Politische Zielsetzungen und Programme: Brasilien
Bildungspolitische Ziele und Programme
Das brasilianische Bildungssystem wird anhand der Leitlinien des Nationalen Bildungsplans (Plano Nacional de Educação 2014 – 2024, PNE) reformiert und ausgebaut. Der Plan beinhaltet 20 Zielsetzungen, die das gesamte Bildungsangebot von der Kleinkindbetreuung bis zur Universität betreffen.
Um die Reformen umsetzen zu können, sollen bis 2020 7 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) in und bis 2024 10 Prozent in den Bildungssektor investiert werden. Das 7 Prozent-Ziel wurde in der nationalen Verfassung verankert. Der Mittelaufwuchs im Budget des Bildungsministeriums soll mit Hilfe der Erlöse aus der Pré-Sal Erdölförderung abgesichert werden. 75 Prozent der Royalties sollen in den Bildungssektor fließen. Der Etat des Bildungsministeriums MEC stieg 2015 auf etwa 29 Mrd. Euro. Der Etat hatte sich damit seit 2005 verdreifacht. Nach 2015 stagnierte allerdings das Bildungsbudget.
Das Ziel der brasilianischen Bildungspolitik ist es, den allgemeinen Bildungsstand der Bevölkerung zu erhöhen. Dabei werden sämtliche Bildungsbereiche, von der Alphabetisierung bis zum Hochschulstudium einbezogen. Zu den Zielen gehören
- die Ausweitung der kostenlosen Bildungsangebote,
- eine umfassende Alphabetisierung bereits in der Grundschule,
- die Verbesserung der Qualität der Lehre an Schulen und Berufsschulen oder der Ausbau von Ganztagsangeboten an den öffentlichen Schulen.
Im tertiären Bildungsbereich soll die Qualität und des Angebots von Hochschulbildung in Brasilien, auch außerhalb der großen Metropolen verbessert werden. Die Möglichkeiten des Fern- und Abendstudiums sollen ausgebaut und die Studiengebühren für alle Studenten finanzierbar werden. Ziel der brasilianischen Regierung ist es, einem Anteil von 33 Prozent der 18- bis 24-jährigen die Teilnahme an einem tertiären Bildungsgang zu ermöglichen. In Bezug auf die Brutto-Immatrikulationsquote liegt der angestrebte Anteil bei 50 Prozent. Dafür soll die Anzahl der Neuimmatrikulationen an den öffentlichen Hochschulen um 40 Prozent gesteigert werden (Ziel 12 des PNE).
Mit der Hochschulreform wird zudem die Rolle der staatlichen Universitäten gegenüber den privaten gestärkt. Ziele sind unter anderem
- die Einrichtung zusätzlicher öffentlicher Hochschulen und Campi,
- die Erhöhung der Zahl der Promovierenden und
- die Erleichterung des Zugangs zu Hochschulen für Studierende aus einkommensschwachen Familien.
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Forschungs- und Innovationspolitische Ziele und Programme
Zu den wichtigsten politischen Zielsetzungen der brasilianischen Forschungspolitik gehört die Förderung von Technologiefeldern mit Relevanz für die Entwicklung des Landes, z.B. Energie und Landwirtschaft sowie Gebieten mit großem Potenzial für die Zukunft, wie Bio- und Nanotechnologie. Die noch unzureichende Verknüpfung von Forschung und Industrie im Sinne produktorientierter Innovation soll durch staatliche Fördermaßnahmen verstärkt werden.
Die brasilianischen Ziele zur Entwicklung in Wissenschaft, Technologie und Innovation sind in einer Strategie für die Jahre 2016 bis 2022 festgelegt. Mit der Umsetzung der Nationalen Strategie für Wissenschaft, Technologie und Innovation 2016 - 2022 (Estratégia Nacional de Ciência, Tecnologia e Inovação, ENCTI) soll Brasilien auf eine Wissenschaftsgesellschaft vorbereitet, das brasilianische Wissenschaftssystem soll gestärkt und erweitert werden. U.a. soll die Innovation in Unternehmen ausgebaut werden.
Im Vier-Jahresplan sind folgende Ziele der brasilianischen Forschungspolitik genannt:
- Brasilien soll zu einer der führenden Wissenschaftsnationen werden;
- Steigerung der Produktivität auf der Basis von Innovation;
- Ausgleich regionaler Ungleichheiten bei der wissenschaftlichen Produktion;
- Innovative Lösungen für eine stärkere soziale Inklusion;
- Schaffen von Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung.
Die brasilianische Politik sieht in der Stärkung der technologischen Innovation einen potenziellen Motor des Wirtschaftswachstums und eine grundlegende Perspektive für eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung. U.a. hat die brasilianische Regierung durch die Umbenennung des Forschungsministeriums in Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Innovation im Jahr 2011 deutlich gemacht, dass dem Querschnittsthema Innovation künftig eine zentrale Bedeutung zukommen soll.
Die Innovationsstrukturen des Landes sind im weltweiten Vergleich jedoch relativ schwach. Nur etwa 47 Prozent der FuE-Ausgaben in Brasilien werden von privaten Unternehmen getragen. Es wird geschätzt, das weniger als 5 Prozent der brasilianischen Industrieunternehmen eigene Produkte entwickeln.
Seit Februar 2018 sind die Richtlinien für Wissenschaft, Forschung und Innovation in Kraft, die ein Gesetzespaket aus dem Jahr 2016 umsetzen (Marco Legal da Ciência, Tecnologia e Inovação – Lei nº 13.423/2016). Ziel ist, die Forschungs- und Innovationsaktivitäten im Land zu entbürokratisieren. So wird zum Beispiel öffentlichen Forschungszentren erlaubt, ihre Laboratorien Unternehmen zugänglich zu machen. Die Regierung erhofft sich mit diesem Schritt höhere private Investitionen in die Forschung.
Ein Ansatz zur Stärkung der Innovation im Land ist der Aufbau eines staatlich geförderten Netzwerks von Innovationszentren in strategisch wichtigen Fachgebieten, die mit Forschungseinrichtungen und Unternehmen zusammenarbeiten (SENAI-Innovationsinstitute, Institutos SENAI de Inovação). Im Jahr 2013 wurde die Brasilianische Agentur für Industrielle Forschung und Innovation (Empresa Brasileira de Pesquisa e Inovação Industrial, EMBRAPII) gegründet. Indem der Kreis der Fördermittelempfänger auf die akkreditierten Einheiten beschränkt wird, soll der gesamte Förder- und Innovationsprozess beschleunigt werden (UNESCO-Wissenschaftsbericht 2015, S. 213). Unter den etwa 40 akkreditierten EMBRAPII-Einheiten sind viele bereits länger bestehende Institute wie das Technologieforschungsinstitut des Bundesstaates São Paulo (Instituto de Pesquisas Tecnológicas, IPT) aber auch sechs der neuen SENAI-Innovationsinstitute. Die akkreditierten Einheiten können in einem Zeitraum von sechs Jahren auf eine Finanzierung durch das Wissenschaftsministerium (MCTIC) und das Bildungsministerium (MEC) zurückgreifen. Die Mittel werden projektweise freigegeben, sobald Innovationsprojekte gemeinsam mit Unternehmen vereinbart sind. Voraussetzung ist, dass die FuE-Projekte zu je einem Drittel von der Forschungseinrichtung selbst, dem Unternehmen sowie EMBRAPII getragen werden.
Nachdem der Forschungshaushalt des Ministeriums MCTIC sich im Zeitraum von 2000 bis 2010 mehr als verfünffacht (von 500 Mio. Euro auf 2,9 Mrd. Euro) und 2015 3,3 Mrd. Euro erreicht hatte, fanden in den Jahren danach erhebliche Kürzungen statt. Die Übergangsregierung reduzierte das Forschungsbudget von MCTIC 2017 noch einmal deutlich auf etwa 770 Mio. Euro. Unter dem neuen Präsidenten Bolsonaro hat die brasilianische Regierung im April 2019 42 Prozent des MCTIC-Budgets eingefroren. Zur Verfügung stehen dem Ministerium somit für 2019 umgerechnet noch etwa 660 Mio. EUR. Dies ist nur noch ein Bruchteil der Mittel, über die das Ministerium noch vor fünf Jahren verfügte. Die eingefrorenen Mittel sollen nur im Fall eines unerwarteten Wirtschaftswachstums freigegeben werden.
Ergebnisse von Evaluierungen
Das Nationale Anísio-Teixeira-Institut für Bildungsstudien und -forschung (Instituto Nacional de Estudos e Pesquisas Educacionais Anísio Teixeira, INEP) ist dafür zuständig, die Umsetzung des Nationalen Bildungsplans (Plano Nacional de Educação 2014 – 2024, PNE) zu beobachten und zu dokumentieren (Webseite PNE).
2018 hat die OECD eine Studie zur Qualitätssicherung im brasilianischen Hochschulsystem publiziert: „Rethinking Quality Assurance for Higher Education in Brazil“ (OECD-Studie 2019). Die OECD zeigte sich grundsätzlich zufrieden mit dem brasilianischen System, das arbeitsteilig angelegt ist: Während INEP grundständige Studiengänge evaluiert, ist die Förderagentur für Hochschulbildung (CAPES) für Postgraduiertenstudiengänge zuständig.