In Frankreich gibt es 3,1 Millionen Personen, die die gesellschaftlichen Mindestanforderungen an die Beherrschung der Schriftsprache, deren Erfüllung Voraussetzung zur Teilnahme an schriftlicher Kommunikation in allen Arbeits- und Lebensbereichen ist, unterschreiten (funktionelle Analphabeten, "illettrés").
3,1 Millionen funktionelle Analphabeten entsprechen 9 % der französischen Bevölkerung im Alter von 18 bis 65 Jahren. Tests zur Vorbereitung auf den Militärdienst haben ergeben, dass 21 % der Siebzehnjährigen das Lesen schlecht beherrschen, 5 % von ihnen sind "illettrés". Dies bedeute für die Betroffenen - so der Erziehungsminister- soziale Ungleichheit und führe zum Ausschluss aus Gesellschaft und Arbeitsleben.
Luc Chatel hat zur Ausarbeitung seines Plans Politiker, Mitglieder der Académie Francaise, Schriftsteller, Sachverständige und Pädagogen zu Rate gezogen. Er will:
- die Rolle der "école maternelle" als echte Schule stärken .
Die Aneignung der Sprache (u.a. das methodische Erlernen des Vokabulars und das Entdecken des "univers de l' écrit") müsse ihr wesentliches Ziel sein. Auch sei es wichtig, schon in der "école maternelle" das Gedächtnis der Kinder zu stimulieren. Auch müsse man in diesem Entwicklungsstadium der Kinder, falls notwendig, individuelle Lernbegleitungen einsetzen. - von der "école maternelle" an und darüber hinaus den Schülern bestimmte "Automatismen" mittels Auswendiglernen, Wiederholen (Konjugationen, Multiplikations-Reihen) und Rezitation von Texten vermitteln.
- den Dialog zwischen den Lehrpersonen und den Familien verstärken
- die Einsetzung eines für die Vorbeugung von Analphabetentums zuständigen Ansprechpartners durch alle Präsidenten der Schulverwaltungsbezirke ("recteur d' académie")
- die Konzentrierung der Arbeit der 100 für die "écoles maternelles" zuständigen Schulräte ("inspecteurs") auf die Vorbeugung des "illettrisme"
- den Abschluss von Partnerschaftsvereinbarungen vorantreiben mit der "Agence nationale de lutte contre l' illettrisme" sowie u.a. mit der "Caisse des dépôts et de consignations", der "Fondation pour l' égalité des chances à l' école" und anderen Einrichtungen und Mäzenen wie der "Association pour favoriser une école efficace" zwecks Förderung von Pilotprojekten.
Aus der Zahl der schon bewährten Pilotprojekte erwähnt Luc Chatel insbesondere das "Dictionnaire de l' Académie de Créteil", die Aktivitäten der Vereinigung "Lire et faire lire". Ihm schwebt vor, dass in der Grundschule künftig jeder Schüler am Ende eines Schuljahres ein Buch ("un livre d' été") erhält, um ihn so das ganze Jahr zum Lesen zu ermutigen . Er erwartet hierzu ein Engagement der Mäzene.
Abschließend weist der Erziehungsminister auf die kürzliche Wiederbelebung des "Observatoire national de la lecture" hin, dessen Aufgaben um die Erweckung der "Lust am Lesen" und die Diversifizierung geeigneter Träger ("supports") erweitert werden.
In Deutschland gibt es nach Angaben des BMBF schätzungsweise vier Millionen funktionelle Analphabeten. Bundesministerin Dr. Schavan sagte vor einiger Zeit, "die Alphabetisierung gehöre zu den wichtigsten Aufgaben des Bildungssystems".