Mit dem Erscheinen und der Übergabe der ersten englischsprachigen Bände geht die bislang umfassendste und repräsentativste Sammlung und wissenschaftliche Aufarbeitung von Dokumenten zur Judenverfolgung und -ermordung durch das nationalsozialistische Deutschland in eine neue Phase: Die deutschsprachige Version wird bereits seit 2004 von der DFG gefördert; sie ist auf 16 Bände angelegt, von denen bislang zwölf erschienen sind, und soll im kommenden Jahr abgeschlossen werden.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Holocaust-Dokumentensammlung in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: Die meisten Dokumente werden hier zum ersten Mal erschlossen und zugänglich gemacht; zudem führt sie viele zwar bereits bekannte, aber bislang nur verstreut publizierte Zeugnisse zusammen. Die Auswahl der Dokumente konzentriert sich dabei nicht auf die Täterseite, sondern widmet sich zu einem großen Teil den Opfern. Schließlich wird der Holocaust in seiner gesamten geografischen Ausdehnung erfasst und abgebildet, nicht zuletzt in den Ländern Ost- und Südosteuropas.
Getragen wird das Projekt von drei wissenschaftlichen Einrichtungen, dem Lehrstuhl Prof. Dr. Ulrich Herbert für Neuere und Neueste Geschichte der Universität Freiburg, dem Institut für Zeitgeschichte München-Berlin sowie dem Bundesarchiv. Die DFG fördert die Edition als eines ihrer Langfristvorhaben, mit denen in der geistes- und sozialwissenschaftlichen Grundlagenforschung Einzelprojekte über einen längeren Zeitraum als in der Einzelförderung realisiert werden können.
Über die Beiträge zur Forschung hinaus war es den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von Beginn an ein besonderes Anliegen, die Dokumente der Judenverfolgung und -ermordung auch einem größeren Publikum nahezubringen, etwa durch öffentliche Lesungen und Vortragsveranstaltungen. Breite Resonanz fand eine gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk und dem Institut für Zeitgeschichte produzierte Sendereihe mit dem Titel „Die Quellen sprechen“. Darin wurden zwischen 2013 und 2017 in 16 Folgen mehrere Hundert Briefe, Tagebucheinträge, Verordnungen, Befehle, Zeitungsberichte und andere Texte von Zeitzeugen und Schauspielern vorgetragen.
Die mit den jetzt vorliegenden ersten Bänden gestartete englischsprachige Dokumentensammlung folgt einer Anregung eines gemeinsamen Workshops von israelischen und deutschen Historikerinnen und Historikern, der 2011 ebenfalls in Yad Vashem stattfand, und zahlreichen Stimmen aus der internationalen Fachöffentlichkeit. Wie die deutsche ist auch die englische Version auf 16 Bände angelegt. Dabei werden mehrere Tausend Dokumente aus ihren insgesamt etwa 20 Originalsprachen ins Englische übersetzt. Auch dies verfolgt das Ziel, die Stimmen von Opfern, Tätern und Beobachtern für den gesamten Verlauf und in der gesamten geografischen Ausdehnung des Holocaust „zum Sprechen zu bringen“. Die englischsprachige Ausgabe wird in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Institut für Holocaust-Forschung von Yad Vashem erarbeitet und von einem internationalen Beirat begleitet. Darüber hinaus ist auch eine hebräische Teilausgabe in Vorbereitung.
Die Übergabe ist eingebettet in ein Symposium, zu dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Israel, Deutschland, Österreich, Großbritannien und den USA im „World Holocaust Remembrance Center Yad Vashem“ zusammenkommen. Das öffentliche Symposium am 6. Juni, in dessen Rahmen die Auftaktbände vorgestellt werden, eröffnen der Vorsitzende des Yad-Vashem-Direktorats, Avner Shalev, und die Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Israel, Dr. Susanne Wasum-Rainer. Die DFG-Delegation wird geleitet von Vizepräsidentin Prof. Dr. Julika Griem, die auch gemeinsam mit den jeweiligen Herausgeberinnen und Herausgebern die beiden ersten englischsprachigen Bände und die bislang erschienenen Bände der deutschsprachigen Ausgabe überreichen wird.