Jahrelang haben Stadträte und Landesparlamente gefordert, mit den Mitteln des öffentlichen Vergaberechts der ausbeuterischen Kinderarbeit und anderen sozialen Missständen auf dem globalen Arbeitsmarkt zu begegnen. Mit deren großen Beschaffungsaufträgen nehmen Bund, Länder und Gemeinden am Markt teil und können einen großen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen nehmen. Wenn es um die Ausstattung der Verwaltungen mit IT-Geräten geht, hat der Staat beachtliche Nachfragemacht. Dies gilt auch im Textilsektor, etwa bei Polizeiuniformen und anderer Dienstkleidung. Nicht zu vergessen sind Natursteine, die als Belag für Plätze und Fußgängerzonen Verwendung finden – sie können aus Steinbrüchen in Indien stammen, wo sie von Kindersklaven mit Hammer und Meißel vorbehandelt werden.
Als erstes Land hat Hamburg Anfang 2009 in sein Vergabegesetz die Regelung eingefügt: Bei der Vergabe von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen ist darauf hinzuwirken, dass keine Waren Gegenstand der Leistung sind, die unter Missachtung der in den ILO-Kernarbeitsnormen (International Labour Organization) festgelegten Mindeststandards gewonnen oder hergestellt worden sind. Alle Unternehmen, die sich an öffentlichen Ausschreibungen bestimmter „kritischer“ Produkte (z.B. Textilien) beteiligen, müssen als besondere Vertragsbedingung akzeptieren, dass sie für die Einhaltung der Kernarbeitsnormen in ihrer Lieferkette einstehen müssen.
Fast alle Deutschen Länder sind seither mit ähnlichen gesetzlichen Regelungen oder Verwaltungsvorschriften gefolgt. Juristische Rückendeckung bekommen sie vom Vergaberecht der EU, das sich schrittweise sozialen und ökologischen Anliegen bei der öffentlichen Beschaffung geöffnet hat. In der Anwendung der Vorschriften bleibt die Schwierigkeit, die Nachweise für die Einhaltung der ILO-Standards zu erbringen, wenn es keine produktspezifischen Gütezeichen („Sozialsiegel“) mit geprüften Kriterien gibt. Derzeit läuft, beraten durch die Nichtregierungsorganisation WEED (World Economy, Ecology & Development), ein entsprechendes Pilotprojekt der Länder Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein, die über den gemeinsamen Dienstleister Dataport einen Großauftrag für IT-Hardware vergeben haben.