Fast 9.000 Kilometer Luftlinie trennen Tokyo von Leipzig. Geographisch betrachtet liegen Sachsen und Japan auf der jeweils anderen Seite des Globus. "Eine Reise nach Japan dauert heute mit dem Flugzeug gut 20 Stunden, doch vor 100 Jahren war diese gewaltige Strecke nur mühsam zu überwinden", sagt Dr. Jens Blecher, Direktor des Universitätsarchivs Leipzig. Mit dem Dampfschiff und der Eröffnung des Sueskanals verkürzte sich die Reisezeit zwischen Hamburg und Japan von etwa 200 Tagen auf gut 100 Tage. Mit der Transsibirischen Eisenbahn war die Strecke ab 1904 in etwa 20 Tage zu überwinden. "Trotz dieser enormen Distanzen kamen bis zum Ersten Weltkrieg mehr als 100 Japaner nach Leipzig, um hier zu studieren", sagt Blecher.
Doch was bewegte junge Menschen aus dem Land der aufgehenden Sonne, Reisestrapazen und ein Leben in einer fremden Kultur fernab der Familie auf sich zu nehmen? "Charakterisierte der spätere Rektor und Gründer des Instituts für experimentelle Psychologie Wilhelm Wundt Leipzig bei seinem Amtsantritt 1875 Leipzig noch als überschaubar, von mäßigem Umfang und durch mittelalterliche Stadtstrukturen geprägt, galt Leipzig 30 Jahre später als eine der urbanen Metropolen Europas", sagt Blecher. Spätestens um 1910 sei Leipzig von einer bürgerlich geprägten Handelsstadt zu einer modernen Großstadt geworden. Gepaart mit der durch den Staat unterstützten Wissenschaftsentwicklung habe Leipzig über den Kontinent hinaus einen Reiz ausgeübt.
"Nach der Reichseinigung von 1870 begann für die Universität Leipzig eine neue Ära, das 'goldene Zeitalter' wird von positiven Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft begleitet", folgert Blecher. Dies wird er während des Symposiums in seinem Vortrag "Tokyo - Leipzig: Die 'Weltuniversität' Leipzig zwischen 1870 und 1909" weiter ausführen.
Professor Steffi Richter vom Ostasiatischen Institut gibt einen Überblick über deutsch-japanische Wissenschafskooperationen an der Universität Leipzig.
Professor Barbara Drink verdeutlicht anhand ausgewählter Beispiele die Zusammenarbeit der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät mit japanischen Universitäten. Zwei deren Vertreter werden ebenfalls sprechen. Der Tokioter Professor Ryuichi Higuchi von der Meiji Gakuin University gibt einen Einblick über die Rezeption von Johann Sebastian Bach in Japan und verdeutlicht den Einfluss des Kirchenmusikers auf die japanischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Über die "Rezeption der Grimmschen Märchen in der japanischen Literatur" spricht Professor Juno Nakayama von der Ryukoku University in Kyoto. Im Anschluss daran wird die Ausstellung "Die ersten japanischen Studenten und Wissenschaftler an der Universität Leipzig" eröffnet. Kuratiert wurde die Schau von Karen Gaukel (Universitätsarchiv Leipzig). Die Teilnahme am Symposium ist kostenfrei.
Japan und das damalige Preußen unterzeichneten am 24. Januar 1861 in Deo (dem heutigen Tokyo) einen Freundschafts- und Handelsvertrag. Damit nahm der offizielle Austausch zwischen Japan und Deutschland seinen Anfang. Einige Jahre später wurde ein ähnlicher Vertrag mit den Mitgliedsstaaten des Norddeutschen Bundes abgeschlossen, der schließlich zu Beziehungen mit ganz Deutschland führte.
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Dr. Jens Blecher
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