Siemens will in Zusammenarbeit mit den Kunden in den USA Strom näher an den Verbrauchern erzeugen und mehr dezentrale Energiequellen in das Netz einbinden. Viele große Energieverbraucher – Militärbasen, Universitäten und Gewerbeparks – wollen künftig auf eine lokale Energieinfrastruktur und -erzeugung setzen. Mit ihrer Investition in ein solches Projekt sichern sie sich eine lokale Energieversorgung. Diese können sie unabhängig von einem Energieversorger steuern. Die Gestaltung eines sogenannten Microgrids und die Steuerung durch Softwarelösungen optimieren nicht nur die bestehende Energieinfrastruktur, sondern auch die Erzeugung von erneuerbaren Energien. Die Integration in die bereits bestehende Konfiguration ist dabei problemlos möglich. Darüber hinaus kann die Infrastruktur bei einem späteren Netzausbau erweitert werden.
Im Rahmen des Programms des Bundesstaats New York zur Förderung von Microgrids hat Siemens den Zuschlag für 17 Projekte erhalten. Ein Beweis für das Engagement des Unternehmens, die dezentrale Energieerzeugung und die Entwicklung von Microgrids voranzutreiben. Dafür hat Gouverneur Cuomo über 30 Millionen US-Dollar für Microgrid-Projekte zur Erhöhung der Versorgungssicherheit im gesamten Bundesstaat New York zur Verfügung gestellt.
Mit dem Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton und dem Softwareunternehmen Power Analytics untersucht Siemens in der ersten Phase des Projekts die technische und wirtschaftliche Machbarkeit von Microgrids. Ziel der Untersuchung: Intelligente Stromverteilnetze als sauberere, zuverlässigere und erschwinglichere Energieversorgung für Gemeinden.
Microgrids sind flexibler und einfacher zu regeln
Das Stromnetz in den USA ist zum Teil fast 100 Jahre alt. Es erstreckt sich auf rund 10,6 Millionen Kilometer – mehr als die fünffache Länge des deutschen Stromnetzes. Die Überwachung und Stabilisierung großer Netze ist teuer und extrem aufwendig, die Kosten dafür trägt letztlich der Stromkunde. Abgekapselte Microgrids sind flexibler und einfacher zu regeln, weil sie von Schwankungen in größeren, benachbarten Netzen nicht beeinträchtigt werden.
Das Programm, mit dem die Behörde für Energieforschung und Entwicklung des Bundesstaats New York (NYSERDA) lokale Microgrids fördert, besteht aus drei Phasen: Machbarkeitsstudien, Detailplanung und Projektumsetzung.
In der ersten Phase sollen die technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Microgrid-Lösung bewertet werden. Die Studie wird optimale Stromerzeugungsquellen und Stromkapazitäten vorschlagen und den Modernisierungsbedarf des Netzes ermitteln. Außerdem wird sie die Rolle des Energieversorgers beschreiben und die Kosten für die Microgrid-Lösung berechnen. Durch die Nähe zwischen Energieerzeugungsanlagen und Verbrauchern wird das Programm die Versorgungssicherheit erhöhen. Zudem wird es dezentrale Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien (z. B. Photovoltaik- und Biogasanlagen) in Microgrids einbinden und optimal steuern. Dadurch steigt der Anteil erneuerbarer Energien im Netz. Die Machbarkeitsstudien und damit die erste Phase des Programms sollen im ersten Quartal 2016 abgeschlossen sein.
Intelligente Microgrids für jede Gemeinde
Im Herbst 2016 wird auch ein Microgrid in einem Indianerreservat in Betrieb gehen. Es entsteht derzeit im Blue Lake Rancheria im US-Bundesstaat Kalifornien zusammen mit dem Schatz Energieforschungszentrum der kalifornischen Humboldt State University und dem lokalen Energieunternehmen Pacific Gas & Electric. Hier werden bald Gebäude innerhalb des Reservats, unter anderem ein Hotel, ein Kasino sowie eine Notaufnahmeeinrichtung des Roten Kreuzes, auf einer Fläche von 0,4 Quadratkilometern mit Strom versorgt.
Um dabei umweltfreundlichen Strom erzeugen zu können, werden eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 0,5 Megawatt (MW), eine Biomasseanlage, Dieselgeneratoren und ein Batteriespeichersystem mit einem Arbeitsvermögen von 950 Kilowattstunden (kWh) eingebunden. Das Besondere: Die Photvoltaikanlage ist die größte in Humboldt Country Kalifornien, mit der voraussichtlich rund 150 Tonnen CO2 im Jahr eingespart werden können.
Die Spectrum Power Microgridmanagement Software von Siemens steuert und verwaltet die Systemarchitektur der elektrischen und thermischen Energieversorgung für das Microgrid im Indianerreservat. Dabei beachtet das Unternehmen die unterschiedlichen Bedürfnisse und speziellen Anforderungen des Standorts, wie beispielsweise die geographische Lage oder die Höhe der Lasten. Die Systemarchitektur wird die Erzeugung erneuerbarer Energien und die hochmoderne Steuerung der Komponenten der elektrischen Infrastruktur unterstützen.
Personal muss nicht sieben Tage pro Woche rund um die Uhr vor Ort sein
Ein Vorteil der Software: Das Microgrid kann ohne Personal rund um die Uhr betrieben werden. Die gesamte Infrastruktur (Erzeugungs- und Netzkomponenten) innerhalb des Microgrids wird dabei nämlich über die SCADA-Plattform der Software (ein Computer-System, das alle Daten schnell und in Echtzeit gebündelt speichert, kommuniziert und zur Verfügung stellt) überwacht und gesteuert. Kurz gesagt: Das Netzleitsystem übernimmt die Steuerung und optimiert das Energiemanagement des Microgrids. Hochmoderne Steuerungsfunktionalitäten wie Wetter- und Lastprognosen berechnen die Stromerzeugung und den Stromverbrauch im Voraus. Das ermöglicht ein optimales Ausbalancieren der Systeme mit dem Ziel, die Kosten oder die Emissionen zu senken.
Die Microgrid-Software von Siemens bietet eine flexible und skalierbare Plattform für die effiziente und dynamische Steuerung von dezentralen Energieerzeugungsanlagen und Speichern. Dank dieser Software kann das System schnell auf Störfälle reagieren und mit dem lokalen Energieversorger kommunizieren. Das verringert die Gefahr von Stromausfällen im Reservat.
Eine solche hochmoderne Steuerung ist wichtig, da es durch den immer höheren Anteil von erneuerbaren Energien aus Wind- und Solarkraft in den Stromnetzen zunehmend zu Schwankungen kommt und die Kosten für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit steigen. Ein weiterer Faktor ist auch die Zunahme der so genannten „Prosumer“ im Netz. Das sind Gebäude oder Elektroautos, die einerseits Verbraucher sind, andererseits auch Strom abgeben können und als dezentrale Einheiten in das Netz eingebunden werden müssen. Siemens entwickelt dafür Microgrids. So lässt sich auch bei immer komplexeren Strukturen Energie effizient übertragen und verteilen.
Kontakt:
Herr Dr Norbert Aschenbrenner
Redaktion Siemens AG
E-Mail: norbert.aschenbrenner(at)siemens.com