Die Europäer bewegen sich immer selbstverständlicher über die europäischen Binnengrenzen. Sie wohnen in Frankreich, arbeiten in Luxemburg, studieren in Spanien, gründen Firmen in Belgien. Mit der Freizügigkeit werden auch staatenübergreifende Strafverfahren zum Alltagsgeschäft. Europa baut einen gemeinsamen europäischen Rechtsraum auf, einen „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“. Damit ein solcher Raum funktionieren kann, müssen auch Ermittlungsbehörden und Justiz der europäischen Länder eng zusammenarbeiten. „Diese Zusammenarbeit wird heute durch Unterschiede in den nationalen Rechten erschwert“, sagt Professor Marco Mansdörfer von der Universität des Saarlandes.
Die Rechte von Tatverdächtigen, Beschuldigten und Angeklagten in Strafverfahren unterscheiden sich von Land zu Land teils erheblich, ebenso die Rechtsmittel, die diese Rechte absichern. „Die Ermittlungsbehörden müssen sich und ihren Ermittlungsergebnissen gegenseitig vertrauen können“, erläutert Mansdörfer. „Werden in einem Land etwa Hausdurchsuchungen vorgenommen oder Zeugen befragt, ist es unerlässlich, dass hierbei Mindestanforderungen eingehalten werden, damit die Beweismittel auch vor den Gerichten anderer Länder verwertet werden können“, sagt er. „Beschuldigtenrechte wie das Recht auf Belehrung über die Aussagefreiheit oder rechtliches Gehör vor Gericht sind nur etwas wert, wenn die Möglichkeit besteht, sie auch durchzusetzen, wenn es also eine richterliche Kontrolle gibt“, erläutert der Strafrechts-Experte und Strafverteidiger beispielhaft. Mit internationalen Fachkollegen forscht Mansdörfer im Auftrag der Europäischen Kommission daran, die Rechtsmittel in Strafsachen europaweit zu vereinheitlichen und zu verbessern.
„Ziel ist es, rechtsstaatliche Standards für ein europaweit einheitliches Schutzniveau zu erarbeiten, damit die in anderen EU-Staaten erhobenen Beweise hohen Beweiswert haben“, erklärt Mansdörfer. „Bei rechtsstaatlichen Standards darf es im gemeinsamen europäischen Rechtsraum kein Downgrading und Absenken des Schutzniveaus geben. Wir wollen durch unsere rechtsvergleichende Forschung dazu beitragen, die nationalen Rechte der Mitgliedstaaten weiter zu verbessern.“
„Im Rahmen unseres Projektes vergleichen wir mehrere nationale Rechte, um Defizite zu finden, Schutzniveaus festzulegen und Lösungen für Gesamteuropa zu erarbeiten und schließlich der EU-Kommission Empfehlungen vorzulegen“, erklärt der Jurist. Auf dieser Basis könnten dann durch Richtlinien EU-weite Mindestvorschriften festgelegt werden. Die Strafrechtler überprüfen hierzu die nationalen Rechte aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Belgien, Luxemburg und Polen als Musterrechte. Sie klopfen diese daraufhin ab, wie sie verwirklicht sind, wo eventuelle Lücken oder besonders gute Lösungen bestehen. In einem ersten Schritt sichten die Forscher den Status quo, erarbeiten in Länderberichten eine Bestandsaufnahme und klären sie mit supranationalen Vorgaben wie der Grundrechtscharta der EU und der Europäischen Menschenrechtskonvention ab.
Weitere Partner des Projektes sind die Universitäten Danzig (Polen), Girona (Spanien), Leuven (Belgien) und Poitiers (Frankreich). Die EU-Kommission fördert die Forschung mit rund 350.000 Euro für zunächst zwei Jahre.
Kontakt:
Prof. Dr. Marco Mansdörfer,
Tel.: 0681 302 -2123,
E-Mail: lehrstuhl.mansdoerfer(at)mx.uni-saarland.de
http://www.uni-saarland.de/lehrstuhl/wirtschaftsstrafrecht.html