Der französische Minister für Industrie, Energie und numerische Wirtschaft hat im Oktober letzten Jahres Professor J. Percebois, Professor an der Universität Montpellier und C. Mandil, früherer Exekutivdirektor der Internationalen Energie Agentur (IEA) beauftragt, eine Analyse verschiedener Szenarien für die französische Energiepolitik bis zum Jahre 2050 zu erstellen. Beiden Experten stand eine Gruppe von Berichterstattern zur Seite, die von der Abteilung Energie des Ministeriums unterstützt wurden sowie vom Zentrum für strategische Analysen, vom Institut Français du Pétrol (IFP), dem Commissariat à l'énergie atomique et aux énergies alternatives (CEA) und von der Generaldirektion des Schatzamtes.
Auf Wunsch des Ministers wurden sämtliche Energieträger einbezogen und drei Optionen zum Elektrizitätsangebot in Frankreich analysiert:
- Verlängerung des Betriebs des aktuellen Kernenergieanlagenparks
- Beschleunigung des Übergangs auf die dritte bzw. vierte Generation von Kernreaktoren
- Eine fortschreitende Reduktion der Kernenergie bzw. der komplette Ausstieg aus der Kernenergie.
Die sorgfältige Analyse (197 Seiten und ausführliche Anlagen) soll als Grundlage für die mehrjährige Investitionsplanung dienen, die der Minister im Jahre 2013 dem Parlament mit dem Ziel vorlegen soll, die langfristige Energieversorgung Frankreichs zu sichern. Die Expertengruppe hat unter Hinweis auf die Zuständigkeit der Reaktorsicherheitsbehörde ausdrücklich auf jegliche Wertung zur Reaktortechnologie verzichtet.
Die Autoren haben folgende Empfehlungen formuliert.
Empfehlung n° 1: Sachlichkeit und Energieeffizienz zur großen nationalen Angelegenheit machen; zu Vorschlägen aufrufen, um Forschung, Entwicklung und Innovation in diesem Bereich zu mobilisieren, wobei die Bereiche Bau und Transport bevorzugt werden sollen.
Empfehlung n° 2: Für jede energiepolitische Entscheidung die Kosten und die Folgen für die Staatsfinanzen, für die Handelsbilanz, für die CO2-Emisionen und für die Beschäftigung im Vergleich zu anderen Entscheidungen bewerten, bevor Prioritäten gesetzt werden.
Empfehlung n° 3: Sich jede administrative Abschaltung eines Kernreaktors versagen, die nicht vom Betreiber als Folge einer Weisung der Reaktorsicherheitsbehörde entschieden wurde.
Empfehlung n° 4: sich mutig zu einer Politik der Wahrheit über Energiepreise (also Preissteigerung) sowie der CO2-Emissionen bekennen, wobei der Fall der Versorgungsunsicherheit sowie der Fall der industriellen Großabnehmer auf spezifische und unterschiedliche Art zu behandeln sind.
Empfehlung n° 5: Die Initiative ergreifen, unseren wichtigsten europäischen Partnern eine erneute, tiefgreifende Untersuchung der internen Energiemarktregeln vorzuschlagen: das soll die Finanzierung der notwendigen Investitionen ermöglichen, insbesondere diejenigen, welche die Spitzenlast und die Kohärenz der Akteure zu sichern erlaubt.
Empfehlung n° 6: Eine Initiative entfalten im Bereich der internationalen Harmonisierung von Vorschriften und Praktiken der nuklearen Sicherheit mit dem Ziel, diese Regeln und Praktiken zu einer Konvergenz auf höchstem Niveau zusammenzuführen.
Empfehlung n° 7: Den Aufwand für öffentlichen Forschung im Bereich der Energie beibehalten bzw. verstärken, und zwar in internationaler Zusammenarbeit und unter absoluter Priorität für Programme, die gemeinsam durch öffentliche Forschungseinrichtungen und innovierenden Groß- oder Kleinunternehmen in Bewegung gesetzt werden, welche in der Lage sind, den Weltmarkt zu erobern. Erneuerbare Energien und Energiespeicherung sollen dabei eine besondere Aufmerksamkeit erfahren.
Empfehlung n° 8: Heute kein Ziel für den Nuklearanteil für welchen Zeithorizont auch immer festlegen, sondern die Zukunft nicht aufs Spiel setzen und für die Nuklearindustrie eine Langzeitperspektive durch Weiterverfolgung der Entwicklung der vierten Generation offenhalten. Die Lebensdauerverlängerung des aktuellen Anlagenparks scheint uns deshalb die Lösung der geringsten Nachteile (allerdings unter der absoluten Bedingung, dass sie von der Reaktorsicherheitsbehörde genehmigt wird).