Fachliche Stärken des Forschungssystems: Südafrika
Übersicht
Die Zitation von wissenschaftlichen Publikationen im Vergleich zum Weltdurchschnitt kann erste Hinweise auf die Stärken eines Forschungssystems geben. Eine Analyse in dem 2019 erschienenen Weißbuch zeigt, dass Publikationen von Forschenden in Südafrika überdurchschnittlich häufig in der Weltraumforschung, der klinischen Medizin und der molekularen Biologie und Genetik zitiert werden. Unter dem Durchschnitt liegt Südafrika hingegen im Bereich der Materialwissenschaft (DST (2019): „White Paper on Science, Technology and Innovation”, S. 47). Im afrikanischen Vergleich liegt Südafrikas differenzierte, leistungsfähige Forschungslandschaft bei allen einschlägigen Indikatoren an der Spitze. Insbesondere in den Feldern, in denen Südafrika einen natürlich Standortvorteil besitzt, existiert exzellente Forschung, dazu gehören unter anderem Rohstoffe, einschließlich Verarbeitungsprozesse, Anthropologie, Radioastronomie und Biodiversität
Das White Paper legt die langfristige politische Ausrichtung der südafrikanischen Regierung im Zeitraum 2019 – 2028 fest. Die Umsetzung der im Weißbuch von vorgestellten Maßnahmen soll durch Zehnjahrespläne („decadel plans“) konkretisiert werden. Das Kabinett hat den Science, Technology and Innovation (STI) Decadal Plan im Jahr 2022 genehmigt. Der aktuell geltende Zehnjahreplan hat fünf thematische Schwerpunkte:
- Modernisierung der Landwirtschaft, des verarbeitenden Gewerbes und des Bergbaus;
- Erschließung neuer Wachstumsquellen, insbesondere der Digital- und Kreislaufwirtschaft;
- große Forschungs- und Innovationsprogramme in den Bereichen Gesundheit und Energie;
- Nutzung von STI zur Unterstützung eines fähigen Staates
- Bewältigung von drei großen gesellschaftlichen Herausforderungen, dem Klimawandel und ökologische Nachhaltigkeit, die Zukunft von Bildung, Kompetenzentwicklung und Arbeit sowie die Zukunft der Gesellschaft (s. hier).
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Energie
Südafrikas Wirtschaft hängt in Bezug auf Erzeugung und Verbrauch von Energien zu einem großen Anteil von fossilen Energien ab und gehört dadurch auch zu den großen Emittenten von CO2. Etwa 80 Prozent des südafrikanischen Energieverbrauchs wird durch einheimische Kohle abgedeckt. In Bezug auf Energietechnologien kommt dem Unternehmen Sasol („South African Synthetic Oil Limited“) eine herausragende Bedeutung zu. Das 1950 gegründete Unternehmen nutzt Verfahren bzw. entwickelt diese weiter, um Kohle und Erdgas mittels Kohlevergasung und Fischer-Tropsch-Synthese zu Benzin und Grundstoffen für die chemische Industrie zu verarbeiten. Die politische Öffnung Südafrikas hat Sasol erfolgreich genutzt um international neue Produktionsstandorte aufzubauen (u.a. in Nigeria, Katar, China, Usbekistan und Deutschland). Das Unternehmen Sasol ist auch in dem vom BMBF geförderten Projekt „Catalyst Research for Sustainable Kerosene“ (CARE-O-SENE) beteiligt. dessen Ziel die Entwicklung von grünem Kerosin (siehe unten) mit Hilfe verbesserter Katalysatoren ist (siehe unter Überblick zur Kooperation mit Deutschland).
Weiterhin betreibt Südafrika ein Kernkraftwerk mit einer regulären Laufzeit bis 2024. Die South African Nuclear Energy Corporation (NECSA) betreibt einen Forschungsreaktor (siehe „South Africa Year Book – Energy 2018/19“). Seit 2011 führt das South African National Energy Development Institute (SANEDI) FuE zu erneuerbaren Energien, Smart Grids und mehr Energieeffizienz durch. Eine führende Rolle spielt das Centre for Renewable and Sustainable Energy Studies (CRSES) an der Universität Stellenbosch, das gleichzeitig innerhalb der African Research University Alliance das Exzellenzzentrum für Energieforschung leitet („ARUA CoE: Energy“).
Südafrika ist von massiven Stromausfällen betroffen. Unter dem Eindruck der Klimakrise strebt Südafrika zudem einen Stopp der Kohlenutzung an. Das Ziel: Im Jahr 2030 sollen fossile Energieträger insgesamt nur noch einen Anteil von maximal 48 Prozent ausmachen, erneuerbare Energien dagegen einen Anteil von mindestens 38 Prozent. Hierfür und um die Stromausfälle zu kompensieren, muss das Land die Stromerzeugungskapazität erneuerbarer Energien allerdings noch deutlich hochschrauben. Auf der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen COP26 im Vereinten Königreich haben Länder aus der EU, Großbritannien und die USA zugesagt, Südafrikas Energiewende in den kommenden drei bis fünf Jahren mit bis zu 8,5 Milliarden US-Dollar (rund 8,2 Milliarden Euro) zu unterstützen. Deutschland will einen Beitrag von bis zu einer Milliarde US-Dollar (rund 970 Millionen Euro) leisten (Quelle: German Energy Solutions, siehe unter Kooperation mit Deutschland).
Aufgrund der landeseigenen bedeutenden Platinvorkommen engagiert sich Südafrika bereits seit 15 Jahren im Bereich Wasserstoff- und Brennstoffzellenforschung,- entwicklung und -innovation. Nach einer positiven Evaluierung der nationalen Strategie von 2007 („Hydrogen South Africa (HySA) wurde im Februar 2022 vom DSI ein Fahrplan zu Wasserstoffgesellschaft „Hydrogen Society Roadmap“ (HSRM) gestartet. Die Umsetzung der HSRM soll teils durch initiale öffentlich-private Partnerschaftsprojekte (z.B. Hydrogen Valley) erfolgen, jedoch maßgeblich durch Investitionen von Seiten des Privatsektors getragen werden.
Vor dem Hintergrund der Klimawende liegt der Schwerpunkt auf der Erzeugung von Grünem Wasserstoff mit Hilfe von erneuerbaren Energien. Von Seiten der Privatwirtschaft besteht ein großes Interesse, grüne Wasserstoffprojekte in Südafrika zu realisieren. Bereits rund ein Dutzend „First Mover“/ Pionierprojekte im industriellen Maßstab befinden sich in verschiedenen Stadien der Entwicklung. Erste Projekte sollen bereits ab den Jahren 2023/24 die Produktion aufnehmen. Im Fokus stehen Produkte und Anwendungen mit einer Aussicht auf zeitnahe Wirtschaftlichkeit: grüner Ammoniak (Export mittels vorhandener Chemikalientanker möglich), synthetische Kraftstoffe, der Einsatz von Wasserstoff zur Dekarbonisierung von Industrieprodukten (z.B. grüner Stahl) und im Schwerlastverkehr. (siehe Deutsche Industrie- und Handelskammer für das Südliche Afrika: Südafrika: Grüner Wasserstoff, P2X und Energiespeicher. Zielmarktanalyse 2022 mit Profilen der Marktakteure). Realistische Szenarien sehen ein Produktionspotenzial von jährlich rund 3,8 Mio. Tonnen Grünen Wasserstoffes. Bis zum Jahr 2030 könnten bereits Kapazitäten von jährlich rund 0,75 Mio. Tonnen realisiert werden. Für die Produktion dieser grünen Wasserstoffmenge müssten in Südafrika je rund 36 GW Windkraft und Photovoltaik errichtet werden.
Weltraumforschung
In der nationalen Weltraumstrategie (DST (2014): National Space Strategy) hat Südafrika die durch die Raumfahrt angestrebten Ziele (bspw. Impulse für die Wirtschaft und eine Verbesserung des nationalen Ressourcenmanagements) präzisiert und strategische Ansätze zum Erreichen der Ziele aufgezeigt. Zuständig für die Umsetzung der Strategie ist die South African National Space Agency (SANSA). Diese betreibt verschiedene Infrastrukturen, unter anderem die „SANSA Space Science", die geomagnetische Forschungen in Hermanus (Provinz Western Cape) durchführt. Erklärtes Ziel der Regierung ist es, Südafrika zu einem international anerkannten Standort für Astronomie, Weltraumforschung und -technologien zu entwickeln. Außerhalb der SANSA sind die Universität Stellenbosch und der CSIR in diesen Fachgebieten besonders aktiv. Südafrika hat durch Standortfaktoren wie Klima und abgeschiedene, bevölkerungsarme Gebiete günstige Ausgangsvoraussetzungen. Unter dem Astronomy Geographic Advantage Act von 2007 kann das Wissenschaftsministerium Aktivitäten der Bevölkerung in Gebieten beschränken, die für Forschungen von nationaler Bedeutung besonders geeignet sind („Astronomy Advantage Areas").
Das 1972 gegründete South African Astronomical Observatory (SAAO) betreibt unter anderem das größte optische Einzelteleskop in der südlichen Hemisphäre, das 2005 in Betrieb genommene Southern African Large Telescope (SALT). An der Finanzierung beteiligen sich neben Südafrika Deutschland, Indien, Neuseeland, Polen, die USA und das Vereinigte Königreich. Die Radioastronomie hat eine lange Tradition in Südafrika: Ein Vorgänger des Hartebeesthoek Radio Astronomy Observatory (HartRAO) wurde bereits 1961 von der US-amerikanischen National Aeronautics and Space Administration (NASA) eingerichtet. Heute wird das HartRAO wie auch andere radioastronomische Infrastrukturen durch das South African Radio Astronomy Observatory (SARAO) administriert. Als wichtiges Prestigeprojekt ist das Square Kilometre Array Telescope (SKA), das weltweit größte Radioteleskop, zu nennen. Zwei Drittel der Anlage werden bis 2027 in Südafrika entstehen, der übrige Teil in acht weiteren afrikanischen Staaten und Australien. Das Projekt zählt zu den größten Infrastrukturprojekten des 21. Jahrhunderts. Um den Bau des SKA vorzubereiten, hat Südafrika im Rahmen eines Pilotprojekts das MeerKAT (afrikans für moreKAT = größeres Karoo Array Telescopes, eine kleinere Version des SKA) errichtet. Es wurde 2018 eröffnet und wird später in das SKA integriert. Außerdem unterstützt Südafrika den Aufbau von Radioteleskopen im Rahmen des Afrikanischen VLBI-Netzwerks (African Very Long Baseline Interferometry Network, AVN) in den acht afrikanischen SKA-Partnerländern (siehe unter Sitzland für Einrichtungen internationaler Organisationen).
Südafrika hat seine Expertise genutzt, um in der Afrikanischen Union (AU) auf die Entwicklung einer pan-afrikanischen Weltraumstrategie und -politik hinzuwirken (siehe AU African Space Strategy (2019): „African Space Strategy: Towards Social, Political and Economic Integration"; AU African Space Policy (2019)). In einer gemeinsamen Strategie und Politik sieht die AU große Potenziale für Klima- und Katastrophenschutz, Wettervorhersagen, die Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit.