Bereits seit zwei Jahren besteht ein Partnerschaftsabkommen zwischen der National Chi Nan University im taiwanesischen Puli und dem Institut für Bildung und Kultur der Universität Jena, von dem beide Seiten bisher rege Gebrauch machen. Dabei ist zufälligerweise ausgerechnet Friedrich Schiller einer der Urheber für Changs Interesse am Thema Bildung.
„Ich habe die Antrittsvorlesung gelesen, mit der Schiller seine Zeit an der Universität Jena begonnen hat“, sagt der taiwanesische Gast. „Darin unterscheidet er zwischen zwei Studentengruppen: denen, die aus Karrieregründen studieren, und denen, die nach Wissen streben. Vor allem letzteren sollte laut Schiller die Universität vorbehalten sein.“
Diese Idee der höheren Bildung gemeinsam mit Wilhelm von Humboldts Bildungsideal der Universität als Ort der Forschung, Lehre und ganzheitlichen Bildung sollte auch heute noch die maßgebende Orientierung sein. „Wir haben den eher hermeneutischen als empirischen Ansatz, Wissen zu erlangen, lange Zeit als Stärke der deutschen Bildungslandschaft betrachtet, dem es galt nachzueifern – zumal wir mit den Ideen von Konfuzius eine ähnliche philosophische Grundlage besitzen“, erklärt Chang, dessen Projekt vom taiwanesischen Bildungsministerium gefördert wird.
Der Wertschätzung einer auf offene Verständigung ausgerichteten Kulturhermeneutik stehen jedoch heute die Veränderungen entgegen, die bestimmte Formen empirischer Forschung, stärkere Spezialisierung und höherer Konkurrenzdruck zwischen Universitäten im weltweiten Vergleich mit sich gebracht haben. Junge Wissenschaftler sind oftmals in Forschungsgruppen mit komplexen und umfangreichen Vorhaben eingebunden. Individuelle Forschung ist kaum noch möglich. Wissenschaftlerkarrieren sind aufgrund der festen Strukturen an den Hochschulen dabei oftmals sehr langwierig. Mit einer Reihe von politischen Beschlüssen und Maßnahmen hat in den vergangenen Jahren an den deutschen Universitäten ein Veränderungsprozess unter anderem auch der Karrierewege von Wissenschaftlern eingesetzt.
Mit seinem Forschungsprojekt, das Befragungen deutscher Wissenschaftler mit der Auswertung vorliegender Studien verbindet, möchte Prof. Chang herausfinden, wie die Universitäten hierzulande den neuen Entwicklungen begegneten. So sei etwa die Juniorprofessur eine interessante Einrichtung, um Nachwuchswissenschaftlern den Einstieg in die akademische Laufbahn zu vereinfachen. In Taiwan werde derzeit über die Einführung einer Lehrprofessur nachgedacht, deren Inhaber ausschließlich Seminare und Vorlesungen halten.
Changs Gastgeber, der Jenaer Pädagoge Prof. Dr. Dr. Ralf Koerrenz, zeigt sich sehr interessiert an der Forschung seines Kollegen. „Zum einen ist für uns der Besuch von Professor Chang eine gute Möglichkeit, um unser System, in dem wir uns bewegen, von außen zu betrachten“, sagt der Jenaer Pädagoge. „Zum anderen ist es sehr spannend, sich dem Themenfeld Bildung und Erziehung einmal aus fernöstlicher Perspektive zu nähern.“
Generell sei es dabei interessant zu beobachten, wie sich – bis heute – unterschiedliche Kulturmuster im Alltag ausprägen, egal ob sie von den Lehren Lao Tses und Kung Tses in Ostasien oder entsprechenden Vertretern, wie etwa Schiller und Humboldt, in Westeuropa ausgehen. Aus diesem Grund pflegt das Institut für Bildung und Kultur vielfältige Partnerschaften gerade nach Ostasien. Auch das Projekt des Taiwanesischen Kollegen wird Koerrenz deshalb in den kommenden drei Jahren begleiten.
Kontakt:
Prof. Dr. Dr. Ralf Koerrenz
Institut für Bildung und Kultur der Universität Jena
Am Planetarium 4
07743 Jena
Tel: 03641 / 945331
E-Mail: ralf.koerrenz(at)uni-jena.de