StartseiteLänderEuropaFrankreichFrankreich: Wissenschaftliche Experten sind über die Verfälschung ihres Votums durch die Leitung der "Agence francaise de sécurité sanitaire de l' environnement et du travail" (Afsset) empört

Frankreich: Wissenschaftliche Experten sind über die Verfälschung ihres Votums durch die Leitung der "Agence francaise de sécurité sanitaire de l' environnement et du travail" (Afsset) empört

In einem "Offenen Brief" vom 19.5.2010 an Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot und UmweltministerJean-Louis Borloo beschweren sich 8 Wissenschaftler, die an Afsset-Berichten mitgewirkt haben, dass die Leitung von Afsset in den letzten Monaten zum zweiten Mal die Öffentlichkeit absichtlich getäuscht und wissenschaftlichen Sachverstand mit Verachtung behandelt habe.

Die 8 Wissenschaftler, von denen 4 Mitberichterstatter der einschlägigen Sachverständigenberichte von Afsset waren, fühlen sich - so schreiben sie in dem "Offenen Brief - im Interesse ihrer Mitbürger und zur Verteidigung der Qualität und des Respekts wissenschaftlicher Gutachtertätigkeit verpflichtet, auf Inhalt und Form zu reagieren, mit denen die Leitung von Afsset die von ihnen vorgelegten Schlussfolgerungen in den offiziellen Stellungnahmen ("avis") genüber der Regierung interpretiert habe.

Anlass für den "Offenen Brief" sind die Afsset-Stellungnahmen betreffend die gesundheitlichen Auswirkungen elekromagnetischer Strahlungen, die von Mobilfunk-Antennen ausgehen sowie die gesundheitlichen Auswirkungen der Strahlungen von Hochspannungsleitungen im Niederfrequenzbereich. Mehrere Unterzeichner des "Offenen Briefes" sind darüber in Wut  geraten, dass die Afsset-Leitung  ihre offiziellen Stellungnahmen "ohne Konzertation mit den Autoren des zugrunde liegendes Sachverständigengutachtens verfasst habe".

Im Gegensatz zu der Afsset-Leitung erklären die Berichterstatter des Gutachtens zu den Hochspannungsleitungen, dass für mögliche langfristige gesundheitliche Auswirkungen der von diesen ausgehenden Strahlungen keine ausreichenden wissenschaftliche Belege vorliegen, um eine Änderung der gegenwwärtigen Strahlungshöchstwerte zu rechtfertigen. Eine solche Maßnahme missbräuchlich zu empfehlen, trage dazu bei, ohne jeden Grund 300 000 Anlieger von Hochspannungsleitungen zu beunruhigen.

Die Unterzeichner des "Offenen Briefes" "verurteilen die Verleugnung der Wissenschaft, die zu einer irrationalen Interpretation des 'principe de précaution' führe".

Die von Unterzeichnern des "Offenen Briefes" verurteilten Sachverhalte sind das zweite Mal, dass die Afsset-Leitung Kritik von wissenschaftlicher Seite auf sich zieht. Schon vor einigen Monaten hatten die Académie des sciences, die Académie de médecine und die Académie des technologies auch ihrerseits das Auseinanderklaffen zwischen den insgesamt beruhigenden Schlussfolgerungen eines Sachverständigenberichts zu den gesundheitlichen Risiken von Mobilfunk-Antennen einerseits und der Unruhe verbreitenden Stellungnahme von Afsset in dieser Frage andererseits beklagt.

Der Wortlaut des "Offenen Briefes" steht unter der oben angegebenen Internetanschrift zur Verfügung.

Über den konkreten Anlass hinaus ist der Brief ein bemerkenswertes Dokument zu dem generellen Problem des Verhältnisses von in Beratungsgremien tätigen Wissenschaftlern zu den staatlichen Aufgabenträgern.

Quelle: Le Figaro (sciences médecine) vom 20.5.2010 Redaktion: Länder / Organisationen: Frankreich Themen: Strategie und Rahmenbedingungen Lebenswissenschaften Umwelt u. Nachhaltigkeit

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