Wie die Entwürfe zeigen, geht die Regierung davon aus, dass in Großbritannien ab 2025 mehr als die Hälfte der in Neuanlagen erzeugten Energie aus erneuerbaren Quellen stammen wird. Ein beträchtlicher Teil der restlichen Energie soll aus CO2-armen Quellen gewonnen werden, z.B. aus Kernkraft und aus fossilen Brennstoffen kombiniert mit CO2-Abscheidung und –Speicherung.
In den aktuellen Grundsatzpapierentwürfen werden acht potenziell geeignete Standorte für neue Kernkraftwerke bestätigt, während drei Orte ausgeschlossen werden. Gleichzeitig wurde eine Machbarkeitsstudie für ein Gezeitenkraftwerk in der Mündung des Severn veröffentlicht.
Im Rahmen eines weiteren Pakets von Ankündigungen, die der Kernenergiebranche mehr Planungssicherheit geben sollen, gab der Minister u. a. folgendes bekannt:
- die aufsichtsbehördliche Zulassung von zwei neuen Kernreaktortypen, nämlich dem AP1000 von Westinghouse und dem Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) von Areva;
- weitere Details zu den Auflagen, die bei neuen Kernkraftwerken hinsichtlich der Entsorgung gelten werden;
- genauere Informationen zur Nichtsubventionierung neuer Kernkraftwerke.
Der Energieminister erklärte wörtlich:
„Ich habe den Streit zwischen Erneuerbaren-Befürwortern und Kernkraft-Anhängern satt, denn das bedeutet, dass wir weder das eine noch das andere bekommen. Um Großbritannien mit Strom zu versorgen, brauchen wir dringend Investitionen in verschiedene neue Energiequellen. Da ein Großteil unserer jetzigen Erzeugungskapazität in den kommenden Jahren abgeschaltet wird, brauchen wir Erneuerbare, neue Kernkraftwerke und Fossilbrennstoff-Kraftwerke mit CO2-Abscheidung und –Speicherung, und dazu die Kabel, um sie alle ans Netz anzubinden. Der Markt braucht Gewissheit, damit die nötigen Investitionen getätigt werden, und wir sind entschlossen, alle Hindernisse auszuräumen, die dem Programm im Wege stehen.
Heute projektieren wir also unseren künftigen Energiebedarf, und dies wird als Orientierung für den Planungsprozess dienen, so dass solide Bauanträge für geeignete Standorte keine unnötige Behinderung erfahren. Und ich sage ganz klar, dass neue Kernkraftwerke so viel wie möglich zur Deckung des Bedarfs beitragen sollen, verbunden allerdings mit der Auflage an die Betreiber, für die Entsorgung aufzukommen.“
Die soeben publizierte Studie zum Severn-Gezeitenkraftwerk kam zu dem Ergebnis, dass es derzeit keine strategische Begründung für größere Investitionen der öffentlichen Hand in ein Energie-Großprojekt in der Severn-Mündung gibt. Die Realisierung wäre sehr kostspielig und es wäre sehr schwierig, die nötigen Investitionen allein in der Wirtschaft zu mobilisieren.
Die Machbarkeitsstudie zum Severn-Gezeitenkraftwerk ergab, dass der Bau eines solchen Kraftwerks in der Severn-Mündung mehr als 30 Milliarden GBP (ca. 36 Mrd. EUR) kosten könnte, womit es im Vergleich zu anderen Stromerzeugungsverfahren mit hohen Kosten und hohen Risiken verbunden wäre. Der Bericht schloss mit der Empfehlung, dass ein Gezeitenkraftwerk am Severn als längerfristige Option unter veränderten Marktbedingungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden sollte, hielt jedoch auch fest, dass beträchtliche Unsicherheiten hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften bestehen und dass ein solches Projekt mit massiven Veränderungen der natürlichen Umwelt des Mündungsgebietes verbunden wäre.
Zur Severn-Studie erklärte Chris Huhne:
„Die Studie zeigt klar, dass es derzeit keine strategische Rechtfertigung für den Einsatz öffentlicher Mittel für ein Projekt zur Stromerzeugung in der Severn-Mündung gibt. Andere Formen der Energieerzeugung mit geringem CO2-Ausstoß bieten Steuerzahlern ebenso wie Verbrauchern günstigere Optionen.
Allerdings kommt dieser Region mit ihren großen Ressourcen an natürlicher Meeresenergie, mit Unternehmen und Universitäten, die in Sachen Gezeitenenergie zur Weltspitze gehören, und mit der innovativen Wellenenergie-Teststation Wave Hub potenziell eine wichtige Rolle bei der künftigen Versorgung Großbritanniens mit erneuerbaren Energien zu.“
Hintergrund
1. Die Parlamentarische Erklärung ist (auf Englisch) hier nachzulesen
2. Konsultationsdokument zu den Grundsatzpapieren zur künftigen Energieversorgung Großbritanniens (auf Englisch). Die Konsultation endet am 24.01.11.
3. Im überarbeiteten Entwurf des Grundsatzpapiers zur Kernkraft wurden die folgenden Standorte als für den Einsatz neuer Kernkraftwerke ab 2025 potenziell geeignet identifiziert: Bradwell in Essex, Hartlepool im Borough of Hartlepool; Heysham in Lancashire, Hinkley Point in Somerset, Oldbury in Süd-Glostershire, Sellafield in Cumbria, Sizewell in Suffolk und Wylfa auf der Insel Anglesey.
4. In der Antwort der Regierung auf die Konsultation zu den ersten Entwürfen für die Energie-Grundsatzpapiere, die parallel zu den neuen Entwürfen veröffentlicht wurde, wird bestätigt, dass die Regierung zu dem Schluss gekommen ist, dass Dungeness in Kent für einen Kraftwerksbetrieb ab 2025 nicht geeignet ist, weil hier Bedenken hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf bedeutende natürliche Lebensräume bestehen. Bei den potenziellen Standorten Braystones und Kirksanton in Cumbria kam die Regierung zu dem Schluss, dass sie ebenfalls nicht geeignet sind für einen Kraftwerksbetrieb ab 2025, hier wegen Zweifeln an der Realisierbarkeit bis 2025, und wegen Bedenken hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf den Nationalpark Lake District.
5. Der Minister hat die Entscheidung bekannt gegeben, dass die Kernkraftwerkstypen mit der derzeitigen Bezeichnung AP1000 und Europäischer Druckwasserreaktor (EPR) gemäß den einschlägigen Genehmigungsvorschriften von 2004 für den Einsatz von Praktiken, bei denen ionisierende Strahlung entsteht (Justification of Practices Involving Ionising Radiation Regulations 2004) zugelassen sind. Diese Vorschriften setzen die Richtlinie 96/29/Euratom des Europäischen Rates vom 13.05.1996 (auch bekannt als Richtlinie über grundlegende Sicherheitsstandards) um und sorgen dafür, dass vor der Einführung von neuen mit ionisierender Strahlung verbundenen Praktiken, wie z.B. neuen Kernkraftwerken, ein ordnungsgemäßes Genehmigungsverfahren durchgeführt wird.
6. Dieses Verfahren ist bekannt als die aufsichtsbehördliche Genehmigung. Es ist eine allgemeine Prüfung auf hoher Ebene, bei der festgestellt wird, ob der ökonomische, soziale oder anderweitige Nutzen eines Projekts größer ist als seine möglichen gesundheitsschädlichen Auswirkungen (weitere Informationen dazu).
7. Studie zu einem Gezeitenkraftwerk in der Severn-Mündung (engl.)