Die wissenschaftliche Betrachtung deutsch-türkischer Migrationsprozesse steht im Mittelpunkt eines Symposiums, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Zusammenarbeit mit der Universität Bonn und dem Forum Internationale Wissenschaft, dem Orient-Institut Istanbul und dem Kulturwissenschaftlichen Institut, Essen, am 5. und 6. Mai 2015 im Universitätsclub Bonn ausgerichtet wird. Die zweitägige Konferenz, an der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie politische Entscheidungsträger aus beiden Ländern teilnehmen, fragt nach einem „Perspektivenwandel durch Migration?“ und ist die zweite Veranstaltung dieser Art. Bereits im Oktober 2014 fand in Istanbul die erste Tagung zum Thema unter dem Titel „Modernisierung durch Migration?“ statt – damals im Rahmen des Deutsch-Türkischen Wissenschaftsjahres.
Zur Eröffnung am Mittwoch, 5. Mai 2015, um 10.30 Uhr werden hochrangige politische Vertreterinnen und Vertreter beider Länder Grußworte an die Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer richten: Erwartet werden die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und Staatsministerin im Kanzleramt, Aydan Özoğuz, sowie Hüseyin Avni Karslıoğlu, Botschafter der Republik Türkei in Berlin, und Dr. Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dazu kommen Dozent Dr. Kudret Bülbül, Präsident des Präsidiums für Auslandstürken und verwandte Gemeinschaften, und Professor Dr. Ahmet Cevat Acar, Präsident der Türkischen Akademie der Wissenschaften (TÜBA). Anwesend sein werden auch der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch sowie Dr. Götz Schmidt-Bremme, Beauftragter für Migrationsfragen im Auswärtigen Amt, und C. Berker Ülker, Abteilungsleiter Außenbeziehungen im Ministerium für Jugend und Sport der Republik Türkei.
Begrüßt werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von den gastgebenden Organisationen in Person von Professor Dr. Michael Hoch, Rektor der Universität Bonn, und DFG-Präsident Professor Dr. Peter Strohschneider. Aus Sicht Strohschneiders sind pluralistische Einwanderungsgesellschaften infolge von Migrationen nicht einfach nur mit einem Mehr an Lebensformen, kulturellen Praktiken und Einstellungen ausgestattet, sondern auch mit dem Wissen um diese Vielfalt. „Womöglich besteht einer der wichtigsten Effekte der deutsch-türkischen Migration in jüngerer Zeit vor allem darin, dass sie unsere Gesellschaften mit jener Zumutung vertraut macht, die in jedem Vergleichen zwischen eigener und fremder Kultur steckt. Nur wer sich solches Vergleichen zumutet, kann sich auf jenes kommunikative Wechselspiel gegenseitiger Neugierde einlassen, das für die Integration pluralistischer Gesellschaften entscheidend ist“, so Strohschneider.
Das Symposium findet statt vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Debatten zu Migration und dem „Einwanderungsland Deutschland“. Als 1961 das Anwerbeabkommen für Arbeitskräfte aus der Türkei in Bad Godesberg unterzeichnet wurde, gingen sowohl das Anwerbe- als auch das Entsendungsland von einer Beschäftigungspolitik auf der Basis eines „Rotationskonzeptes“ aus, in dem befristete Zuwanderung und Rückwanderung einander ausgleichen sollten. Inzwischen leben bereits Einwanderer der zweiten und dritten Generation der ehemaligen Gastarbeiter in Deutschland. Zudem verbinden sich aktuell immer stärker Migrations- und „Pendel“-Bewegungen zwischen der Türkei und Deutschland mit zunehmend globalisierten Transformationsprozessen. Neue Medientechnologien und soziale Netzwerke überbrücken die Kluft zwischen Anwesenden und Abwesenden und ermöglichen zumindest virtuell enge Verbindungen zwischen räumlich getrennten Menschen. Diese Verdichtungsprozesse – die Verknüpfung von alter Heimat, Heimatfamilie und neuer Heimat – prägen das aktuelle Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland ebenso wie die Intensivierung des medialen Kontakts und des Informationsaustausches. „Kommen, bleiben, wieder gehen oder pendeln?“ heißt deshalb auch eine Frage, die im Rahmen der Konferenz beleuchtet wird.
Weitere wissenschaftliche Beiträge beschäftigen sich etwa mit rechtlicher Inklusion und Exklusion von Migranten in der Türkei und Deutschland oder reflektieren das Verhältnis von Menschenrechten und Migration. Auch wird diskutiert, inwieweit Religion ein Faktor für gesellschaftliche Integration sein kann. Zudem wird es eine Podiumsdiskussion zum Thema „Internationalisierung der Wissenschaft und Migration“ geben. Am Ende der Konferenz soll die Frage beantwortet sein, ob – und wenn ja, wie – durch Migration verursachte Transformationsprozesse einen Perspektivenwandel in beiden Gesellschaften hervorrufen.
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