Im Spannungsfeld zwischen den lokalen Böden als Grundlage der Nahrungsmittelproduktion und dem Auftreten schwerer Krankheitsbilder versucht das Projekt anhand medizinischer und geowissenschaftlicher Untersuchungen die Ursachen zu definieren, die regionale Situation zu verbessern und die Erkenntnisse global anzuwenden.
Ausgehend von einer zunehmenden Zahl der Neuerkrankungen und Schwere von Rachitisfällen im Raum Kaduna/Zentralnigeria werden seit 2006 medizinische Forschungen durchgeführt. Erste Ergebnisse zeigen einen schweren Kalzium-Mangel als Hauptursache für die Erkrankung neben anderen Abweichungen wie z.B. im Selen-Spiegel der Probanden. Da Kalzium und Selen ausschließlich über die Nahrung und das Trinkwasser aufgenommen werden, erfassen (boden-)geographische Untersuchungen den Nährstoffgehalt in Böden der betroffenen Region. Kontakte zu Ernährungswissenschaftlern/innen schlagen die fachliche Brücke zwischen Boden/Landwirtschaft und dem menschlichen Stoffwechsel. Sozioökonomische Aspekte sind ebenfalls relevant, da vorwiegend die traditionell lebende ländliche Bevölkerung betroffen ist. Somit ist nur eine multidisziplinäre Annäherung an das Problem möglich.
Projekt und Ziele
Das Projekt betreibt Ursachenforschung und erfasst Daten in den Bereichen:
- Geographie/Bodengeographie: pflanzenverfügbare Stoffe im Boden; Degeneration und Regenerationspotential von Böden
- Landwirtschaft: Anbauprodukte, Anbaumethoden und Veränderungen der lokalen Landwirtschaft
- Ernährungswissenschaften: erste Kontakte in Bezug auf Nahrungsmittel und Zubereitungsart
- Medizin: Epidemiologie; Kalzium-Metabolismus und weitere Kennwerte; Entwicklung angepasster Operationsmethoden; Prophylaxe und Nachsorge.
Die Forschung wird in enger Kooperation mit Einrichtungen zur humanitären Hilfe durchgeführt. Dadurch besteht eine hohe Akzeptanz der Forschungsarbeiten bei der lokalen Bevölkerung.
Sowohl aus medizinischer wie auch aus geographischer Sicht weisen die bisherigen Forschungsergebnisse auf eine Verknüpfung mehrerer Faktoren hin, die zum massiven Anstieg der Rachitis-Fallzahlen und zur Schwere des Krankheitsbildes führen. Dazu gehören sowohl die naturräumlichen Gegebenheiten im Untersuchungsgebiet und die Veränderungen der sozioökonomischen Situation während der vergangenen vier Jahrzehnte, wie auch – möglicherweise genetisch bedingte – Charakteristika im (Kalzium-)Stoffwechsel der Patienten/innen. Die Zusammensetzung der Ergebnisse sowie künftige Forschungen zielen darauf ab, die Risikofaktoren für Rachitis genauer zu bestimmen. Dies dient als Grundlage für ein weltweites Monitoring - mit dem Ziel frühzeitig durch geeignete Vorbeugung einzugreifen.
Mehrwert der internationalen Zusammenarbeit
Die Sicherheitslage in beiden Partnerländern, Niger und Nigeria, hat sich seit 2011 verschlechtert, so dass derzeit Forschungen der deutschen Partner vor Ort kaum möglich sind. Glücklicherweise werden die Untersuchungen von den afrikanischen Partnern in wesentlichen Punkten weitergeführt. Damit wird die Datenlage kontinuierlich verbessert und das Bewusstsein der Eigenverantwortung in den Partnerländern steigt erkennbar. Da die Datenerhebung die Erfassung der soziökonomischen Verhältnisse, der Ernährungsgewohnheiten u.ä. einschließt, können „sensible“ Daten oft nur bei entsprechender Orts-, Kultur- und Sprachkenntnis erfragt werden. Die einheimischen Forschungspartner haben in allen diesen Punkten einen direkteren Zugang zu den originären Daten und verstehen sich häufig auch besser auf den „Rücktransport“ der gewonnen Erkenntnisse zur lokalen Bevölkerung.
Nachhaltiger Erfolg
Mithilfe der Ursachenforschung zur Problematik der Rachitis-Ausbreitung werden herausragende Problemfelder (Nährstoffverfügbarkeit im Boden, Regenerationspotential, medizinische Prophylaxe/Monitoring) definiert. Durch die enge Kooperation mit nigerianischen und nigrischen Partnern werden auch unter der aktuell angespannten Sicherheitslage vor Ort epidemiologische und geographische Daten erhoben und die Forschungen auf regionaler Ebene weitergeführt. Es ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse auch auf andere Regionen der wechselfeuchten und feuchten Tropen übertragbar sind, aus denen gleichfalls aktuell steigende Rachitis-Fallzahlen gemeldet werden (Haiti, Ghana, Bangladesh).
Kombiniert werden die Forschungen mit humanitärer Hilfe durch Partner vor Ort vor Ort, u.a. gefördert von Misereor und der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung, die auf ein ausgedehntes Netz zur Prophylaxe und Ernährungsberatung ausgerichtet sind und gleichzeitig lokale Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen.
Weitere Projektinformationen
Prof. Dr. Barbara Sponholz
Universität Würzburg, Inst. für Geographie und Geologie
Tel: +49-(0)931-3185535
E-Mail: barbara.sponholz(at)uni-wuerzburg.de