StartseiteLänderEuropaFrankreichFrankreich: Der Bürgerdialog "Nanotechnologien" erbrachte nicht die von ihm erhofften Ergebnisse

Frankreich: Der Bürgerdialog "Nanotechnologien" erbrachte nicht die von ihm erhofften Ergebnisse

Sieben Ministerien hatten am 23.2.2009 mit einem gemeinsamen Schreiben die "Commission nationale du débat public" (CNDP) um die Durchführung eines landesweiten Dialogs mit der Zivilgesellschaft zu den mit den Nanotechnologien zusammenhängenden Fragen gebeten. Die CNDP ihrerseits übertrug diese einer "Commission particulière du 'Débat publique Nanotechnologies'". Der Präsident der CNDP zog am 13.4.2010 eine ernüchternde Bilanz des Bürgerdialogs.

Der Bürgerdialog "Nanotechnologien" beruht formell auf der "Loi de programmation relative à la mise en oeuvre du Grenelle de l' Environnement" vom 3.8.2009. Die Regierung werde -so ein Pressekommuniqué des Forschungsministeriums vom 13.4.2010 - in den nächsten Wochen die Bilanz des Bürgerdialogs analysieren, um daraus die nützlichen Lehren zu ziehen und die Folgerungen zu präzisieren, die sie daraus ziehen wird. Die Schlussfolgerungen der Regierung würden die von der CNDP zusammengefassten Fragen und Erwartungen berücksichtigen, insbesondere den Wunsch, die Konzertation mit der Zivilgesellschaft fortzusetzen.

Der Dialog ("débat publique") fand in der Zeit vom 15.10.2009 bis zum 24.2.2010 statt. Das französische Forschungsministerium begrüßte in seinem Kommuniqué vom 13.4.2010 die von der Kommssion geleistete Arbeit. Diese fand praktisch durchgehend unter schwierigen Bedingungen statt, da bestimmte Personen bzw. Personengruppen die Legitimität jeglichen Gedankenaustauschs zu den zu behandelnden Fragen mit der Begründung bestritten, dass "die Entscheidungen bereits gefallen seien"; damit verbunden war von einigen Seiten auch der Vorwurf mangelnder Unabhängigkeit der CNDP. Das führte teilweise zu nachhaltigen Störungen der Veranstaltungen, in einigen Städten sogar dazu, dass diese abgesagt werden mussten.

Gleichwohl gelang es mittels des Bürgerdialogs, das allgemeine Publikum für die mit den Nanotechnologien zusammenhängenden neuartigen Fragen zu sensibilisieren.

Den mit dem Bürgerdialog betrauten Persönlichkeiten gelang es insbesondere, die von Seiten der einschlägigen Einrichtungen bzw. Organisationen sowie des Publikums zu den vielfältigen Anwendungsformen der Nanotechnologien aufgeworfenen Fragen und Meinungen bezüglich Pro und Contra der Nanotechnologien, ihrer Sinnhaftigkeit sowie der mit ihnen verbundenen gesellschaftlichen, ethischen und regulatorischen Probleme zu einem nachvollziehbaren Meinungsbild und gleichzeitig Stimmungsbild zusammenzufassen.

Einige Zahlen zu dem Ablauf des landesweit angelegten Bürgerdialogs:

  • 149 759 Besuche der einschägigen Internetseite
  • 913 Artikel in der Schriftpresse
  • 51 "Cahiers d' acteurs"
  • 3216 Teilnehmer an den von der "Commission particulière" durchgeführten Veranstaltungen
  • 661 Fragen
  • 252 Stellungnahmen
  • 75 Beiträge.

Eine vom Präsidenten der CNDP, Philippe Leslandes, verfasste 12-seitige "Bilanz des Bürgerdialogs zu den Entwicklungen und der Regulierung der Nanotechnologien", die sich im Gegensatz zu dem sehr viel ausführlicheren "Compte rendu" eher als thesenförmige Zusammenfassung des Bürgerdialogs versteht, steht unter der oben angegebenen Internet-Adresse zur Verfügung. Die Bilanz ist wie folgt gegliedert:

  • Die Vorbereitung des Bürgerdialogs
  • Der Ablauf der rund fünfmonatigen landesweit durchgeführten Veranstaltungen
  • Gegen die Nanotechnologien kämpfen gleichbedeutend mit Kampf gegen den Bürgerdialog?
  • Was erwartet man Positives von den Nanotechnologien?
  • Was befürchtet man von ihrer Entwicklung?
  • Was wirft man ihnen vor?
  • Was schlägt man vor?
    • Kennen und bessere Kenntnisse vermitteln
    • Evaluieren: die Forschung ausweiten, um Vorteile und Risiken besser miteinander vergleichen zu können
    • Ausbildung: schreiende Unzulänglichkeiten beheben
    • Schützen: die Sicherheit der betroffenen Arbeitnehmer verstärken
    • Die individuellen und kollektiven Freiheiten gewährleisten
    • Ein ethisches Rahmenwerk für die Entwicklung der Nanotechnologien vorsehen
    • Eine neue "gouvernance" verwirklichen
    • Regulieren: auf nationaler oder europäischer Ebene?
  • Welche Bilanz ist aus dem Bürgerdialog zu ziehen?
    • Der Dialog fand statt
    • Aber er ist nicht beendet
    • Welche Lehren zieht die CNDP daraus?

Im Verlauf des Bürgerdialogs wurden in einigen Punkten Parallelen zu dem rechtlichen Instrumentarium gezogen, das für den Bereich der nuklearen Sicherheit und den Strahlenschutz durch das französische Gesetz vom 25.6.2006 seine heutige Ausformung gefunden hat. Es zeichnete sich der Konsens ab, die EU-REACH-Richtlinie der durch die Nanomaterialien geschaffenen Problemlage anzupassen. Kritk fand die Tatsache, dass zzt. nur 3 % der einschlägigen öffentlichen Fördermittel für die Nanotechnologien den Fragen der mit diesen verbundenen Risiken gewidmet seien. Von einigen Seiten wurde wegen möglicher gesundheitlicher Auswirkungen bestimmter Nanomaterialien ein partielles, teilweise sogar umfassendes, Moratorium gefordert.

Philippe Lelandes, der Präsident des CNDP, stellt fest, dass der Bürgerdialog - konfrontiert mit den sich in ihrem Verlauf steigernden lautstarken Störungen der Veranstaltungen - nicht den erhofften Erfolg gebracht habe . Er schließt die Bilanz mit dem Satz:"Ich kann nur die Ungeduld der Öffentlichkeit unterstreichen, die Folgerungen kennenzulernen, die die Regierung sowohl in den Bereichen Wissenschaft und Technik als auch im sozialen und politischen Bereich aus dem Bürgerdialog zieht."

Neben der Bilanz steht das ebenfalls von Philippe Leslandes verantwortete 152 Seiten umfassende Compte rendu" (einschließlich 17 Anlagen) im Internet zur Verfügung (s.o.). Es ist nach dem gleichen Schema wie die Bilanz aufgebaut und unter der Überschrift "Les enseignements du débat"in zehn Sachgebiete gegliedert.

Auch alle anderen Dokumente, die im Verlauf des Bürgerdialogs eine Rolle gespielt haben, stehen unter der obigen Internetanschrift zur Verfügung.

Quelle: www.recherche.gouv.fr Redaktion: Länder / Organisationen: EU Frankreich Themen: Physik. u. chem. Techn.

Projektträger