Im Mai 2014 ereignete sich im türkischen Soma ein schweres Grubenunglück, bei dem mehr als 300 Bergleute ums Leben kamen. Welche Ursachen es dafür gab, hat eine Forschergruppe an der Bogazici-Universität in Istanbul untersucht. Wie sich solche Katastrophen verhindern lassen, wollen die türkischen Ingenieurwissenschaftler künftig gemeinsam mit Experten der Technischen Fachhochschule Georg Agricola (TFH) ergründen. Bei einem zweitägigen Meeting an der TFH in Bochum erörterten Vertreter beider Hochschulen am 11. und 12. Juni Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Die Gespräche waren auf Initiative der nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerin Svenja Schulze zustande gekommen, die bei einem Türkeibesuch die Zusammenarbeit beider Hochschulen angeregt hatte.
„The Disaster that is known to happen” („Die Katastrophe, die man kommen sieht”) lautet der Titel des Untersuchungsberichts zum Grubenunglück in Soma, den die Bogazici-Universität in diesem Jahr herausgegeben hat. Frau Prof. Dr. Ferhan Cecen, Frau Prof. Dr. Aysin Baytan Ertüzün und Ass. Prof. Dr. Nuri Ersoy, die den Bericht mit verfasst haben, gaben ihren Bochumer Fachkollegen einen Einblick in ihre Forschungsarbeit. Mangelhafte Sicherheitsstandards, eine lückenhafte Überwachung und die unzureichende technische Ausrüstung seien wesentliche Gründe dafür, dass in dem untertägigen Braunkohlebergwerk ein fataler Brand ausgebrochen sei und viele der Opfer nicht rechtzeitig hätten evakuiert werden können. Die Geotechnikingenieurin Dr. Tansel Dogan von der TFH, die sich unmittelbar nach dem Unglück in Soma selbst ein Bild von der Situation gemacht hatte, bestätigte diese Erkenntnisse.
„Wir möchten gerne dazu beitragen, dass sich solche Unglücke nicht wiederholen, indem wir die Ursachen erforschen, neue Sicherheitsmaßnahmen und Empfehlungen entwickeln.“, sagte Professor Ersoy. TFH-Vizepräsident Prof. Dr. Christoph Dauber bot die Unterstützung der TFH an, zu deren Schwerpunkten die Forschung und Entwicklung im Bereich Bergbautechnik und -sicherheit zählt: „Es wäre uns eine Ehre, in diesem herausfordernden Prozess mit der Bogazici-Universität zusammenzuarbeiten.“ Die Entwicklung von untertägigen Sensor- und Kommunikationssystemen, eine vergleichende Studie über Umwelt-, Arbeitssicherheits- und Gesundheitsschutz-Vorschriften in Deutschland und der Türkei sowie die Erarbeitung von Handbüchern und Schulungen für Bergarbeiter und Ingenieure sahen beide Seiten als mögliche Themen für gemeinsame Projekte. Über das Thema Arbeitssicherheit hinaus sehen beide Seiten Anknüpfungspunkte auch in den Bereichen Maschinenbau, Umwelttechnik, Nachbergbau und Energiegewinnung.
Die türkischen Gäste informierten sich zudem bei einem Campusrundgang auch über die Schwerpunkte der TFH im Bereich Nachbergbau, den Prof. Dr. Frank Otto vorstellte, und in der Elektro- und Informationstechnik, die Vizepräsident Prof. Dr. Reinhard Schröder vertrat. Mit Wissenschaftlern der TFH besuchten die Istanbuler die Hauptstelle für das Grubenrettungswesen der RAG am Standort Zeche Pluto inHerne, die Halden Rheinelbe und Graf Moltke sowie das Deutsche Bergbau-Museum.
Die TFH Georg Agricola kooperiert bereits mit einer Vielzahl von Hochschulen weltweit, mit einem Schwerpunkt auf Bergbau und Rohstoffgewinnung. Bisherige Partnerhochschulen der TFH in der Türkei sind die Universität Istanbul, die Bülent Ecevit Universität Zonguldak und die Celal Bayar Universität Manisa.