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Projekt VERA: Szenarien für den Europäischen Forschungsraum

Internationalisierung Deutschlands, Bi-/Multilaterales

Globale Märkte, gemeinsames Handeln, lokale Lösungen und unterschiedlicher Umgang mit Krisen und Herausforderungen: Der Europäische Forschungsraum kann sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln, vier mögliche Zukünfte zeigt das Projekt VERA auf. Die Szenarien, wie dieser gemeinsame Forschungsraum aussehen könnte, wurden von zehn Forschungseinrichtungen unter der Leitung des Fraunhofer ISI entwickelt und sind bewusst überzeichnet. So sollen sie eine Diskussionsgrundlage und Entscheidungshilfe bieten: Abhängig davon, welcher Forschungsraum gewünscht ist, müssen schon heute unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden.

Ein Ziel der Europäischen Union ist die Einrichtung eines Europäischen Forschungsraums (EFR), in dem Forscherinnen und Forscher sowie Wissen und Technologie ungehindert zirkulieren können – sei es durch grenzübergreifend anerkannte Abschlüsse oder Rentenansprüche, übersichtlich geregelte geistige Eigentumsrechte sowie einfachen Zugang zu Wissen, Daten und Forschungsinfrastrukturen. Seit der Jahrtausendwende sind zahlreiche Initiativen zur Integration, Zusammenarbeit oder Koordination nationaler und europäischer Forschungsaktivitäten entstanden, die in den vergangenen fünf Jahren zunehmend Innovationsaktivitäten einschließen.

Wie dieser Forschungsraum weiter ausgestaltet werden soll, ob er beispielsweise ähnlich wie der europäische Binnenmarkt „vollendet“ werden soll, darüber herrscht jedoch Unklarheit. Zudem ist unsicher, ob der EFR angesichts sich stark verändernder Forschungs- und Innovationsaktivitäten und globaler Herausforderungen gut für die Zukunft aufgestellt ist.

Die vier Szenarien, die im Projekt VERA (Forward Visions on the European Research Area) entstanden sind, zeigen unterschiedliche mögliche Realitäten im Jahr 2030. Begleitende Analysen verdeutlichen, wie diese Szenarien zu übergeordneten Politikzielen beitragen, beispielsweise zum Erhalt und Ausbau einer robusten Wissensbasis, zu einem innovationsfreundlichen Klima oder zur Adressierung gesellschaftlicher Herausforderungen. Das Projektteam hat diese Szenarien zusammen mit unterschiedlichen Interessengruppen entwickelt.

Dr. Stephanie Daimer, Projektleiterin am Fraunhofer ISI, betont: „Es war uns wichtig, nicht nur dominante Stakeholder wie die Europäische Kommission und nationale Regierungen, Großunternehmen oder EU-weit organisierte Forschungsorganisationen einzubinden, sondern auch Interessengruppen, die vielleicht noch nicht so stark, aber sehr wichtig sind und deren Bedeutung zunehmen wird. Dazu gehören unter anderem Universitäten und Forschungseinrichtungen, einzelne Forscherinnen und Forscher, der Forschungsnachwuchs, Stiftungen und Crowdfunding-Plattformen.“

Die Szenarien:

  1. Das erste Szenario zeigt unter dem Namen „Privates Wissen – globale Märkte“ einen Forschungsraum, in dem die Nachwirkungen der Wirtschaftskrise noch stark zu spüren sind. Hier wird die Forschung vor allem durch die Wirtschaft sowie Mäzene und Stiftungen finanziert, öffentliche Forschungsförderung ist aufgrund knapper Kassen nur eingeschränkt möglich. Demzufolge haben politische Akteure – auch die EU-Einrichtungen – wenig Einfluss auf die Forschungsschwerpunkte, stattdessen beherrschen private Akteure die Forschungslandschaft.
  2. Im Szenario „Gesellschaftliche Herausforderungen – gemeinsames Handeln“ bedrohen sich ankündigende Krisen den Lebensstandard in Europa, beispielsweise schlechte Energieversorgung, militärische Konflikte, Auswirkungen des Klimawandels oder Pandemien. Angesichts dieser Krisen arbeiten die europäischen Staaten eng zusammen, zum Beispiel indem sie durch Steuerharmonisierungen wirksam die Steuerflucht bekämpfen und so nachhaltig die öffentlichen Kassen sanieren. Die europäischen Institutionen sind zu Schlüsselfiguren mit großem Einfluss auf die Forschung geworden: Umfangreiche Förderprogramme zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen bieten zahlreiche Karriereperspektiven für junge Forscher – und insbesondere auch für Forscherinnen.
  3. Politische Skandale – vor allem im Bereich Datenschutz – sowie die Unfähigkeit der Politik, die Finanzkrise zu bewältigen, haben im Szenario „Einzelne Lösungen – lokal gedacht“ zu großem Misstrauen gegenüber den Regierungen geführt. Wissenschaft wird als nur ein Weg angesehen, Wissen zu erlangen, es gibt eine sehr heterogene Forschungslandschaft mit hoher Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, die sich auf regionale Lösungen konzentriert. Die Hauptaufgabe der Europäischen Union ist, die notwendigen Infrastrukturen zur Verteilung des Wissens bereitzustellen.
  4. Das vierte Szenario beschreibt „Krisenzeiten – Experten am Steuer“. Hier haben Klimakatastrophen zu einem Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit geführt. Die Anpassung an den Klimawandel ist zum beherrschenden Thema in der Politik geworden, die Wissenschaft ist von disziplin- und generationenübergreifender Zusammenarbeit geprägt und spielt bei der Erarbeitung und Umsetzung von Lösungen eine zentrale Rolle in Politik und Gesellschaft.

Die Szenarien wurden auch in einen Film umgesetzt, dieser kann unter https://www.youtube.com/watch?v=su6_7ZqLFfI&list=PLcW7ZLQDgAg-f9Y2glon1OUXyf... angesehen werden.

Die Ergebnisse von VERA wurden bereits der Europäischen Kommission und Vertretern aller europäischen Regierungen vorgestellt. Mit einigen Regierungen finden derzeit vertiefende Diskussionen statt, weitere Präsentationen sind geplant.

Stephanie Daimer erklärt: „Die Szenarien zeigen, dass die weitere Entwicklung des Europäischen Forschungsraums nur zu einem geringen Teil von externen Ereignissen abhängt. Wichtiger ist, wie Politik und Gesellschaft auf Krisen reagieren und welche Entscheidungen wir heute schon treffen: Wenn wir beispielsweise heute geistige Eigentumsrechte, Forschungsinfrastrukturen oder das Stiftungsrecht regeln, schaffen wir de facto Bedingungen, die Weichenstellungen für die Zukunft vornehmen. Die VERA-Szenarien zeigen den Zusammenhang zwischen solchen regulativen Einzelfragen und unterschiedlichen übergeordneten Politikzielen auf. Sie können helfen, sich ein Bild davon zu machen, welchen Forschungsraum man anstrebt. Zudem können sie Prozesse anstoßen, in denen sich verschiedene Akteure über eine gemeinsame Vision des zukünftigen Forschungsraums verständigen.“

Das Projekt wurde durch das 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union gefördert. Weitere Informationen zum Projekt VERA (Forward Visions on the European Research Area) gibt es unter http://www.eravisions.eu.

Kontakt:

Anne-Catherine Jung MA
Telefon: +49 721 6809-100
E-Mail: presse(at)isi.fraunhofer.de

Quelle: Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) /IDW Nachrichten Redaktion: Länder / Organisationen: EU Themen: sonstiges / Querschnittsaktivitäten

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