Neun Gutachterkomitees bestehend aus über 40 Experten aus dem In- und Ausland bewerteten die acht regionalen Forschungszentren sowie die Zentrale des INRIA. Die jeweiligen Vorsitzenden der Evaluierungsgruppe für die Forschungszentren (jeweils fünf Personen) gehörten auch dem Komitee an, dass die Zentrale begutachtete (17 Personen). Diesem Komitee saß Professor Denis Thérien von der kanadischen Universität McGill vor. Die Ortsbegehungen wurden im September und Oktober 2013 durchgeführt.
Die Stärken des Instituts
Das Gutachtergremium hebt positiv hervor, dass das INRIA exzellente Forschung leistet und dafür international anerkannt ist. Das Institut zeichne sich durch seine Projektteams aus, die um anerkannte Wissenschaftler herum gebildet werden aber auch durch das stete Bemühen, den Forschern ein Maximum an Zeit zum Forschen zu ermöglichen und dementsprechend guten Service anzubieten. Hierdurch, so der Bericht, könnten trotz großer internationaler Konkurrenz hochrangige Forscher gewonnen werden. Weiterhin seien mehr als 80 % der Projektteams Kooperationen mit anderen Forschungseinrichtungen aber auch mit großen Firmen (Alcatel-Lucent, Astrium, EDF, Microsoft, Total) und Ländern wie Chile, China und den USA. Insbesondere die beteiligten Unternehmensgruppen und Wettbewerbspole ("pôles de compétivité") seien sehr zufrieden mit der Exzellenzpolitik des Institutes. Dass die Leitung fest entschlossen sei, die Managementstrukturen zu professionalisieren, ist ebenfalls eine Stärke des INRIA. Etablierte Abteilungen wie die für Internationales oder die für Kommunikation leisteten ohnehin sehr gute Arbeit.
Die Schwachpunkte des Instituts
Der Bericht sieht hingegen Verbesserungsbedarf in der strategischen Positionierung des INRIA: Das Institut könne nicht in allen Bereichen der Informationstechnologie von der Grundlagenforschung bis zum Technologietransfer exzellent sein, sondern müsse Schwerpunkte bilden. Aufgrund der aktuellen Veränderungen in der französischen Hochschul- und Forschungslandschaft müsse das Institut weiterhin seine Rolle in den Regionen überdenken und sich verstärkt im Bereich der Standortpolitik einbringen. Auf Wunsch der verantwortlichen Ministerien sowie einigen Partnern soll das INRIA verstärkt auf Technologietransfer setzen. Unter den Forschern sei diese Strategie aber nicht unumstritten und die Budgets seien diesem Ziel nicht immer angepasst. Das INRIA müsse daher an der Unternehmenskultur arbeiten, aber auch die Effizienz der verschiedenen vorhandenen Maßnahmen auswerten. Die Gutachter betonen insbesondere, dass dem INRIA die Instrumente fehlten, um belastbare Daten für eine verantwortungsvolle Finanz- und Personalpolitik zu generieren, die sei ein wahrhaft "neuralgischer Punkt" für das Institut. Auch sollte die strategische Beteiligung oder Mitgliedschaft wie beispielsweise bei den Instituts Carnot (Label für Einrichtungen, in denen öffentliche Forschungseinrichtungen mit sozio-ökonomischen Akteuren, mehrheitlich Unternehmen, kooperieren) nicht nur von der Leitung sondern auch von den Angestellten getragen werden. Und nicht zuletzt sei die Bezahlung entsprechend den Tarifregeln des öffentlichen Dienstes ein ernsthaftes Hindernis, wenn man erfahrene Forscher internationalen Rangs gewinnen wolle.
Die Empfehlungen der Gutachter
Zusammenfassend empfiehlt das Komitee, dass das INRIA sich über seinen Platz in der französischen Hochschul- und Forschungslandschaft klarer werden müsse. Das Institut sieht sich einer besonderen Herausforderung gegenüber, die aus seinem doppelten Auftrag (Forschung und Transfer) resultiert. Einerseits sei es absolut nachvollziehbar, dass die zahlreichen Erfolge des INRIA im Transferbereich sowie bei seinen Beziehungen zur Industrie sichtbarer gemacht werden müssten. Diese Stärkung der Unternehmenskultur dürfe aber nicht auf Kosten der wissenschaftlichen Exzellenzkriterien gehen, für das INRIA weltweit und auch bei der Industrie anerkannt ist. Exzellenz müsse also auch weiterhin zentrales Kriterium bei Einstellungen, Beförderungen und der Schaffung neuer Teams sein. Andererseits müsse das "Arsenal" an Instrumenten überarbeitet werden, die es intern zur Transferförderung gebe. Gleichzeitig sollte man stärker auf Partnerschaften mit anderen Einrichtungen setzen, die Spezialisten für Innovation sind und schließlich die Arbeit des INRIA besser mit den nationalen und regionalen Technologietransfer-Akteuren koordinieren.
Das INRIA müsse sich stärker in der Standortpolitik engagieren und sensibler gegenüber dem Frust mancher Partner sein. Dies wünschten auch die verantwortlichen Ministerien. Weiterhin sei eine engere Zusammenarbeit mit den Universitäten sehr wünschenswert, z. B. bei strategischen Planungen, koordinierter Auslandsrekrutierung oder gemeinsamen Begutachtungsverfahren.
Das INRIA darf keinesfalls sein aktuelles Limit von 200 Projektteams überschreiten, sondern sollte die Anzahl eventuell sogar reduzieren, damit die Projektteams ausreichend Mittel zur Verfügung haben. Dies sei natürlich schwierig in Zeiten, wo die Informationstechnologien zunehmend wichtiger würden und die Expertise des Instituts gefragt sei. Aber ohne steigendes Budget sei es schwierig, alle Möglichkeiten wahrzunehmen.
Das INRIA erhebe zu Recht den Anspruch, für exzellente Forschung in den Informationstechnologien zu stehen und stehe daher in der Pflicht, sein Informationssystem (insbesondere seine Verwaltungssoftware) auf den neusten Stand zu bringen, indem es Ziele des Strategieplans 2013-2017 umsetzt. Im Bereich des Personalmanagements müssen die wenigen aber realen Fälle von Mitarbeitern, die am Arbeitsplatz leiden, von der Direktion sehr ernst genommen werden.
Das INRIA sollte Qualitätsindikatoren systematisch und einheitlich in allen acht Forschungszentren einsetzen.
Das INRIA muss sich auf die Entwicklung einer internen Kommunikationsstrategie konzentrieren, damit alle Bereiche des Instituts die vorgeschlagene Strategie und den Kurs der Direktion mittragen.
Hintergrund
Das INRIA wurde 1967 gegründet und untersteht sowohl dem Bildungs- als auch dem Wirtschaftsministerium. Seit seiner Gründung hat das INRIA die Aufgabe, einerseits Forschungen im Bereich der Informationstechnologien durchzuführen, andererseits aber auch auf deren wirtschaftliche und soziale Auswirkungen zu achten. Seine Aufgaben sind vor allem die Grundlagen- und angewandte Forschung im Bereich Informatik und Mathematik, u.a. die Realisierung von experimentellen und innovativen Systemen. Schwerpunkt der Arbeit des Forschungszentrums sind ebenso der Wissenschaftstransfer, die Valorisierung, die Expertise und Teilnahme an internationalen Programmen. 2013 verfügte das INRIA über ein Budget von 235 Millionen Euro. Das Institut wurde zuletzt 2009 extern begutachtet.