Deutschlands Innovationsfähigkeit hat nachgelassen. Im internationalen Vergleich belegt die Bundesrepublik aktuell Rang 6 – von insgesamt 28 untersuchten Industrienationen. Im Vorjahr reichte es noch für Platz 4. Zu diesem Ergebnis kommt der Innovationsindikator 2012, den das Fraunhofer ISI und seine Projektpartner im Auftrag der Deutschen Telekom Stiftung und des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) erhoben hat.
Ein wesentlicher Grund, warum Deutschland trotz aller Anstrengungen nicht den Durchbruch zur Spitze der innovationsfähigsten Industrienationen schafft, ist das schwache Bildungssystem. „Mit Ausnahme der beruflichen Bildung hapert es in der gesamten Bildungskette: von der Kita bis zur Hochschule und bis in die Weiterbildung hinein“, sagt Dr. Klaus Kinkel, Vorsitzender der Deutsche Telekom Stiftung. „Wenn wir nicht gleich heute anfangen, unser Bildungssystem besser aufzustellen, brauchen wir uns morgen nicht zu wundern, wenn auch die Leistungen in Wirtschaft und Wissenschaft nachlassen.“
„Vor allem die Investitionen der Unternehmen in Forschung und Entwicklung – ob im eigenen Haus oder an Hochschulen – machen Deutschland nach wie vor zu einem der weltweit stärksten Innovationsstandorte“, erklärt Dieter Schweer, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. „Um diese Stärke auch in Zukunft zu erhalten, bleibt einiges zu tun. Leistungsfähige Unternehmen und ein schwaches Bildungssystem – das kann auf die Dauer nicht gut gehen. Zudem sollte sich die Bundesregierung endlich zu einer steuerlichen Forschungsförderung entschließen, wie sie auch die Expertenkommission Forschung und Innovation fordert.“
Spitzenreiter des Länderrankings 2012 ist erneut die Schweiz. Mit deutlichem Abstand folgen Singapur und Schweden. Im engen Feld der Verfolger sind die Niederlande und Belgien an Deutschland vorbeigezogen. Grund dafür ist im Wesentlichen, dass diese Länder ihre Investitionen für Innovation während der wirtschaftlichen Erholung 2010 und 2011 wieder merklich – und stärker als Deutschland – gesteigert haben. Zurück auf den vorderen Rängen sind die USA. Dank Konjunkturprogramm, neuer Innovationsstrategie und erhöhter Unternehmensausgaben für Forschung und Entwicklung ist das Land aktuell nahezu gleichauf mit Deutschland.
Während sich das duale System der beruflichen Ausbildung als wichtige Innovationsstütze erweist, müssen in Deutschland die Weiterbildungsaktivitäten während des Berufslebens – auch die der akademisch gebildeten Beschäftigten – deutlich ausgeweitet werden. Wie der Innovationsindikator zeigt, ist eine ausreichende kontinuierliche Anpassung des Wissens eine Frage des Gebens und des Nehmens: Es braucht sowohl mehr Angebote durch die Arbeitgeber als auch mehr Nachfrage durch die Beschäftigten. Auch tut sich Deutschland nach wie vor schwer damit, seine Vielfalt (Diversity) auszuschöpfen und mehr Frauen, Migranten sowie die Generation 50plus als Beschäftigte in Wissenschaft und Wirtschaft einzubeziehen – und vergibt damit die Chance, seine Innovationsleistung zu erhöhen.
Der eigentlich international ausgerichtete Innovationsindikator betrachtet in diesem Jahr mit Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen auch zwei deutsche Bundesländer. Im internationalen Gesamtranking positioniert sich Baden-Württemberg dank starker Leistungen in Wissenschaft und Wirtschaft auf Platz 2 direkt hinter Spitzenreiter Schweiz. Allein in der Bildung schneidet das Ländle weniger gut ab. Nordrhein-Westfalen schafft es mit guten Werten in der Bildung, aber schwächeren in Wissenschaft und Wirtschaft auf Platz 9. Der nächste Innovationsindikator wird die Innovationsfähigkeit aller deutschen Bundesländer untersuchen.
Der Innovationsindikator
Erarbeitet wird der Innovationsindikator von einem Konsortium dreier Institute: des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI, des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und des Maastricht Economic and Social Research Institute on Innovation and Technology der Universität Maastricht (MERIT). In einer Analyse von 28 Volkswirtschaften zeigt der Innovationsindikator auf, wo Deutschlands Stärken und Schwächen im Vergleich zu relevanten Wettbewerbern und aufstrebenden Industrienationen liegen. Dafür beleuchten die Forscher die Felder: Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Staat und Gesellschaft. Insgesamt setzt sich der Innovationsindikator aus 38 Einzelindikatoren zusammen, die für die Beschreibung der Innovationskraft eines Landes relevant sind.
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