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Hans-Böckler-Stiftung: Studie zum Außenhandel der USA

Die USA haben in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten ihre Handelsverflechtungen mit dem Ausland intensiviert. Da der Welthandel insgesamt aber noch deutlich stärker gewachsen ist, haben die Amerikaner Weltmarktanteile verloren. Die EU ist mit einem Anteil von 17 Prozent nach Ostasien und den NAFTA-Ländern Kanada und Mexiko der drittwichtigste Handelspartner der USA.

In den vergangenen Jahren ist im Außenhandel die Bedeutung Europas für Amerika ebenso zurückgegangen wie das in der Gegenrichtung der Fall war. Das geplante Freihandelsabkommen TTIP dürfte daran nur wenig ändern. Vor allem kurzfristig sind kaum Wachstumsimpulse zu erwarten. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

In ihrer Studie analysieren die IMK-Forscher Jan Behringer und Nikolaus Kowall, wie sich der Außenhandel der Vereinigten Staaten entwickelt hat. Dafür werteten sie Daten der OECD, der amerikanischen und europäischen Statistikbehörden BEA und Eurostat sowie der World Trade Organization aus.

US-Anteil am Welthandel gesunken

Ihre Ergebnisse: Die USA haben zwischen 1999 und 2012 ihre Handelsverflechtungen mit dem Ausland zwar deutlich ausgeweitet. Der US-Außenhandel nahm preisbereinigt um 60 Prozent zu. Da der Welthandel im gleichen Zeitraum aber weitaus stärker wuchs, verloren die Vereinigten Staaten Weltmarktanteile. So sank der US-Anteil an den weltweiten Exporten nominal von 17 auf 10,5 Prozent. Auch unter Berücksichtung der Preisentwicklung ist die Tendenz negativ, allerdings weniger ausgeprägt. In den vergangenen Jahren hat sich der US-Exportsektor diversifiziert, das heißt mehr Branchen als früher vertreiben ihre Güter verstärkt auf dem Weltmarkt. Allerdings nahm dadurch die Bedeutung von Branchen der Hochtechnologie tendenziell ab zugunsten von Nahrungsmitteln oder Energieträgern.

Seit Mitte der 1970er Jahre fielen die Saldi der Außenhandels- und der Leistungsbilanz fast durchgängig negativ aus. Im Jahr 2006 war das amerikanische Defizit im Waren- und Dienstleistungsverkehr am größten – es erreichte 5,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), so die Forscher.

In der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise brachen die US-Exporte ein, aber noch viel stärker sank die Nachfrage nach Gütern aus dem Ausland. Die amerikanischen Ausfuhren erholten sich relativ schnell wieder, unter anderem profitierten die Exportunternehmen von den groß angelegten chinesischen Konjunkturprogrammen. So erreichte der US-Export bereits Mitte 2010 wieder sein Vorkrisenniveau, während das bei den Importen erst ein Jahr später der Fall war. Das amerikanische Außenhandelsdefizit ist auch infolge der Krise gesunken, bleibt aber weiter erheblich: Im vergangenen Jahr betrug es 3,4 Prozent des BIP. Das jahrzehntelange Defizit hat dazu geführt, dass die USA die größte Schuldnernation der Welt sind.

NAFTA und EU verlieren an Bedeutung

Süd- und Ostasien ist die wichtigste Herkunfts- und Zielregion des amerikanischen Außenhandels. Zwischen 1999 und 2011 entfielen rund ein Drittel der Im- und Exporte auf die Region. Im zeitlichen Verlauf ist diese Quote stabil, allerdings haben sich die Anteile der einzelnen Länder stark verschoben. China hat vor allem als Lieferland sehr deutlich an Bedeutung gewonnen, Japan hat stark verloren. Mit einem Anteil von 18,4 Prozent war China 2012 der größte Lieferant für den amerikanischen Markt, es folgten Kanada (14,1 Prozent) und Mexiko (11,7 Prozent). Die beiden NAFTA-Länder sind zugleich die größten Abnehmer amerikanischer Waren und Dienstleistungen. Seit Ende der 1990er Jahre ist der Anteil der NAFTA-Freihandelszonen-Partner am amerikanischen Außenhandel gleichwohl insgesamt gesunken. 2011 entfielen gut 28 Prozent des US-Handels auf Kanada und Mexiko.

Der Austausch mit den 27 EU-Ländern machte 2011 rund 17 Prozent des US-Außenhandelsvolumens aus. Auch dieser Anteil ist seit 1999 gesunken – um 3,5 Prozentpunkte. Über die Jahre gestiegen ist dagegen der Handelsanteil der Länder Mittel- und Südamerikas sowie des Mittleren und Nahen Ostens. Allerdings rangieren beide Regionen mit einer Quote von jeweils rund acht Prozent deutlich weiter hinten.

Freihandelsabkommen bringt höchstens langfristig Impulse

Die Wissenschaftler halten es für höchst unwahrscheinlich, dass ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA kurzfristig nennenswerte Konjunkturimpulse setzen würde. Da die Einfuhrzölle auf Industriegüter, die zwischen beiden Wirtschaftsräumen in erster Linie gehandelt werden, bereits gering sind, werde eine vollständige Abschaffung nur wenig ändern. Bedeutsamer dürfte die transatlantische Angleichung von Qualitätsstandards, technischen Normen und Kennzeichnungspflichten sein. Allerdings seien dabei schon jetzt schwerwiegende Interessenkonflikte absehbar: So lehnen etwa das deutsche Verbraucherschutzministerium und sehr viele Konsumenten genmanipulierte Lebensmittel ab, die in den USA nicht gekennzeichnet werden müssen. Die französische Filmindustrie sucht Schutz vor einer übermächtigen US-Konkurrenz. Die deutschen Verlage möchten an der Buchpreisbindung festhalten.

„Ein vollständiges Freihandelsabkommen ist in Anbetracht dieser Vielzahl von Interessen eher unwahrscheinlich“, schreiben Behringer und Kowall. „Langfristig ist wahrscheinlich, dass das Freihandelsabkommen aufgrund der Intensivierung von Handelsbeziehungen Wohlstandsgewinne generieren wird, kurzfristige gesamtwirtschaftliche Wachstumsimpulse sind hingegen nicht zu erwarten.“

Entsprechend skeptisch stehen die Autoren manchen optimistischen Erwartungen gegenüber. So rechnet das ifo-Institut in München in einer Studie für die USA mit einem langfristigen Anstieg des Einkommensniveaus von mehr als 13 Prozent. Tatsächlich betrug der Anteil der nominalen US-Ausfuhren in die EU lediglich 2,4 Prozent des US-BIP. „In Anbetracht der geringen Bedeutung der Exporte in die EU im Verhältnis zum US-BIP scheint diese Prognose aber nicht plausibel“, so Behringer und Kowall .

In anderer Hinsicht decken sich die Prognosen der IMK-Forscher mit der Studie des ifo-Instituts. Das prognostiziert zwar für die 27 EU-Länder durch ein weit reichendes Freihandelsabkommen insgesamt 400.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Für die USA rechnet das ifo mit etwas weniger neuen Jobs. Die Münchner Experten betonen aber ebenfalls, dass es sich dabei um Langfristeffekte handelt. Dadurch würden die vermeintlich eindrucksvollen Zahlen sehr stark relativiert, betonen Behringer und Kowall: „Zur Veranschaulichung: Selbst wenn man unterstellt, dass in den USA ebenfalls 400.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen würden, entspräche dies bei aktuell 143 Millionen Erwerbstätigen lediglich einem Beschäftigungseffekt von weniger als 0,3 Prozent. Geht man davon aus, dass die Beschäftigungseffekte im Verlauf der nächsten 10 bis 20 Jahre wirksam werden, ist dieser Effekt marginal.“

Kontakt in der Hans-Böckler-Stiftung

Jan Behringer
IMK
Tel.: +49 211-7778-334
E-Mail: Jan-Behringer(at)boeckler.de

Nikolaus Kowall
IMK
Tel.: +49 211-7778-382
E-Mail: Nikolaus-Kowall(at)boeckler.de

Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: + 49 211-7778-150
E-Mail: Rainer-Jung(at)boeckler.de 

Quelle: IDW Nachrichten / Hans-Böckler-Stiftung Redaktion: von Tim Mörsch, VDI Technologiezentrum GmbH Länder / Organisationen: USA Themen: Wirtschaft, Märkte

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