Beim lebenslangen Lernen sind die Dänen in Europa spitze, Deutschland landet hingegen im Vergleich der 27 EU-Staaten vor allem wegen Schwächen bei der formalen Bildung nur im Mittelfeld. Das geht aus dem neuen „European Lifelong Learning Index“ (ELLI) der Bertelsmann Stiftung hervor. Ein internationales Expertenteam hat ihn nach einem kanadischen Vorbild in den vergangenen zwei Jahren erarbeitet und damit die Daten über lebenslanges Lernen in Europa erstmals auf eine vergleichbare Grundlage gestellt. Der Index und alle ihm zugrundeliegenden Zahlen sind auf der Internetplattform www.elli.org abrufbar.
Den Ergebnissen des Index zufolge haben neben Dänemark auch die Niederlande und die skandinavischen Länder Schweden und Finnland beim lebenslangen Lernen die Nase vorn. Diese Staaten gehören gleichzeitig auch zu denen mit der höchsten Lebenszufriedenheit, der größten Wettbewerbsfähigkeit und der niedrigsten Korruption. Am unteren Ende der ELLI-Skala finden sich vor allem südeuropäische Länder wie Rumänien, Bulgarien und Griechenland. Deutschland kommt auf Platz zehn und erreicht dabei eine Indexpunktzahl, die nur knapp über dem europäischen Durchschnitt liegt.
In den Index fließen insgesamt 36 Indikatoren ein. ELLI berücksichtigt dabei erstmals auch Lernprozesse außerhalb der klassischen Bildungsinstitutionen, also beispielsweise das Lernen am Arbeitsplatz und in der Freizeit. Neben dem Hauptindex gibt es daher Unterindizes für die einzelnen vier Lerndimensionen, wie sie die UNESCO definiert hat: Während der Bereich "Lernen Wissen zu erwerben" das klassische formale Bildungswesen betrachtet, umfasst "Lernen zu handeln“ die berufliche Aus- und Weiterbildung. Unter der Kategorie "Lernen zusammen zu leben" werden die informellen sozialen Lernaktivitäten in der Freizeit zusammengefasst. Der Bereich "Lernen, das Leben zu gestalten" bezieht sich schließlich auf das eigenständige Lernen zur persönlichen Entfaltung und Weiterentwicklung.
In fast allen Kategorien schneidet Dänemark am besten ab. Nur im Bereich der beruflichen Weiterbildung landen die Schweden noch vor den Dänen. Deutschland hingegen offenbart vor allem Schwächen bei der formalen Bildung: Hier reicht es trotz verbesserter PISA-Ergebnisse nur zu Rang 14. Auch im Bereich betriebliche Weiterbildung hat Deutschland offenkundig im europäischen Vergleich noch Nachholbedarf: Sowohl bei den Teilnahmequoten als auch beim finanziellen Engagement der Unternehmen landet die Bundesrepublik nur im Mittelfeld. Besser sieht es beim non-formalen und informellen Lernen in der Freizeit aus. Hier punktet Deutschland vor allem mit einer guten Lern-Infrastruktur, die für das lebenslange Lernen von zentraler Bedeutung ist.
"Gelernt wird nicht nur an Schulen und Hochschulen", betont Dr. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, „sondern auch am Arbeitsplatz, in Vereinen oder politischen Organisationen, in der Familie, in der Freizeit und im Gemeinwesen." Er unterstreicht: „Lernen ist der beste Garant für Wohlstand, Gesundheit, sozialen Zusammenhalt und Glück. In der Zukunft werden wir mehr, früher, länger und auch anders lernen müssen. Mit ELLI versuchen wir, Bildung und Lernen ganzheitlich zu erfassen um zu wissen, wo wir stehen.“
Gezielter Verbesserungsbedarf besteht in Deutschland vor allem im Bereich Hochschulbildung: Zu diesem Schluss kommen die Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Schömann und Dr. Christoph Hilbert vom Bremer Jacobs Center on Lifelong Learning and Institutional Development (JCLL), die die deutschen ELLI-Ergebnisse im Auftrag der Bertelsmann Stiftung ausgewertet haben. Den Experten zufolge ist die Zahl der Hochschulabsolventen in Deutschland deutlich zu niedrig. Hochschulbildung sei aber die Grundlage für das Fortschrittspotenzial einer Gesellschaft.
Auf der Webplattform www.elli.org sind alle Detailergebnisse des Index abrufbar. Neben den Indexergebnissen sind hier auch über 150 verschiedene Kennzahlen zum lebenslangen Lernen in Zeitreihen zu finden, die als Landkarten oder klassische Tabellen und Diagramme darstellbar sind. Voraussichtlich im Herbst werden auch Regionaldaten aus Deutschland zum lebenslangen Lernen eingespeist. Die Indexergebnisse werden künftig jährlich auf den neuesten Stand gebracht.
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Dr. Ulrich Schoof
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