Wassermassen drängen durch die Straßen, reißen Häuser und Strommasten mit sich. Die Videobilder des Erdbebens und des anschließenden Tsunamis in Japan lassen auch zwei Jahre später noch die Zuschauer verstummen. Auch die folgende Nuklearkatastrophe im Atomkraftwerk Fukushima ist unvergessen. Was Japan aus dem Unglück gelernt hat und was das Land noch lernen sollte, darüber hat der Tsunami-Experte Kenzo Hiroki am vergangenen Freitag auf dem Campus Haste der Hochschule Osnabrück referiert.
Der Direktor des Internationalen Zentrums für Wasserrisiken und Risikomanagement der UN zeigte in der Aula der Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur nicht nur Videoaufnahmen von den über zehn Meter hohen Flutwellen. Anhand von Vorher-Nachher-Bildern aus der Vogelperspektive, verdeutlichte er zudem die Schäden, die sein Land im März 2011 erleiden musste. Fast 400.000 Häuser stürzten vollständig oder teilweise ein. Die Schäden für Gebäude und Infrastruktur beliefen sich auf über 220 Milliarden Euro. „Rund 18.000 Menschen gelten als tot oder vermisst“, resümierte der Wasser-Experte. Dabei war es für Japan keineswegs das erste Erdbeben. „Im Schnitt wird Japan alle fünf Jahre von einem starken Erdbeben heimgesucht. Gerade diese Tatsache müssen sich die Japaner mehr denn je bewusst machen. Wir vergessen viel zu schnell, aber genau das kann im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden“, warnte Hiroki.
Wie wichtig Aufklärung unter der Bevölkerung ist, untermauerte der Japaner anhand des sogenannten „Wunders von Kamaishi“. „Von 3000 Schülerinnen und Schülern einer Grund- und Hauptschule in Kamaishi haben fünf durch den Tsunami ihr Leben verloren – sprich 99,8 Prozent aller Schüler haben überlebt. In anderen Städten konnten sich weit weniger Menschen vor den Wassermassen retten“, so Hiroki. Der Grund dafür: Die Schüler in Kamaishi hätten zuvor im Unterricht gelernt, wie sie sich im Falle eines Tsunamis verhalten müssen und haben sich dadurch an diesem Tag rechtzeitig in Sicherheit gebracht.
„Information und Kommunikation über mögliche Naturkatastrophen sind die Grundvoraussetzungen, um zu überleben“, meint der Japaner.
Sein Land spüre die Folgen der Katastrophe bis heute – und das nicht nur in der Region um Fukushima: „Zehn Prozent der Agrarflächen sind durch den Tsunami zerstört worden. Noch immer kämpfen die Bauern damit das Salz des Meerwassers aus den Böden zu entfernen.“ Nicht nur bei den jungen Menschen, auch bei allen anderen Bevölkerungsschichten müsste deshalb das Bewusstsein für mögliche Gefahren geschärft werden. Der Wasser-Experte befürwortet beispielsweise die Nutzung von Landkarten, auf denen die Risiko-Regionen markiert sind.
Auch die japanische Regierung hat erste Schritte unternommen, um für ein mögliches weiteres Erdbeben besser gerüstet zu sein. Straßenschilder zeigen nun den Weg zu zahlreichen Evakuierungsposten. Außerdem werden verstärkt elektronische Verkehrsschilder eingesetzt, die Autofahrer in Echtzeit vor Erschütterungen warnen sollen. Darüber hinaus ist eine Reihe von Kirschbäumen entlang der vom Tsunami betroffenen Küste gepflanzt worden, um die Bevölkerung stetig an die Katastrophe vom 11. März 2011 und die noch immer bestehenden Risiken zu erinnern.
Prof. Dr. Andreas Bertram, Präsident der Hochschule Osnabrück, dankte nicht nur Kenzo Hiroki für seinen Besuch. „Die Hochschule Osnabrück hat erneut von den internationalen Aktivitäten unserer Kollegin Ursula Eid profitieren dürfen, denn sie hat den Kontakt zu Herrn Hiroki hergestellt.“ Ursula Eid lehrt seit 2009 an der Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur Nachhaltigkeit in der Wasserver- und Wasserentsorgung. Außerdem ist sie Vizepräsidentin des „Beraterkreises für Wasser und sanitäre Grundversorgung des UN Generalsekretärs“ (UNSGAB).