Iran ist die drittgrößte Handelszone in Nahost und Nordafrika. Auf europäischer Seite ist Deutschland der bedeutendste Handelspartner. Die internationalen Beziehungen zu dem Land, dessen Bevölkerungszahl in etwa der Deutschlands entspricht, wurden in der Vergangenheit von einem umfassenden Handelsembargo geprägt.
Seit dem 16. Januar 2016, dem sogenannten "Implementation Day", an dem das Embargo gelockert wurde, sind die Erwartungen an wachsende internationale Kooperationen gestiegen. Das betrifft die Erwartungen der iranischen Seite ebenso wie die der europäischen Seite.
Seit Anfang 2016 gibt es eine umfangreiche Reisetätigkeit vor allem aus Europa nach Iran. Zahlreiche Wirtschaftsdelegationen loten das Handelspotenzial aus und bemühen sich um den Aufbau von Kooperationen. Die tatsächlichen Erfolge scheinen derzeit überschaubar zu sein, da immer noch Restriktionen vorhanden sind.
Bildungsmaßnahmen mit Zertifikat aus Deutschland gefragt
Bildung genießt in Iran einen hohen Stellenwert. Allerdings ist das Ansehen der akademischen Bildung bis heute höher als das beruflicher Bildung, weshalb das Arbeitskräfteangebot in Iran einen überproportional hohen Anteil an Akademikerinnen und Akademikern aufweist.
Im Bereich ihrer Aus- und Weiterbildung sind diese sehr darauf bedacht, dass sie am Ende einen Abschluss oder ein Zertifikat einer auch in Deutschland angesehenen und anerkannten Institution oder Organisation erhalten.
Hierauf sollte beim Marketing deutscher Bildungsangebote eingegangen werden, auch wenn die meisten dieser Abschlüsse in Deutschland nicht automatisch anerkannt sind.
Nichtsdestoweniger lässt sich in dieser traditionellen Präferenz für eine akademische Ausbildung seit den 1990er-Jahren dank verschiedener Maßnahmen – wie der qualitativen Aufwertung von Ausbildungslehrgängen – ein Wandel erkennen. Berufliche Aus- und Weiterbildung gewinnt an Ansehen und wird inzwischen für viele Schülerinnen und Schüler zunehmend eine Alternative zur akademischen Laufbahn.
Die Stärkung und Verbesserung der Berufsbildung in Iran ist auch Gegenstand des aktuellen Gesetzesentwurfs des iranischen Parlaments mit dem Titel "Comprehensive Technical and Vocational Education and Training and Skill System" (CTVETSS). Dieser Entwurf soll berufliche Aus- und Weiterbildung landesweit vereinheitlichen, indem er einen Nationalen Qualifikationsrahmen einführt, der sich an dem Klassifikationssystem für Berufe der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization) ILO 2008 orientiert.
Eine Konzeption von beruflicher Bildung entlang dieser Standards ist deshalb empfehlenswert.
Bedarfe und Herausforderungen im iranischen Berufsbildungsmarkt
Zur Erstellung der Studie wurden mündliche Interviews mit deutschen Expertinnen und Experten sowie Bildungsanbietern durchgeführt, um genauere Einblicke in die derzeitigen Bedarfe und Herausforderungen im iranischen Berufsbildungsmarkt zu erlangen.
Hierbei schätzen die Befragten auf deutscher Seite Iran als künftig bedeutenden Markt mit Expansionspotenzial ein.
Deutsche Unternehmen, die in Iran tätig werden, bemängeln vor allem den unzureichenden Zugang zu qualifizierten Fachkräften. Als Ursache wurde genannt, dass beispielsweise die technische Berufsbildung in Iran nicht dem aktuellen und geforderten Stand entspricht. Auch vermissen deutsche Unternehmen bei iranischen Fachkräften häufig die Praxiserfahrung, die deutsche Fachkräfte bereits aus ihrer Ausbildung mitbringen.
Auf Seite iranischer Unternehmen sind vor allem Aus- und Weiterbildungen gefragt, die den Unternehmen bei der Modernisierung und auch Internationalisierung helfen – sowohl auf Managementebene als auch auf Fachkraftebene.
Potenzielle Kundengruppen sind hier die Automobilindustrie, die Erdöl- und Gasindustrie, die Energiewirtschaft und Erneuerbare Energien, die Hightech Industrie, das Baugewerbe und der Bankensektor. An diesen Punkten können deutsche Bildungsanbieter anknüpfen.
Iranische Führungskräfte sind daran interessiert, Rückstände in der technologischen Entwicklung aufzuholen. Damit verbunden sind auch veränderte Anforderungen an das Bildungswesen. Gerade in der beruflichen Bildung litten die Bildungseinrichtungen darunter, keine neue Technik importieren zu können.
Moderne Ausbildungswerkstätten sind für die zukünftig höheren Praxisanforderungen auf allen Bildungsebenen erforderlich. Zugleich müssen die Ausbildungsprogramme an die neuen Erfordernisse angepasst und Lehrkräfte qualifiziert werden. Jedoch erschweren die verschiedenen Akteure in der iranischen beruflichen Bildung, die unterschiedlichen mit Bildung befassten Ministerien unterstellt sind, ein gemeinsames Vorgehen.
Zu den größten Herausforderungen in Iran zählt nach Angabe der Expertinnen und Experten vor allem die Finanzierung. Der freie Fluss von Kapital nach und aus Iran gestaltet sich trotz gelockerter Sanktionen noch immer schwierig. Hierdurch werden internationale Investitionen in Großprojekte, die häufig Aus- und Weiterbildungsbedarf von Personal nach sich ziehen, erschwert. Auch die Finanzkraft der Bevölkerung stellt eine Herausforderung dar.
Besonders großer Bedarf an Aus- und Weiterbildung besteht bei iranischen Fachkräften. Deren Gehälter sind jedoch häufig zu niedrig, um sich eine Ausbildung, die zumindest teilweise im Ausland stattfindet, leisten zu können. Deshalb bieten sich hier Aus- und Weiterbildungsangebote an, die vor Ort in Iran durchgeführt werden können und Train-the-Trainer Konzepte.
Von deutscher Seite wurde zudem die Sprachbarriere als nicht unwesentliche Hürde identifiziert, die es beim Markteintritt zu überwinden gilt. Viele Ausbildungen werden bisher nur auf akademischem Niveau angeboten, da hier Englischkenntnisse vorhanden sind.
Doch gerade im Bereich der Fachkräfte fehlen diese Englischkenntnisse oft, wodurch es zu Kommunikationsschwierigkeiten kommt. Hier ist es von Vorteil, Ausbildungsgänge in Farsi anbieten zu können.
Hoher Modernisierungsbedarf erfordert hochwertige berufliche Bildung
Insgesamt ist festzuhalten, dass der Iran vor einem sanktionsbedingten enormen Modernisierungsbedarf steht, der ohne qualitativ hochwertige Bildungsangebote nicht auskommt.
Hiermit ergeben sich zumindest mittelfristig gute Chancen für die deutsche Bildungswirtschaft, der nur zu empfehlen ist, bereits jetzt die Fühler auszustrecken, Kontakte und Netzwerke zu knüpfen und lokale Repräsentanten aufzubauen.
Noch sind angelsächsische Anbieter kaum präsent und deutsche Bildungsangebote genießen einen hervorragenden Ruf. Dabei liegt der iranische Fokus auf einer höheren Praxisorientierung in der Ausbildung, ohne dass damit derzeit schon duale Ansätze gemeint sind.