROS liegt in industriellen Anwendungen
Steve Cousins, CEO der kalifornischen Roboterschmiede Willow Garage, der eigentlichen Geburtsstätte von ROS, ist positiv überrascht von den enormen Fortschritten der Open- Source-Plattform, die sich in Dimension und Vielfalt der Stuttgarter Konferenz spiegeln. Binnen weniger Jahre sei aus einem Graduiertenprojekt ein professionelles System geworden, mit dem industrielle Projekte durchstarten könnten. Auch Brian Gerkey, CEO der Open Source Robotics Foundation OSRF, sieht die Zukunft des »Robot Operating System« ROS in industriellen Anwendungen.
Weltweit umfasst die ROS-Community, deren Zusammenhalt und Kommunikation der eigentliche Zweck der Non-Profit-Organisation OSRF ist, bereits zweitausend aktive Entwickler, schätzt Brian Gerkey; eine beachtliche Zahl angesichts der Tatsache, dass die Robotik nur einen kleinen Ausschnitt der gesamten IT-Welt darstellt. Mit der Stuttgarter Konferenz habe die Community eine neue Stufe erreicht, meint Gerkey, weil sie zu nehmend nicht nur Forscher und wissenschaftliche Entwickler anziehe, sondern ebenso Industrieunternehmen, die mit ROS experimentieren und sich von der ROS-Welt und den Ideen ihrer Community inspirieren lassen wollen.
Die Forscher der Abteilung Roboter- und Assistenzsysteme am Fraunhofer IPA, die bereits letzten Herbst am Stuttgarter Institutszentrum einen internationalen Anwenderkongress mit rund hundert Forschern und Experten aus Wissenschaft und Industrie zum Thema ROS Industrial durchgeführt haben, treiben den Transfer von ROS in industrielle Anwendungen in Europa maßgeblich voran. »Wir sind gerade dabei, das europäische ROS Industrial Konsortium aufzubauen und begegnen einem stetig wachsenden Interesse aus der Industrie«, bestätigt Ulrich Reiser, Gruppenleiter in der Abteilung Roboter- und Assistenzsysteme am Fraunhofer IPA. Neben der Entwicklung von Servicerobotik-Anwendungen und entsprechenden Technologien, unterstützt und berät das Fraunhofer IPA auch Firmen beim Einsatz von ROS. Kaum verwunderlich also, dass in Deutschland inzwischen die zweitgrößte ROS-Entwicklergemeinde nach dem Ursprungsland USA besteht.
»Roboter werden in unserem Alltag künftig eine ähnlich große Rolle spielen wie heute schon der Computer«
Was mit ROS im kommerziellen Einsatz heute schon möglich ist, zeigten gleich mehrere Unternehmen in einer begleitenden Ausstellung im Konferenzgebäude. Ryan Gariepy, Chief Technology Officer der kanadischen Firma Clearpath Robotics und einer der Mitgründer der Entwicklerkonferenz ROSCon, präsentiert robuste Wissenschaftsroboter für autonome Messungen und Probenentnahmen zu Wasser und zu Lande; weil die Technologien, nicht zuletzt dank sinkender Software-Entwicklungskosten, immer preiswerter würden, werde die Robotik künftig einen ähnlich großen Einfluss auf unser Alltagsleben gewinnen wie heute schon der Computer.
Shaun Edwards, Senior Research Engineer am texanischen South West Research Institute, Initiator des Projekts »ROS Industrial« und Leiter des amerikanischen ROS Industrial Konsortiums, sieht großes Potenzial für die Nutzung von ROS in Industriezweigen mit großem Automatisierungsbedarf, hohen funktionellen Anforderungen und kleinen Entwicklungsbudgets. Er habe mehrere Industrieprojekte »in der Pipeline«; in Stuttgart demonstriert er die Industrietauglichkeit des Open-Source-Betriebssystems am Beispiel einer gemeinsam mit Yaskawa Motoman Robotics realisierten Anwendung aus der Produktionstechnik, bei der die Bahnplanung des Roboters unter ROS generiert wurde.
Die BMW Car IT GmbH nimmt diese Entwicklung schon vorweg. Das Forschungsprojekt des BMW-Thinktanks zum fahrerlosen, autonomen Fahren setzt auf die Open-Source- Plattform: »ROS ist der einzige etablierte Standard, der die Anforderungen für so ein komplexes Projekt erfüllt und genau jetzt in Richtung Industrialisierung geht«, erläutert Lukas Bulwahn. Weil das Automobil beim autonomen Fahren mit allen möglichen Verkehrsteilnehmern und Einrichtungen kommunizieren muss, brauche man einen etablierten, nicht-herstellerspezifischen Standard. Dank der Synergien in der Open-Source-Community sei man bereits in beeindruckender Weise vorangekommen; jetzt suche man noch offensiver nach Partnern und Anregungen aus der Community, um offene Probleme wie die Maximierung der Verfügbarkeit zu lösen.
Die vom Fraunhofer IPA als Gastgeber ausgerichtete zweitägige Konferenz in Stuttgart hat die Messlatte für die ROSCon 2014 hoch gehängt.
Kontakt
Dipl.-Ing. Alexander Bubeck
Abteilung Roboter- und Assistenzsysteme
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Telefon +49 711 970-1314
E-Mail: alexander.bubeck(at)ipa.fraunhofer.de
www.ipa.fraunhofer.de
Dipl.-Ing. Florian Weißhardt
Abteilung Roboter- und Assistenzsysteme
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Telefon +49 711 970-1046
E-Mail: florian.weisshardt(at)ipa.fraunhofer.de
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