Schutzgebiete auf schmalem Grad

Erfolgsgeschichten

Der Kaukasus hat in den vergangenen Jahren hauptsächlich durch bewaffnete Konflikte von sich Reden gemacht; zuletzt durch den Krieg zwischen Russland und Georgien um Süd-Ossetien. Immer weder gibt es auch Schusswechsel an der Waffenstillstandslinie zwischen Armenien und Aserbeidschan in Berg-Karabach.

Biologinnen und Naturfreunden ist der Südkaukasus vor allem als globaler "Hotspot" der biologischen Vielfalt, als ein Naturjuwel der gemäßigten Zone mit hoher Schutzpriorität bekannt. Nicht zufällig baut die Kaukasus-Strategie der Bundesregierung daher auf transnationale Naturschutzgebiete wie Nationalparks. Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau werden insgesamt 60 Millionen Euro in den Auf- und Ausbau eines überstaatlichen Netzes von Schutzgebieten bereit gestellt. "Annäherung durch Naturschutz" könnte das Motto lauten.

Sozialwissenschaftliche Naturschutzforschung

Geht die Strategie einer "Annäherung durch Naturschutz" auf? Das vom Arbeitsbereich für Umwelt- und Ressourcenökonomik der Georg-August-Universität Göttingen geleitete Projekt "Sozio-ökonomische Methoden für eine integrative Naturschutzplanung im multi-ethnischen Südkaukasus" geht dieser Frage nach. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass es an lokaler Expertise fehlt, die sozio-ökonomischen Folgen von größeren Schutzprojekten abzuschätzen. So musste die Weltbank vor wenigen Jahren ihre internen Mechanismen zur "Abwendung oder Reduzierung der Auswirkungen von Zwangsumsiedlungen" im Zusammenhang mit einem Schutzgebietsprojekt in Georgien aktivieren. Einige der für den Ausbau der Schutzgebiete vorgesehenen Ländereien liegen in Gebieten, die vorwiegend von ethnischen Minderheiten bewohnt werden. Für den mit Hilfe der KfW neu eingerichteten Nationalpark in Samtskhe-Javakheti stand zu befürchten, dass hier die armenische Minderheit in Georgien in besonderer Weise von der Schutzgebietsausweisung betroffen sein könnte.

Zusammen mit Partnern und Wissenschaftlern aus den drei Südkaukasusländern Georgien, Armenien und Aserbeidschan werden seit 2012 insgesamt vier Fallstudiengebiete untersucht. Am Südwestabhang des Großen Kaukasus liegen zu beiden Seiten der Grenze zwischen Georgien und Aserbeidschan zwei der ältesten Schutzgebiete auf den Gebiet der ehemaligen Sowjetunion: Die Naturreservate in Lagogekhi (Georgien) und bei Zaqatala (Aserbeidschan). Auf dem Hochplateau im Westen des Kleinen Kaukasus liegen die im Entstehen begriffenen Nationalparke von Lake Arpi (Armenien) und Samtskhe-Javakheti (Georgien).

Nach intensiven Gespräche mit Mitarbeiter/-innen der Regional- und Schutzgebietsverwaltungen, der vor Ort tätigen Nicht Regierungsorganisationen und betroffenen Landnutzern schälte sich in allen vier Gebieten der Zugang zu Sommerweiden als ein besonders kritischer Punkt der Schutzgebietsplanung heraus. Es folge eine wissenschaftliche Befragung von je 100 zufällig ausgewählten Haushalten zu Landnutzung, wirtschaftlicher Bedeutung der Sommerweiden und bevorzugten Einkommensalternativen.

Ergebnisse für das Schutzgebietsmanagement

In drei der vier untersuchten Schutzgebiete liegt die Herausforderung nur teilweise in der Einbeziehung der ortsansässigen Bevölkerung in ein partizipatives Schutzgebietsmanagement.  Besonders schwierig ist die Einbeziehung von Hirten, die aus anderen Regionen stammen. So wurden vom georgischen Staat Weiderechte in der Pufferzone des Nationalparks von Samtskhe-Javakheti, die überwiegend von ethnischen Armeniern bewohnt ist, an ethnische Aseris verkauft. Obwohl Hirten wie ortsansässige Bevölkerung georgische Staatsbürger sind, ist dies eine potenziell explosive Mischung, da Armenien und Aserbeidschan sich nur wenige Dutzend Kilometer entfernt nach wie vor im Kriegszustand befinden. Der im Aufbau befindliche Nationalpark verschärft die Situation, da der Zugang zu Sommerweiden eingeschränkt wird.

Die quantitativen Daten liegen aus drei der vier Gebiete vor. Sie belegen, dass Einschränkungen der Weiderechte im Sommer die Nutzer der Weiden im Projektgebiet erheblich belasten. Starke regionale Unterschiede zeigen sich in der Bedeutung der Sammlung von Feuerholz, Pilzen und Kräutern. Als Einkommensalternativen werden allgemein Bienenzucht und Käseherstellung und in Lake Arpi die Ausbildung zum Fremdenführer geschätzt. Wegen des sehr niedrigen technologischen Niveaus der örtlichen Landwirtschaft bietet auch eine behutsame Intensivierung der Produktion außerhalb der Schutzzonen ein erhebliches Potenzial zur Reduzierung der Konflikte zwischen Naturschutz und Landwirtschaft.

Die Einstellung der ortsansässigen Bevölkerung zu den Schutzgebieten unterscheidet sich ebenfalls erheblich. Insbesondere legen unsere Ergebnisse nahe, dass eine Schutzgebietsplanung, die die Bevölkerung von Beginn an intensiv beteiligt, zu einer deutlich höheren Akzeptanz des Schutzgebiets führt.

Zusammen mit weiteren Detailanalysen werden die Ergebnisse den lokalen wie den überregionalen mit der Schutzgebietsplanung befassten Stellen zugänglich gemacht. Zur Erleichterung der internationalen und interdisziplinären Zusammenarbeit und Ausbildung wurde "CIVICS" gegründet, das "Caucasus Virtual Institute of Conservation Science and Education". CIVICS ist ein zugängliches Projektportal im Rahmen der Wikiversity. Zur Verbreitung der Projektergebnisse und der Anbahnung von Folgeaktivitäten wurde am 1. Oktober 2013 ein Abschlussworkshop in Tiflis durchgeführt.

Bis Ende 2013 wurden mehrere nachfolgende Lehr- und Forschungskooperationen verabredet. Unter anderem konnte eine Partnerschaft zwischen der Fakultät für Agrar-wissenschaften in Göttingen und der Staatlichen Agraruniversität in Ganca besiegelt werden und Anträge für gemeinsame Nachfolgeforschungen in Georgien (United Nations Development Program) und der Kirgisischen Republik (European Bank for Reconstruction and Development) gestellt werden.

Kontakt:

Dr. Jan Barkmann
Umwelt- und Ressourcenökonomik
Georg-August-Universität Göttingen
E-Mail: jbarkma(at)gwdg.de

Redaktion: Länder / Organisationen: Armenien Aserbaidschan Georgien Themen: Umwelt u. Nachhaltigkeit

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