Das chinesische Bildungsministerium hat Zahlen zu den ausländischen Studierenden an chinesischen Hochschulen im Jahr 2015 bekannt gegeben. Danach studierten 2015 insgesamt 397.635 ausländische Studenten aus 202 Ländern in China. Ein neuer Rekord. Gegenüber dem Vorjahr nahm die Zahl der ausländischen Studierenden um 20.581 zu, was einem Anstieg von 5,46% entspricht.
Der Fortsetzung des insgesamt positiven Trends ausländischer studentischer Mobilität nach China steht bei einer Betrachtung der wichtigsten Herkunftsländer ein gemischtes Bild gegenüber. Tabelle 1 gibt die Zahlen ausländischer Studierender aus den 13 wichtigsten Herkunftsländern für die Jahre 2014 und 2015.
Nur vier der dreizehn wichtigsten Herkunftsländer – Südkorea, Indien, Pakistan und Kasachstan – verzeichnen steigende Zahlen. Aus den restlichen neun Herkunftsländern ging der Studierendenstrom nach China 2015 hingegen zurück.
Mit mehr als 66.000 Studierenden und einem Wachstum von 6% gegenüber dem Vorjahr, setzt sich Südkorea in der Statistik weiter von den nächstplatzierten Herkunftsländern ab.
Indien ist der Shootingstar des Jahres: Mit einem Zuwachs um 22,9% auf 16.694 Studierende verdrängt es Russland vom vierten Rang der Statistik.
Auch Pakistan weist mit einer Zunahme der Studierendenzahl um 17,2% eine sehr hohe Wachstumsrate auf und landet hinter Russland auf Platz 6.
Kasachstan schiebt sich mit einem Zuwachs um 12,2% und 13.198 Studierenden an Indonesien vorbei auf den achten Platz.
Aus der Verteilung ausländischer Studierender in China nach Herkunftskontinenten geht hervor, dass Afrika ebenfalls ein starkes Wachstum zu verzeichnen hatte. Die Zahl von Studierenden aus afrikanischen Heimatländern nahm 2015 um knapp 20% auf zusammen 49.792 Studierende kräftig zu.
Unter den Ländern, aus denen 2015 weniger Studierende nach China kamen, sind etliche Länder Ost- und Südostasiens – Thailand, Japan, Indonesien, Vietnam und die Mongolei – aber auch westliche Länder – USA, Frankreich, Deutschland – sowie Russland. Aus der Statistik nach Herkunftskontinenten geht hervor, dass auch die Zahl der Studierenden aus Ozeanien rückläufig war (-4,19% gegenüber 2014).
Die Zahl der Studierenden aus den USA nahm um 9,2% auf 21.975 ab; es ist der zweite Rückgang in Folge – und dies trotz großer bilateraler Anstrengungen der USA und Chinas, die Zahl amerikanischer Studierender in China zu erhöhen.
Aus Deutschland wurden 2015 insgesamt 7.536 Studierende gezählt, das sind 657 Studierende bzw. 8 % weniger als im Vorjahr.
Wie ist die Entwicklung der Zahlen ausländischer Studierender in China zu bewerten?
Es ist davon auszugehen, dass die Gründe für die Zu- oder Abnahme des Stroms ausländischer Studierender nach China von Land zu Land durchaus unterschiedlich sein können. Auf der Makroebene ist festzustellen, dass für viele der zahlenmäßig wichtigen Herkunftsländer die Zeit des schnellen Wachstums vorbei ist, das für das letzte Jahrzehnt charakteristisch war.
Um das Ziel der chinesischen Regierung zu erreichen, die Zahl ausländischer Studierender bis zum Jahr 2020 auf 500.000 zu steigern, wird es weiter einer aktiven auf Rekrutierung ausgerichteten Politik bedürfen. Rein rechnerisch ist ein jährliches Wachstum von 5% aber ausreichend, um das Ziel bis 2020 zu erreichen.
Im Fall Deutschlands dürfte der Rückgang der Studierendenzahl mit einer Reihe unterschiedlicher Faktoren zusammen hängen. Zunächst ist festzustellen, dass der Rückgang der Mobilität nach China gegen den Gesamttrend erfolgt, denn die auslandsbezogene Mobilität deutscher Studierender hat insgesamt weiter zugenommen. Festzustellen ist ferner, dass die offiziellen politischen Beziehungen zwischen Deutschland und China auf einem Allzeithoch sind und dass es wiederholt Anstrengungen beider Regierungen gab und gibt, den bilateralen Austausch auszubauen. Der Rückgang der Mobilität deutscher Studierender nach China dürfte daher – anders als bei einzelnen anderen Ländern – nicht als Kollateralschaden der „großen Politik“ anzusehen sein.
Wie aus wiederkehrenden internationalen Untersuchungen bekannt ist, hat China in Deutschland ein deutliches Imageproblem, das eine Rolle bei der Wahl oder Nicht-Wahl Chinas als Zielland für ein Auslandsstudium spielen mag.
Ganz sicher hat die weltweite wiederholte Berichterstattung über Luftverschmutzung und Umweltbelastung in Peking und anderen chinesischen Großstädten einen negativen Einfluss auf die chinabezogene Mobilität.
Für alle Studierenden, die ihren Auslandsaufenthalt primär selbst finanzieren müssen, spielt auch eine Rolle, dass China anders als noch vor zehn Jahren, nicht mehr zu den „billigen Zielländern“ für ein Auslandsstudium gezählt werden kann.
Neben diesen allgemeinen, eher unspezifischen Faktoren spielen vermutlich auch spezifische Gründe eine Rolle. Die chinesische Regierung hat in den letzten Jahren eine Reihe von ausländerrechtlichen Bestimmungen verschärft und damit neue Mobilitätshindernisse geschaffen. Dies betrifft insbesondere den für deutsche Studierende wichtigen Bereich von Praktika sowie den Zugang junger Hochschulabsolventen zum Arbeitsmarkt in China.
Anders als noch vor einigen Jahren, sind Praktika ausländischer Studierender in China heute infolge verschärfter chinesischer Bestimmungen eine Seltenheit. Deutsche Studierende, die für ein Praktikum nach China kommen möchten, erhalten kein Einreisevisum. Deutsche Studierende, die an einer chinesischen Hochschule zum Studium eingeschrieben sind und die neben ihrem Studium oder z.B. nach Semesterende ein Praktikum machen möchten, werden in vielen Fällen massiv behindert; die chinesische Universität und/oder die lokale Ausländerbehörde verweigern die für die Durchführung eines Praktikums erforderliche Zustimmung/Genehmigung. Jedes Jahr brechen einige deutsche Studierende ihren Aufenthalt in China vorzeitig ab, da sie das von ihnen geplante Praktikum nicht durchführen können. Angesichts dieses Risikos, solche Pläne nicht umsetzten zu können, weichen Studierende deutscher Fachhochschulen, die in China auch ein (Pflicht-) Praxissemester absolvieren möchten, zunehmend auf andere Zielländer aus.
Bemerkbar macht sich auch der erschwerte Zugang junger Hochschulabsolventen zum chinesischen Arbeitsmarkt. Seit einigen Jahren werden als Voraussetzung für die Erteilung eines Arbeitsvisums zwei Jahre Berufserfahrung verlangt – Jobs oder Praktika werden nicht gezählt. Hochschulabsolventen ohne Berufserfahrung werden als nicht ausreichend qualifiziert betrachtet, um in China arbeiten zu dürfen.
Dabei sind es deutsche Studierende der Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften, die sich neben SinologInnen in großer Zahl für ein Studium in China interessieren – beides auch Fachgebiete mit einer besonders ausgeprägten Praktikumskultur. Für diese Studierenden spielen potentielle Arbeitsmöglichkeiten im Bereich der deutsch-chinesischen Wirtschaft und der mögliche Berufseinstieg in China durchaus eine Rolle bei der Motivation nach China zu kommen und Chinesisch zu lernen. Wenn der Weg in den Arbeitsmarkt verbaut ist und junge Berufstätige „nicht erwünscht“ sind, geht die Rechnung für sie nicht mehr auf und sie orientieren sich z.T. um.
Fazit: Die Attraktivität eines Studienstandorts hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab; das gilt für den Studienstandort Deutschland genauso wie für China. Die verschärften ausländerrechtlichen Bestimmungen in China gelten natürlich nicht nur für Deutsche, sondern für alle Ausländer.
„Schlechte Presse“ durch Rückkehrer aus China, die ihre Pläne nicht umsetzen konnten oder deren Hoffnung auf einen möglichen Berufsstart in China sich infolge neuer Bestimmungen zerschlagen, sprechen sich herum und wirken sich längerfristig negativ auf die Wahl Chinas für ein Auslandsstudium aus.
Weitere Auszüge aus der Statistik über ausländische Studierende in China 2015
- 40.600 ausländische Studierende – also ungefähr zehn Prozent der Gesamtzahl – bekam für das Studium in China auch eine Förderung der chinesischen Regierung (meist in Form eines Tuition Waivers). Die Geförderten kamen aus 182 Ländern.
- Die Liste der bei ausländischen Studierenden in China beliebtesten Großstädte bzw. Provinzen 2015 wird von Peking vor Shanghai angeführt. Auf den Plätzen drei und vier folgen die Provinzen Zhejiang (Hauptstadt: Hangzhou) und Jiangsu (Hauptstadt: Nanjing), die beide Shanghai benachbart sind; diese Provinzen sind auch wirtschaftlich sehr erfolgreich und investieren im großen Stil in den Ausbau des Bildungs- bzw. Hochschulsektors.
Auf Rang fünf folgt die 130 km südöstlich von Peking gelegene Hafenstadt Tianjin und die südchinesische Provinz Guangdong (Hauptstadt: Guangzhou) auf Platz sechs.
Mit Ausnahme der zentralchinesischen Provinz Hubei (Hauptstadt: Wuhan) liegen alle Top-10 Standorte an der Küste oder küstennah. - 46,47% aller ausländischen Studierenden, die 2015 in China studierten, kamen mit der Absicht, einen chinesischen Hochschulabschluss zu erwerben; das waren 12,41% mehr als 2014.
Von diesen strebten 71% einen Bachelor- an, 21% einen Masterabschluss und 8% einen Ph.D.
Die andere Hälfte der ausländischen Studierenden in China kam primär zum Erlernen der chinesischen Sprache nach China.