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Humboldt Forum: Gemeinsame Provenienzforschung mit Partnern aus Amazonien im Ethnologischen Museum

Internationalisierung Deutschlands, Bi-/Multilaterales

Projekt „Geteiltes Wissen“ untersucht mit Gästen aus Brasilien, Kolumbien und Venezuela etwa 3.000 Objekte – Ergebnisse sind im neuen Berliner Schloss zu sehen

In den Dahlemer Depots des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin forschen derzeit Gäste aus Amazonien an 150 Objekten aus der Rio-Negro-Region. Möglich wurde dies durch das von der Volkswagen-Stiftung und der Kulturstiftung des Bundes geförderte Projekt „Geteiltes Wissen“, das die Zusammenarbeit mit Partnern aus Brasilien, Kolumbien und Venezuela unterstützt. Gemeinsam mit den indigenen Gruppen werden bis zum Jahr 2020 etwa 3.000 ethnographische Objekte aus dem nordöstlichen und nordwestlichen Amazonastiefland der Museumssammlung untersucht.

Die Provenienzforschung zu den Objekten soll im Zuge des Projekts um bisher nicht inkludierte Inhalte erweitert werden: Gilt es Perspektiven der Indigenen zu berücksichtigen, die bisher unterrepräsentiert sind? Welche Geschichten kennen die Partner zu den Objekten? Welche Fragestellungen sehen die Partner als relevant? Welche Bedeutung messen sie den Objekten bei? Und welche Handlungsempfehlungen lassen sich daraus ableiten? Die Ergebnisse der Forschung werden in die Medienstationen der Dauerausstellung „Die Welt als Rundhaus – Vom Ursprung und Leben der Dinge in Amazonien“ im Humboldt Forum einfließen.

Rund 3.000 Objekte zuzüglich Fotografien, Musikaufnahmen und Filme aus dem Ethnologischen Museum, deren Provenienz zuvor aus westlicher Sicht dokumentiert wurde, bilden das Zentrum der Zusammenarbeit. Viele der Objekte, etwa Gefäße, Schmuck und Musikinstrumente, vereinen in den Herkunftskulturen mehrere Bedeutungsebenen, darunter die Art ihrer Herstellung, die verwendeten Materialien, ihre Funktion in Tauschnetzwerken und teilweise auch die Verwendung in Ritualen.

Zentrale Arbeitsgrundlage ist eine eigens für das Projekt entwickelte Onlinedatenbank. Hier werden seit 2015 Angaben zu den betreffenden Objekten der Berliner Sammlungen sowie zu ähnlichen Objekten aus dem Besitz der Partner auf einer geschützten Plattform zur Verfügung gestellt und diskutiert. Die Plattform ist multilingual angelegt und umfasst derzeit Spanisch, Portugiesisch, Deutsch, Englisch und neun indigene Sprachen.

Ein Großteil der betrachteten Objekte geht auf den Sammler Theodor Koch-Grünberg zurück, der sie von Reisen (1903–1905 sowie 1911-1913) aus dem Gebiet des oberen Rio Negro und der Grenzregion zwischen Brasilien und Venezuela mitbrachte. Durch eigene Dokumentationen seiner Reisen ist über diese Objekte bereits relativ viel bekannt. Bei anderen, insbesondere älteren Sammlungen liegen die Objektbiografien größtenteils im Dunkeln. Der Zeitraum, in dem alle im Projekt erforschten Sammlungen entstanden sind, war historisch gesehen in Lateinamerika postkolonial, dennoch waren die Umstände stark von ungleichen Machtstrukturen geprägt.

Für das Humboldt Forum ist die Arbeit mit den Herkunftsgesellschaften von zentraler Bedeutung. Den indigenen Partnern aus Amazonien geht es nicht so sehr um die Umstände des Besitzwechsels, sie wollen, dass klar wird, was die Objekte bedeuten, wie sie verwendet wurden. Alle haben zudem einen mythischen Ursprung. Genau das wollen wir im Humboldt Forum deutlich machen“, sagt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Wir treffen uns hier in Berlin zu Workshops rund um das Mid-Term-Symposium. Das ist für uns und unsere Projektpartner eine wertvolle Gelegenheit, gemeinsam intensiv an den Objekten zu arbeiten. Die neuen Erkenntnisse sind richtungsweisend für die zweite Projekthälfte. Unter anderem konnten wir einige Handlungsempfehlungen zur Ausstellung und Aufbewahrung von Ritualobjekten herausarbeiten, basierend auf deren Funktion und Bedeutung für die Partner“, unterstreicht Andrea Scholz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Südamerika-Sammlung des Ethnologischen Museums, die das Projekt leitet.

Manche Objekte gelten vor Ort als Lebewesen, vieles ist in ähnlicher Form noch in Gebrauch, anderes ist heute nicht mehr existent und teils sogar vergessen. Allen im Museum bewahrten Objekten ist gemeinsam, dass sie aus Sicht der indigenen Partner das Territorium, von dem sie stammen, repräsentieren. Insbesondere für rituelle Objekte, die aus Sicht der Partner Lebewesen bzw. Ahnen verkörpern, werden derzeit neue, respektvolle Formen der Aufbewahrung konzipiert und realisiert.

Projektbeteiligte

Das Forschungsprojekt steht unter Federführung des Ethnologischen Museums und wird von Dr. Andrea Scholz (Projektleitung) und Helene Tello (Restauratorin) betreut. Die Partner sind indigene Organisationen und Institutionen höherer indigener Bildung. Ihre Gemeinsamkeit besteht in den pädagogischen Interessen, die sie im Projekt verfolgen. Durch die Forschung an den Objekten sollen vor allem Vertreter der jüngeren Generation dazu angeregt werden, sich mit der historischen materiellen Kultur und dem Wissen der Ältesten zu beschäftigen.

Partner in Brasilien

Conselho Indígena de Roraima (Roraima), Organização dos Professores Indígenas de Roraima , Associação Wanasseduume Ye’kwana (Roraima), Instituto Socioambiental, Federação das Organizações Indígenas do Alto Rio Negro (Amazonas)

Partner in Kolumbien

Escuela Normal Superior Indígena María Reina (Mitú, Vaupés)

Partner in Venezuela

Universidad Nacional Experimental Indígena del Tauca (Bolívar), Organización Indígena de la Cuenca del Caura „Kuyujani“ (Bolívar)

Quelle: Stiftung Preußischer Kulturbesitz via IDW Nachrichten Redaktion: von Miguel Krux, VDI Technologiezentrum GmbH Länder / Organisationen: Brasilien Kolumbien Venezuela Themen: Geistes- und Sozialwiss.

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