Die 19 Seiten umfassende Stellungnahme des „Comité Consultatif Nationale d‘ Ethique pour les Sciences de la vie et de la Santé“ (CCNE) enthält folgende Hauptabschnitte:
- IRMf: Technik und klinische Forschung (I.)
- Die ethischen Probleme, die sich bei der Forschung unter Benutzung von IRMf stellen(II.)
- Die ethischen Probleme, die sich im außermedizinischen Bereich bei Benutzung von IRMf stellen (III.)
- Vertraulichkeit und Datenschutz (IV.)
- Einige Empfehlungen / Conclusions et recommandations (V. Seiten 14 – 15)
Das CCNE sieht in der durch IRM /MRT sich als nicht-invasive Methode seit den achtziger Jahren zu vollziehenden Revolution im besseren Verständnis der Struktur und der physikalisch-chemischen Zusammensetzung des menschlichen Hirns einen unbestreitbaren Fortschritt. Der Einsatz der Methode für diagnostische, prognostische und therapeutische Zwecke habe in bemerkenswerter Weise Fortschritte in der Behandlung von Patienten erlaubt, die an Erkrankungen des Gehirns leiden; das gelte in gleicher Weise für das bessere Verständnis der jeweiligen Krankheitsbilder. Die Fortschritte in den Neurowissenschaften seien vollständig den Fortschritten in der Erforschung des Gehirns zu verdanken. Unter ihnen nehme die Magnetresonanztomographie (IRM / MRT) eine hervorgehobene Stellung ein, denn sie werde sowohl am häufigsten in der klinischen Praxis und in der Forschung eingesetzt; sie liefere die meisten Informationen sowohl über die Struktur wie über die Funktionsweise des Gehirns.
Die Schnelligkeit, mit sich die bildgebenden Techniken entwickelten, drohe jedoch zu einer Verselbstständigung der hierbei angewandten Praktiken derart zu führen, dass die Verbindung mit den Wissenschaften einerseits und die ethische Reflexion andererseits, sich auseinander entwickelten.
Das CCNE weist in der Einleitung zu seiner Stellungnahme darauf hin, dass die jetzt von ihm vorgelegte "Avis116" sich auf die ethischen Probleme beschränke, die durch die technologischen Fortschritte in den Methoden der Erforschung des Gehirns, insbesondere derjenigen, die es erlauben, die Funktionsweise des Hirns zu untersuchen. Das typischste Beispiel hierfür sei im Augenblick die „imagerie par résonance magnétique fonctionnelle“ (IRMf).
Auf diesem Hintergrund empfiehlt das CCNE
- die größte Wachsamkeit gegenüber den sog. „Wahrheitstests“und den Tests betreffend die Gewinnung eines Profils einer Person und seiner mentalen Funktionen mittels IRMf walten zu lassen;
- die mittels IRMf gewonnenen Aufnahmen nur mit den Hypothesen in Beziehung zu setzen, die Veranlassung zu ihnen gegeben haben;
- nicht der Faszination der mittels IRMf gewonnenen Aufnahmen zu unterliegen, vielmehr in ihnen lediglich ein Element zu sehen, um die Wahrscheinlichkeit im Rahmen eines breiten Bündels von Argumenten zu verbessern;
- darauf zu achten, dass die Aktivitäten des Gehirns einer Person nur unter Berücksichtigung ihres sozialen Milieus und des von ihr durchlaufenen „Lernprozesses“ sowie des Gesamtzusammenhangs und der von ihr erlebten Welt („le monde vécu“) interpretiert werden;
- sich zu vergewissern, dass die mittels IRMf durchgeführten Forschungen – sei es bei Patienten oder gesunden Freiwilligen – sich an den für biomedizinische Forschung bestehenden rechtlichen Rahmen halten;
- die größte Aufmerksamkeit den Konsequenzen eines nicht ausreichend geschützten Zugangs zu den mittels IRM und IRMf gewonnen Aufnahmen zu widmen und die systematische Anonymisierung der gespeicherten Aufnahmen zu fördern;
- die Verwendung der Neuro-Bildgebung außerhalb der medizinischen Forschung mit der strikten Maßgabe zu begleiten, dass sie – insbesondere in gerichtlichen Verfahren – nicht zu Diskriminierungen führt;
- die ethische Überwachung („vigilance éthique“) bei Gebrauch von IRM / IRMf gerade dann zu verstärken, wenn die technischen Möglichkeiten der Erforschung des Gehirns und seiner Funktionsweise sich sehr schnell weiterentwickeln und verfeinern.
Le Figaro (Sciences“) vom 22.3.2012 gab seinem einschlägigen Artikel die Überschrift „L‘ imagerie peut-elle permettre de lire les pensées?“ und versah ihn mit dem Untertitel „Das CCNE ist in einer Stellungnahme über mögliche Fehlentwicklungen der Neurowissenschaften und des Neuro-Imaging beunruhigt“. Damien Mascret schließt seinen Beitrag mit dem Satz „Das CCNE muss die Trennungslinie zwischen Fortschritt und ihren Grenzen ziehen“.