Bislang glaubten die Wissenschaftler, dass die ersten Menschen vor 11 000 Jahren vom Norden Asiens aus über die Beringstrasse nach Nordamerika wanderten und den Kontinent besiedelten. Die neuen Fossilfunde aus den Höhlen unter Yucatán stellen diese Hypothese in Frage. Eine wissenschaftliche Tauchexpedition, an der die Universität Heidelberg beteiligt ist, soll diese Rätsel lösen. Das deutsch-mexikanische Forschungsprojekt wird vom BMBF, dem renommierten mexikanischen Museum MUDE (Museo del Desierto) und dem Nationalen Institut für Anthropologie und Geschichte (Instituto Nacional de Antropología e Historía) gefördert.
Funde auf Halbinsel werden untersucht
Die prähistorischen Funde in den wassergefüllten Höhlen und Dolinen (Cenotes) auf der Yucatan-Halbinsel belegen eine unerwartet frühe Besiedelung Südmexikos durch den Menschen. Gut erhaltene menschliche Skelette mit Altern zwischen 9.000 und 13.000 Jahren sind mit Feuerstellen und spätpleistozänen Säugetieren vergesellschaftet. Diese sollen jetzt in dem vom Internationalen Büro des BMBF geförderten Projekt dokumentiert und untersucht werden. Sie stammen aus unterirdischen Labyrinthen, die bislang als unerreichbar galten. Hier scheint der Schlüssel verborgen zu sein, mit dem die Herkunft der frühen Besiedler des amerikanischen Kontinents gelöst werden kann.
Diese bisher unbearbeiteten prähistorischen Funde sollen registriert und detailliert dokumentiert werden. Ziel des geowissenschaftlichen Vorhabens "Prähistorische Funde aus dem Pleistozän-Holozän-Übergang in Unterwasserhöhlen der Yucatan-Halbinsel in Mexiko" ist es, das enorme Erhaltungspotential in den Cenotes zu dokumentieren und paläobiogeographische Vergleiche mit gleichaltrigen nord- und südamerikanischen Fundstellen zu ziehen. Die am Projekt beteiligten deutschen und mexikanischen Forscher erwarten hierdurch neue bahnbrechende Erkenntnisse über die Besiedelung des amerikanischen Kontinentes und die Umstände, die zum Aussterben der Säugetiergruppen führten.
Auf ihren Expeditionen in die Tiefen der Vergangenheit haben Heidelberger Wissenschaftler erstaunliche Entdeckungen gemacht. Denn die Fossilien geben nicht nur Auskunft über das Alter ihrer Bewohner, sondern auch über die Umweltbedingungen, die auf Yucatan herrschten. Und dies lange bevor die Mayas dort zu einer der führenden Hochkulturen Lateinamerikas aufstiegen.
Auswertungen nach Tauchgang
Die deutschen Wissenschaftler werden im Anschluss an die jetzige Tauchkampagne, Ende Januar, nach Yucatan reisen, um das Foto- und Filmmaterial vor Ort auszuwerten, geochemische Proben und Stalagmiten für den Transport nach Deutschland zu separieren, die Präparation und Härtung des Knochenmateriales vorzunehmen. Denn das Alter der Tier- und Menschenknochen und –zähne wird anhand von Isotopen- und DNA-Untersuchungen datiert. Fossilien werden taxonomisch untersucht und Funde des frühzeitlichen Menschen morphologisch und mit Hilfe von Spurenelementen und Isotopen einem möglichen Ursprungsgebiet zugeordnet. Mit diesen multidisziplinären Datensätzen werden die Herkunft, das Mobilitätsverhalten und die Umwelt der ersten Siedler auf Yucatan, aber auch die Veränderungen der regionalen Umweltbedingungen im Pleistozän-Holozän-Übergang, beispielsweise das Klima, rekonstruiert. Weiteres umfangreiches, bereits geborgenes Fossilmaterial aus den Cenotes lagert an der Nationalen Autonomen Universität (UNAM) in Mexiko und soll ebenfalls dokumentiert werden. Zudem soll der der Aufenthalt zur Vorbereitung von wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Ausstellungen genutzt werden.
Erkenntnisse der Öffentlichkeit vermitteln
Denn ein wichtiger Aspekt des deutsch-mexikanischen Forschungsvorhabens ist auch die allgemeinverständliche Aufarbeitung und Präsentation der neuen Befunddatensätze. Erste Ergebnisse werden auf dem Kongress "Paleoamerican Odyssey" im Oktober 2013 in Santa Fe, New Mexico, vorgestellt. Ein paläontologisches Museum in der Nähe der Unterwasserhöhlen, in Cancún (Quintana Roo) wird bereits gebaut und im kommenden Jahr eingeweiht. Der ansässige Freizeitpark Xcaret stellt zudem größere Räumlichkeiten zur Aufarbeitung und Lagerung der Funde zur Verfügung. Weiterhin besteht ein langjähriger Kooperationsvertrag zwischen dem renommierten mexikanischen Museo del Desierto (MUDE), dem Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe (SMNK) und der Universität Heidelberg. Für 2015 und 2016 ist eine große Ausstellung über die Besiedlung Amerikas im SMNK vorgesehen, die auf der deutsch-mexikanischen Forschungsarbeit basiert. Das MUDE soll großflächig für die museale Umsetzung eiszeitlicher Forschung in Yucatan erweitert werden.