23 Forschungseinrichtungen und zwei Industriepartner aus insgesamt zehn Ländern haben jetzt den Rahmen geschaffen, um europäischen Wissenschaftlern ihre Messanlagen zur eigenen Forschung zur Verfügung zu stellen. Herzstück des Netzwerkes sind die 13 experimentellen Anlagen, von denen jede weltweit einzigartig ist. Hierzu gehört auch die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) mit ihrem Fluidzentrum, das zum Lehrstuhl Aerodynamik und Strömungslehre von Prof. Dr. Christoph Egbers gehört.
Noch bis zum 15. September dieses Jahres haben Wissenschaftler aus der Europäischen Union (EU) und assoziierten Ländern die Gelegenheit, in der ersten Bewerbungsrunde beim EuHIT-Konsortium Messzeit an einer dieser Anlagen zu beantragen. „Jede dieser Anlagen ist weltweit einzigartig“, erklärt EuHIT-Koordinator Prof. Dr. Eberhard Bodenschatz, Geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen. „Insgesamt hat Europa ein enormes Potential, die fundamentalen Eigenschaften der Turbulenz zu ergründen und damit technologische Vorsprünge zu erzielen“, fügt er hinzu. Was bisher noch gefehlt habe, sei eine gut strukturierte Vernetzung und die Öffnung der nationalen Versuchsanlagen für Forscher aus Wissenschaft und Industrie in der EU. Diese Lücke schließt nun EuHIT in den nächsten Jahren.
Während sich beispielsweise in Göttingen seit 2009 ein 18 Meter langer und sechs Meter hoher Turbulenz-Windkanal befindet, wo sich Turbulenz erzeugen lässt, die mit der heftigsten vergleichbar ist, die auf der Erde (etwa im Innern von Wolken oder bei Vulkanausbrüchen) vorkommt, können im Fluidzentrum der BTU Forscher atmosphärische Strömungen am Baroklinen Wellentank, geophysikalische Strömungen am Kugelschal-Geoflow-Modell, turbulente Scherströmungen an Taylor-Couette-Anlagen sowie turbulente Rohrströmungen am derzeit größten Rohrwindkanal in Europa untersuchen. „Wir sind stolz auf diese Beteiligung, denn wir erwarten europäische Spitzenwissenschaftler hier in Cottbus, die an unseren Anlagen Experimente durchführen werden. Zurzeit liegen bereits sechs Anfragen aus Twente, LeHavre, Grenoble, Brüssel, Stockholm sowie Poznan vor“, freuen sich Prof. Egbers und seine Mitarbeiter auf die neuen Wissenschaftskontakte.
Zu den 13 experimentellen Anlagen gehören außer der in Cottbus die in Grenoble, Erlangen, Ilmenau, Genf, Bologna, Triest, Prag, Predappio, Villeneuve d'Ascq und Twente.
Hintergrund
Das Konsortium aus 23 Forschungseinrichtungen und zwei Industriepartnern aus Dänemark, Deutschland, Frankreich, Israel, Italien, den Niederlanden, Polen, Rumänien, der Schweiz und der Tschechischen Republik versteht sich in erster Linie als Austauschplattform. So können sich etwa Forscher aus der EU und assoziierten Ländern um Messzeit an einer der Anlagen bewerben. Zudem bieten die Partnereinrichtungen einander und anderen Hilfe bei der Auswertung von Daten, in Fragen der Messtechnik und machen ihre Messdaten anderen Forschern zugänglich.
„Auf diese Weise machen wir Infrastruktur und Know-How für einen deutlich größeren Kreis von Forschern nutzbar“, so Bodenschatz. Ein solcher Austausch komme allen zu Gute. Zudem organisiert EuHIT gemeinsame Forschungsaktivitäten zur Verbesserung der nationalen Infrastrukturen, die sich nur durch europaweite Zusammenarbeit angehen lassen.
Auf diese Weise hoffen die Forscher nicht nur, die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten der Turbulenz aufzudecken, sondern auch zur Lösung wichtiger wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Fragen beizutragen. Denn Turbulenz ist sowohl in der Natur, als auch in technischen Anwendungen nahezu allgegenwärtig. Die grundlegenden Prozesse zu verstehen, kann deshalb unter anderem helfen, Windenergieausbeute zu erhöhen, die Ausbreitung von Luft- und Wasserverschmutzung vorherzusagen, den Einfluss der Wolkenbildung auf Klimaprognosen besser zu verstehen und Transportprozesse in der chemischen Industrie zu optimieren.
Die Europäische Kommission fördert EuHIT in den nächsten vier Jahren mit sieben Millionen Euro.