Politische Zielsetzungen und Programme: Vietnam
Bildungspolitische Zielsetzungen und Programme
Im Bereich der Höheren Bildung formulierte die vietnamesische Regierung in der 2005 beschlossenen "Higher Education Reform Agenda" (HERA) folgende - bis 2020 zu erreichende - Hauptziele:
- Aufbau eines Hochschulnetzes, das Vietnams sozioökonomische Entwicklung unterstützt und ermöglicht,
- Entwicklung eines Hochschulcurriculums, das Forschung ermöglicht, Studierende arbeitsmarktgerecht ausbildet, Qualitätssicherung gewährleistet und von akkreditierten Hochschulen eingesetzt wird,
- Fortsetzung des Wachstums des Bildungsmarktes und weitere Steigerung der Zahlen eingeschriebener Studierende,
- Verbesserung der Qualifikationen von Hochschulpersonal mit dem Ziel, ein 20:1 Verhältnis zwischen Studierenden-Dozenten zu erreichen, und mindestens 60 Prozent des gesamten wissenschaftlichen Personals mit Masterabschluss und mindestens 35 Prozent mit Promotion zu beschäftigen,
- Ausbau von wissenschaftlich-technologischer Forschung und Entwicklung an Schlüsseluniversitäten mit dem Ziel, mindestens 25 Prozent des Umsatzes einer Hochschule aus diesen Aktivitäten zu generieren.
Die vietnamesische Wissenschaftscommunity ist sich einig, dass die Qualität von Forschung und Lehre ein entscheidendes Problem ist. Dies wird in der Agenda jedoch nicht mit operationalen Zielen angesprochen. Die Höherqualifizierung der Dozenten sollte mit einer Verbesserung der Lehrqualität, insbesondere der Anwendung von modernen Methoden der Wissensvermittlung einhergehen. Das Thema "Lernkultur" berührt jedoch die Wurzeln der kulturellen Identität und würde eine umfassende Diskussion und Reform verlangen, welche derzeit nicht erkennbar ist. Daher sind die durch HERA geschaffenen Veränderungen eher im formellen denn im inhaltlichen Bereich zu sehen.
Es bleibt abzuwarten, ob eine schrittweise Umstellung von passiver Wissensvermittlung zur Entwicklung kritischer und kreativer Wissensverarbeitung in Vietnam gelingt. Innerhalb der Region ist dieser kulturelle Wandel bereits in Singapur, Taiwan und Südkorea erfolgreich praktiziert worden.
Forschungs- und Innovationspolitische Ziele und Programme
Die Wissenschafts- und Technologieentwicklungsstrategie 2011–2020 formuliert die forschungs- und innovationspolitischen Ziele, u.a.
- Wissenschafts- und Technologiekapazitäten sollen bis 2020 zu den Top 3 in ASEAN gehören;
- Anschluss an das internationale Niveau in ausgewählten Bereich, insbesondere in Mathematik, theoretischer Physik und Medizintechnik;
- 60 Nationale Forschungseinrichtungen sollen bis 2020 Weltniveau erreicht haben;
- in diesem Rahmen soll die Anzahl internationaler wissenschaftlicher Publikationen um 15-20 Prozent pro Jahr gesteigert und die Anzahl der Patentanmeldungen verdoppelt werden;
- der Wert von Hightech-Produkten als Ergebnis angewandter Forschung soll bis 2020 auf 45 Prozent des BIP steigen.
Parallel dazu sollen die wissenschaftliche Infrastruktur und Transferstrukturen ausgebaut werden. Hierzu zählt der angestrebte Aufbau von Technologieparks und Inkubatoren in Forschungseinrichtungen und Hochschulen. Zudem sollen regionale Wissenschafts- und Technologiestrukturen ausgebaut werden, die je nach regionalen Stärken ausgerichtet werden und gleichzeitig lokale Unternehmen unterstützen. Schlüsselelement sind hierbei sogenannten National Key Laboratories (NKL), die auf internationalem Niveau forschen und den Brückenschlag von angewandter Forschung zur Kommerzialisierung innovativer Produkte leisten sollen. Bislang wurden 16 NKLs in strategischen Bereichen, wie Biotechnologie, IKT sowie Material- und Energieforschung aufgebaut. Die NKLs wurden seit Anfang des letzten Jahrzehnts mit je 3-5 Mio. US-Dollar gefördert.
Inhaltlich sollen sich Forschungsprogramme an der „Vietnam Green Growth Strategy" (VGGS) orientieren, mit der das Land eine grüne, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Ökonomie anstrebt.
Um die Innovationsforschung zwischen den einzelnen Akteuren zu fördern, wurde 2011 der National Technology Innovation Fund (NATIF) ins Leben gerufen. Antragsberechtigt sind staatliche und private Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit einem Sitz in Vietnam. Gefördert werden FuE-Symposien und FuE-Projekte. Aus dem NATIF Fond können seit 2016 Mittel beantragt werden.
Neben dem MOST bemühen sich auch andere Ministerien um die Stärkung der Innovationsfähigkeit des Landes, hierunter fallen beispielsweise Programme des Industrie- und Handelsministeriums (MOIT) zur Förderung der pharmazeutisch/chemischen Industrie und des Landwirtschaftsministeriums (MARD) zur Entwicklung und Anwendung biotechnologischer Verfahren im Agrarbereich.
Weitere Informationen
Links/Institutionen
Ergebnisse von Evaluierungen
Die OECD hat die Forschungs- und Innovationslandschaft evaluiert („Science, Technology and Innovation in Vietnam“, 2014). Die Studie hebt hervor, dass FuE-Kapazitäten sowohl in der Industrie als auch im öffentlichen Sektor bislang unterentwickelt sind und Förderprogramme unzureichend mögliche Synergien zwischen den einzelnen Akteuren nutzen. Unternehmen und deren Forschungskapazitäten sollten im Mittelpunkt der vietnamesischen Innovationspolitik stehen (vgl. neuere Entwicklungen in Kap. 4.1.2). Es wird empfohlen, die Koordination von Förderaktivitäten zwischen den zuständigen Ministerien, Agenturen und Zuwendungsempfängern besser abzustimmen und die Entscheidungsgrundlage für Förderprogramme in Form aktueller und umfassender Bildungs- und Forschungsstatistiken zu verbessern. Insgesamt sieht der Bericht Vietnam im Bildungsbereich auf einem guten Weg und führt hierzu die Ergebnisse der PISA-Studie (2012) zu den naturwissenschaftlich-mathematischen Kenntnissen bei Schülern der Sekundarstufe an. Erhebliche Defizite bestehen jedoch weiterhin bei der Vermittlung neuesten Wissens im Hochschulbereich und einer praxisnahen, nachfrageorientierten Ausbildung, insbesondere an Berufsschulen.
Eine weitere OECD-Studie („Effectiveness of research and innovation management at political and institutional levels in Cambodia, Malaysia, Thailand and Vietnam”, 2014) kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass sich politische Entscheidungsträger und Führungskräfte zu wenig von globalen Trends bei der Konzeption von Förderprogrammen leiten lassen. Eine stärkere Autonomie von Hochschulen kann einen positiven Impuls für Forschung und Innovation geben. Gleichzeitig bedarf es eines gezielten Ausbaus von Managementkapazitäten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen, um ein effektives und verantwortliches Handeln zu stärken.