Das Thema manipulierte Testergebnisse bzw. das Umgehen von Messvorschriften erfährt in der Öffentlichkeit und den Medien derzeit höchste Aufmerksamkeit. Das betrifft Fahrzeugemissionen – Stichwort „Dieselgate“ – genauso wie andere EU-Gesetzgebungen. Aus diesem Grund fördert die Europäische Union das Projekt „ANTICSS – Anti-Circumvention of Standards for better market Surveillance“ (Eindämmung des Umgehens von Standards für eine bessere Marktüberwachung). Ziel des Forschungsprojekts ist es, Möglichkeiten zum Umgehen von Standards und Vorschriften bei der Ökodesign- und der Energielabel-Richtlinie der EU systematisch zu analysieren und zu reduzieren.
“Die Öffentlichkeit ist zu recht besorgt, wenn geltende Standards gezielt umgangen werden“, betont Kathrin Graulich, Wissenschaftlerin am Öko-Institut und Leiterin des internationalen Projekts. „Das ANTICSS-Projekt soll dazu beitragen, dass die EU-Rechtsvorschriften korrekt angewendet werden und so die Akzeptanz und das Vertrauen in die Ökodesign- und Energielabel-Gesetzgebung gestärkt werden.“
Durch Experteninterviews sowie Auswertung von Veröffentlichungen sammelt und strukturiert das Projektkonsortium Fallbeispiele. Eine systematische Analyse bestehender Ökodesign- und Energielabel-Verordnungen und ihrer Messstandards soll potenzielle Lücken aufdecken. Das Forschungsteam untersucht zudem den möglichen Zusammenhang zwischen „intelligenten“ Produkten mit speziell integrierter Software und dem Umgehen von Messvorschriften. Auf dieser Basis liefert das Projekt eine klare Definition für das bewusste Umgehen von Messstandards und grenzt dies von anderen Tatbeständen ab. Auf diese Weise können typische Umgehungsmuster, Grauzonen und Schlupflöcher in Zukunft leichter erkannt werden. Auch beugt eine eindeutige Definition Missverständnisse in der Kommunikation von Fachleuten und der Öffentlichkeit vor.
Darüber hinaus führen die in das Projektteam eingebundenen Testlabore für bestimmte Produktgruppen unabhängige Tests durch. Sie überprüfen, ob und in welcher Höhe durch das Umgehen von Messvorschriften Änderungen beim Energieverbrauch oder anderen Leistungsparametern entstehen und schlagen bei Bedarf alternative Messverfahren vor. Zudem entwickelt das Forschungsteam Checklisten, um Marktüberwachungsbehörden das Aufdecken von Umgehungen zu erleichtern. Gleichzeitig spricht es Empfehlungen aus, wie Gesetzeslücken und Grauzonen im Rahmen der Ökodesign- und Energielabel-Richtlinie künftig vermieden werden können.
Auf diese Weise trägt das ANTICSS-Projekt zur Stärkung von Marktüberwachungsbehörden und Testlaboren bei und fördert die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Akteuren. Politische Entscheidungsträger und Standardisierungsbehörden erhalten Empfehlungen, wie Möglichkeiten zum Umgehen schon bei der Entwicklung von Gesetzen und Standards schneller erkannt und in Zukunft verhindert werden können.
Das ANTICSS-Projektteam setzt sich aus 19 Organisationen aus acht EU-Mitgliedsstaaten zusammen: Forschungsinstitute, Marktüberwachungsbehörden, Energieagenturen, eine Standardisierungsbehörde, eine Universität, Umwelt-NGOs und unabhängige Testlabore.