Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden vier der sieben hochseetauglichen Forschungsschiffe für die Meeres- und Polarforschung aus Altersgründen außer Dienst gestellt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hatte deshalb den Wissenschaftsrat gebeten, eine Stellungnahme zur Gesamtkonzeption der deutschen Forschungsflotte in den nächsten Dekaden zu erarbeiten und Empfehlungen für Bau und Betrieb der Forschungsschiffe abzugeben.
Der globale Klimawandel ist eine der großen Herausforderungen („global challenges“) des 21. Jahrhunderts, bei deren Bewältigung der Meeres- und Polarforschung eine zentrale Rolle zukommt. Der Wissenschaftsrat hält es für dringend erforderlich, dass sich Deutschland als eines der wirtschafts- und wissenschaftsstarken Länder mit seiner Polarforschung federführend an der Erforschung der für diese Entwicklung verantwortlichen Prozesse beteiligt. Konkret empfiehlt der Wissenschaftsrat, über einen begrenzten Zeitraum zeitgleich zwei Eis brechende Forschungsschiffe zu betreiben, um bipolar, das heißt sowohl in der Arktis als auch der Antarktis, ganzjährig forschen zu können. Dazu sollte ab 2016 ein neues Eis brechendes Forschungsschiff verfügbar sein und zugleich, zeitlich begrenzt über drei bis fünf Jahre, die Laufzeit der „Polarstern“ verlängert werden. Der Betrieb der „Polarstern“ während der Laufzeitverlängerung sollte nach Möglichkeit gemeinsam mit europäischen Partnern finanziert werden: Deutschland würde eine Forschungsplattform bereitstellen, an deren Unterhalt sich die in der marinen Arktisforschung aktiven europäischen Länder beteiligen könnten. Dies würde die Position der europäischen Meeres- und Polarforschung sichtbar stärken.
Effizienter genutzt werden sollten die sogenannten „mittelgroßen“ Forschungsschiffe, die vorwiegend in den europäischen Schelf- und Randmeeren, insbesondere der Nord- und Ostsee, eingesetzt werden. Nach Auffassung des Wissenschaftsrates sollte kritisch geprüft werden, ob Schiffskapazitäten in diesem Segment künftig reduziert werden können. Das Vorgehen in der Frage, welches Schiff gegebenenfalls nicht ersetzt wird beziehungsweise außer Fahrt geht, ist an die Entscheidung über die „Poseidon“ als dem nächsten zum Ersatz anstehenden Forschungsschiff zu koppeln und ist unter Berücksichtigung des Kapazitätsbedarfs für die universitäre Lehre und Nachwuchsförderung sowie einer überregionalen, europäisch integrierten Küstenforschung zu treffen.
Da sich die Anforderungsprofile der Forschungsschiffe, die weltweit und ozeanisch zum Einsatz kommen, ähneln, hält es der Wissenschaftsrat für sinnvoll, künftig die Einsätze dieser Schiffe in einer Begutachtungs- sowie einer Planungsgruppe gemeinsam zu organisieren. Die Anträge auf Schiffszeit sollten von der DFG-Senatskommission für Ozeanographie in einem wettbewerbsgeleiteten und transparenten Verfahren vergeben werden. Die Einsatzplanung sollte von der existierenden „Leitstelle“ an der Universität Hamburg, die entsprechend personell ausgestattet werden sollte, weitergeführt werden. Die Einsatzplanung für „Polarstern“ beziehungsweise von zwei Eis brechenden Forschungsschiffen sollte wegen der besonderen logistischen Aufgaben beim Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven bleiben. Zusätzlich empfiehlt der Wissenschaftsrat, eine „Leitstelle für Unterwassertechnologie“ zur Koordinierung der seegängigen Großgeräte in einem gemeinsamen Nutzerpool zu gründen. Sie sollte an einem meereskundlichen Institut angesiedelt sein und von einem wissenschaftlich-technischem Team geleitet werden.
Für diese Empfehlungen hat der Wissenschaftsrat erstmals eine Analyse der deutschen Meeres- und Polarforschung im internationalen Vergleich durchgeführt. Dabei wurde deutlich, dass eine international vergleichende sowie alle Gebiete der Meeresforschung umfassende Untersuchung nützlich für eine mit weitem Zeithorizont über Länder- und Ressortgrenzen hinaus koordinierte, transparente Planung von Forschungsinfrastrukturen ist.