Das Gesundheitssystem der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und auch der anderen Golfanrainer gilt als unterentwickelt. Wer ernsthaft krank ist und es sich leisten kann, fliegt ins Ausland - eine erste Adresse ist Deutschland. Dort haben dann wiederum Städte Vorteile, die direkt angeflogen werden können. Von den VAE aus sind das Frankfurt, München, Düsseldorf und Hamburg, von Katar aus auch Berlin. Weil dieser Gesundheitstourismus aber vergleichsweise teuer ist, gibt es in allen Golfländern erhebliche Anstrengungen, infrastrukturelle Defizite zu beseitigen und den Sektor auch organisatorisch leistungsfähiger zu machen.
Das Gesundheitssystem der VAE, das für viele Nachbarländer eine Art Benchmark darstellt, befindet sich derzeit in einem Umstrukturierungsprozess: So sollen zum Beispiel regulatorische Rahmenbedingungen, wie einheitliche Behandlungssätze, geschaffen werden. In weiten Teilen der Bevölkerung fehlt es immer noch an einem ausreichendem Versicherungsschutz, ein Problem, dem begegnet werden soll. Dabei ist jedoch anzumerken, dass sich die Minorität der VAE-Staatsbürger in staatlichen Krankenhäusern kostenlos behandeln lassen kann.
Abu Dhabi hat vor wenigen Jahren als erstes Emirat alle Arbeitgeber verpflichtet, für ihre Angestellten eine Krankenversicherung abzuschließen. Diese deckt zwar nur die Grundversorgung ab, stellt aber dennoch einen Meilenstein in der Entwicklung des VAE-Gesundheitssystems dar. Statistisch gesehen kommt auf 500 VAE-Einwohner ein Arzt, in Deutschland sind es 280. Unter den verschiedenen Emiraten hat Dubai das engmaschigste Versorgungsnetz.
Der Gesundheitsmarkt in den Staaten des Golf-Kooperationsrates (GCC; Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, VAE) wird in den nächsten zwölf Jahren - bei höherer Nachfrage und steigenden Kosten - voraussichtlich um etwa 12% jährlich wachsen, glauben Branchenkenner. Bis 2020 könnte der Markt damit ein Gesamtvolumen von 55 Mrd. US$ erreichen. Alleine bis 2015 wird in den GCC-Staaten die Fertigstellung von zweihundert neuen Krankenhausprojekten erwartet.
Besorgniserregend - und kostentreibend - sind die in der Golfregion weit verbreiteten Diabetes-Erkrankungen und die auf Diabetes zurückzuführenden Herzkrankheiten. Ärzte sprechen von epidemischen Auswüchsen. In den VAE sind Herzkrankheiten bereits die häufigste Todesursache.
Angesichts solcher Rahmenbedingungen war die jährlich stattfindende Arab Health auch 2010 wieder die weltweit zweitgrößte Gesundheitsmesse nach der Medica in Düsseldorf. Erneut gab es eine der größten offiziellen deutschen Auslandsmessebeteiligungen. Die Gesamt-Ausstellungsfläche wurde gegenüber 2009 um 20.000 qm auf 85.000 qm erweitert. Über 2.500 Aussteller waren vertreten, davon ein beträchtlicher Teil in 26 Länderpavillons.
Aus Deutschland kamen etwa 480 Aussteller - die meisten im Rahmen der offiziellen Gemeinschaftsbeteiligung des Ausstellungs- und Messeausschusses der Deutschen Wirtschaft (AUMA). Zahlreiche Bundesländer waren mit eigenen Informationsständen vor Ort. Die traditionell große Beteiligung deutscher Firmen an der Messe ist eine logische Konsequenz der dynamischen Entwicklung des Gesundheitssektors in den Emiraten und der gesamten Golfregion. Die zweitgrößte Ländervertretung kam aus der VR China mit 240 Ausstellern im eigenen Länderpavillon. Das Reich der Mitte fiel durch eine besonders aktive PR auf, darunter zahlreichen Rahmenveranstaltungen. Deutschland setzte bei seinem offiziellen Marketing weitgehend auf traditionelle Konzepte.
Eine Delegationen um den parlamentarischen Staatssekretär des Bundesministeriums für Gesundheit, Daniel Bahr, lud den VAE-Gesundheitsminister Hanif Hassan zu einem Deutschlandbesuch ein. Die intensive politische Unterstützung der deutschen Gesundheitswirtschaft wurde auch durch die zeitgleiche Anwesenheit von vier Delegationen aus den Bundesländern Bayern, Berlin, Hamburg und Rheinland-Pfalz unterstrichen, die von Ministern beziehungsweise Senatoren angeführt wurden und für die in den jeweiligen Ländern angesiedelte Gesundheitswirtschaft warben. Während die eigenständige Präsentation von Bundesländern auf der Arab Health bei Fachbesuchern und Ausstellern ein generell positives Echo fand, äußerten sich Beobachter zum getrennten Auftreten der Delegationen bei politischen Gesprächen und zur Außenwirkung auf die Medien eher skeptisch.
Umso bemerkenswerter war daher ein Ansatz von Rheinland-Pfalz, das zusammen mit der Dubai Health Authority zu einem Symposium zum Thema "Schlaganfall-Prävention" eingeladen hatte, in dem es um eine optimale Versorgungskette von Prävention bis hin zu Rehabilitation ging. Als Moderator fungierte Dr. Hans-Christoph Diener als Spezialist auf dem Gebiet des Schlaganfalls. Im Rahmen der Arab Health war dies ein Novum, mit dem das Bundesland einen neuen Benchmark setzen konnte: Dank einer langen, intensiven und professionellen Vorbereitung kamen 180 Ärzte aus dem gesamten GCC-Raum zu der Veranstaltung.
"Wir sind doch sehr positiv überrascht, wie viele Ärzte aus den unterschiedlichsten Regionen an diesem Symposium teilnehmen," sagte Shaikha Dr. Alia H. Al Qassimi, Chefin des Business Support Office des Department of Medical Education der Dubai Health Authority anlässlich der Veranstaltung. "Dies unterstreicht die sehr gute Organisation und zeigt, wie wichtig diese Art der Darstellung einer solchen Thematik ist."
Für den Organisator, die Deutsch-Emiratische Industrie- und Handelskammer (AHK), war es zuvor eine Zitterpartie. "Wir haben mit der Veranstaltung in diesem Teil der Welt Neuland betreten, "sagt Oliver Parche von der AHK Dubai, "trotz großer Anstrengungen weiß man vorher nie, wie viele Teilnehmer wirklich kommen." Schon sechs Monate vor dem Event hatte Parches Team 600 Fachärzte angeschrieben und sie gebeten, sich den Veranstaltungstag schon mal im Terminkalender frei zu halten. Vor der Messe gab es dann die konkreten Einladungen, auf die sich lediglich zwei Ärzte sofort anmeldeten. "Eine solche schwache Erstresonanz ist hier üblich," sagt Parche," davon darf man sich nicht entmutigen lassen." Selbst drei Tage vor dem Event gab es nur 23 Zusagen - eine Nervenprobe. "Wir haben dann noch einmal jeden eingeladenen Arzt persönlich angerufen," sagt der Kammermann, "als dann plötzlich doch so viele Zuhörer erschienen, fiel uns ein Stein vom Herzen: Der Aufwand hat sich gelohnt."
Mehr als ein Türöffner ist eine solche Veranstaltung aber nicht. "Die Unternehmen müssen nun sofort nachfassen und das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist," sagt Dubais AHK-Chef Dr. Peter Göpfrich. "Präsenz vor Ort und Pflege persönlicher Kontakte sind unbedingt erforderlich, um in den GCC-Gesundheitsmärkten Fuß zu fassen und sich gegen die starke Konkurrenz aus anderen Ländern zu behaupten."
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